und hätt dich gebildet, wie ein Gigant
dich bilden würde: als Berg, als Brand,
als Samum, wachsend aus Wüstensand –
es kann auch sein: ich fand
dich einmal ...
Meine Freunde sind weit,
ich höre kaum noch ihr Lachen schallen;
bist ein junger Vogel mit gelben Krallen
und großen Augen und tust mir leid.
(Meine Hand ist dir viel zu breit.)
Und ich heb mit dem Finger vom Quell einen Tropfen
und ich fühle dein Herz und meines klopfen
und beide aus Angst.
Ich finde dich in allen diesen Dingen,
denen ich gut und wie ein Bruder bin;
als Samen sonnst du dich in den geringen,
und in den großen gibst du groß dich hin.
daß sie so dienend durch die Dinge gehn:
in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte
und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.
Stimme eines jungen Bruders.
Ich verrinne, ich verrinne
wie Sand, der durch Finger rinnt.
Rainer Maria Rilke: Das Stundenbuch. Leipzig: Insel-Verlag. 1918, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Stundenbuch_(Rilke)_018.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)