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hinsichtlich des Schicksals der Najade und ihrer Besatzung zu ahnen scheint – wenigstens ungefähr! Ich mußte ja einen der Goldbarren veräußern, und obwohl ich dies in St., der Großstadt tat, wird doch etwas davon bekannt geworden sein. Wie – ist mir allerdings unerklärlich. Jedenfalls: Gerüchte wenig angenehmer Art laufen über mich um. Man zweifelt an meinen Ersparnissen, flüstert sich zu, ich hätte mir einen Teil der Ladung des gescheiterten Goldschiffes angeeignet.

Was den Untergang der Najade angeht – auch dies mag hier erwähnt sein! – so bin ich darüber noch dreimal zu Protokoll vernommen worden. Die Reederei, der der Dampfer gehörte, will durchaus herausbekommen, an welcher Inselgruppe das versunkene Wrack (ich lache: natürlich das angeblich!) zu suchen sein dürfte, da sie durch Taucher die Goldkisten herausholen lassen möchte. Ich bin bei meiner ersten Behauptung geblieben, daß ich nicht wüßte, welcher kleine Archipel es sei, an dessen äußeren Klippenreihen das Schiff zerschellte. – Jetzt werden sie mich wohl mit ihren Vernehmungen verschonen, nachdem ich jedesmal dasselbe ausgesagt habe.

Mein Herr Neffe Heinrich hat da übrigens eine Freundschaft geschlossen, der ich ein Ende bereiten muß. Dieser Chemiker Werner Seiffert, der dort auf der Eicheninsel in der Hafenbucht einsam haust, scheint mir ein allzu heller Kopf zu sein. Ich – ich fürchte ihn! Er ist schlau und jeder Verstellung fähig. Ich vermute in ihm den Urheber all jener Gerüchte über mich.

Eine interessante Persönlichkeit, dieser Seiffert, ohne Frage! Was treibt er eigentlich auf seinem Inselchen, das er durch Stacheldrähte abgesperrt hat, als hätte er dort die wertvollsten Geheimnisse zu hüten?! Man sagt, er beschäftige sich mit chemischen Experimenten; arbeite an einer Erfindung. Ich – ich traue dem Burschen nicht! Zu gern würde ich herausbekommen, weshalb er sich dergestalt in die Einsamkeit verkrochen hat.

Empfohlene Zitierweise:
W. Belka: Das Tagebuch des Steuermanns. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_des_Steuermanns.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)