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sie niemand, denn das Geheimfach habe ich selbst angelegt und dazu so geschickt, daß niemand es auffinden wird – höchstens durch einen Zufall. Und derlei Zufälle sind selten. Mit ihnen braucht man nicht zu rechnen. –

Es war nicht ganz leicht, auf der im Hafen von Valparaiso liegenden Najade noch unterzukommen. Die Besatzung des schönen Dampfers war vollzählig, bis – ja bis eines Abends der zweite Steuermann nach einer langen Kneiperei im Hafenviertel genau am Abend vor der Ausreise verschwand. Ich habe diese Geschichte sehr fein eingefädelt. Es hat sicher eine halbe Woche gedauert, ehe der Trunkene in jener Spelunke richtig wieder zur Besinnung kam. Inzwischen hatte ich seinen Posten eingenommen, und jetzt – jetzt schwimmt die Najade mit ihrer kostbaren Ladung längst auf hoher See!

Ja – es glückte mir tadellos, auf diese Weise auch mit meinem Herrn Neffen auf demselben Schiff – und gerade auf diesem Dampfer – zusammen zu treffen. Karl machte ein sehr erstauntes, aber nicht gerade erfreutes Gesicht, als ich auf ihn zutrat. Er weiß ja, wie wenig herzlich die Beziehungen zwischen mir und seinen Eltern, insbesondere seinem Vater sind. Dieser verknöcherte Beamte, dieses wandelnde Pflichtgefühl und diese lächerliche Arbeitsbiene, hatte ja stets an mir etwas auszusetzen. Seiner Meinung nach besitze ich – „wenig gefestigte Moralbegriffe“! Lächerlich! Es gibt nur eine Richtschnur des Handelns für einen vernünftigen Menschen: den eigenen Vorteil wahrzunehmen! – Geld ist Macht! Diesen Götzen beten alle an – alle! Auch ich will reich werden – so reich, daß man mich beneidet, daß ich mir alle Wünsche erfüllen und Einfluß gewinnen kann. – Geldgier und Ehrgeiz! – Wozu soll ich’s leugnen, daß diese beiden Charaktereigenschaften mich ganz beherrschen und daß mir jedes Mittel recht dünkt, zu Geld und Ansehen zu gelangen. Auf dem gewöhnlichen Wege erwirbt man keine Reichtümer. Ich habe jahrelang gespart, gedarbt und kleine Geschäfte gemacht,

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W. Belka: Das Tagebuch des Steuermanns. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_des_Steuermanns.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)