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Walther Kabel: Das Neueste über Irrlichter. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 12, S. 234–236

entstand eine bläuliche Flamme, ähnlich einem Irrlicht. Dumas vertrat nun die Ansicht, daß die natürlichen Irrlichter ganz ebenso entstehen, und zwar nur an solchen Orten, wo Menschen- oder Tierleichen im Sumpf liegen, deren Organe, hauptsächlich Gehirn und Rückenmark, reich an Schwefel und Phosphor sind und bei ihrer Verwesung genau dasselbe Gasgemenge hervorbringen, das er in seinem Garten künstlich darstellte. Zu einer weiteren Untersuchung dieser seiner Theorie über die Entstehung der Irrlichter kam er jedoch nicht, da ihn der Tod mitten aus seinen Arbeiten herausriß.

Auf diesen grundlegenden Gedanken baute dann 1906 der Pariser Chemiker Mestrelle seine weiteren Experimente auf. Am 17. Oktober 1905 hatte er in einem Moor bei Rouen eines Nachts drei Irrlichter beobachtet, die wohl eine Stunde lang immer wieder an derselben Stelle auftauchten. Mestrelle bohrte seinen Spazierstock, an den er sein Taschentuch gebunden hatte, an dem betreffenden Orte in das Moor, um die interessante Stelle am nächsten Morgen sicher wiederzufinden. Durch Arbeiter ließ er dann dort nachgraben. In drei Meter Tiefe stieß man auf den halbverfaulten Kadaver eines Hirsches. Nachdem dieser entfernt war, haben sich an jener Stelle nie wieder Irrlichter gezeigt, trotzdem jene Örtlichkeit wegen der häufig erscheinenden bläulichen Flämmchen bei der Landbevölkerung in sehr schlechtem Rufe gestanden hatte.

Hiernach vergrub Mestrelle, um der Sache völlig auf den Grund zu gehen, in einem Torfbruch bei Versailles im Frühjahr 1906 den Kadaver eines wegen Seuchenverdachtes geschlachteten Rindes. Die betreffende Stelle wurde dann durch einen in der Nähe wohnenden Feldhüter ständig beobachtet. Aber erst drei Jahre später, im Hochsommer 1909, zeigten sich Irrlichter, die besonders zahlreich nach einer längeren Hitzeperiode auftraten.

Mestrelle war für seine Person nach diesem Versuch bereits vollkommen überzeugt, daß die Annahme seines verstorbenen Kollegen Dumas über die Entstehungsursache der Irrlichter hier die volle Bestätigung gefunden habe. Um jedoch ganz sicher zu gehen, wiederholte er das Experiment insofern, als er den Kadaver des Rindes wieder ausgraben und hundert Meter

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Neueste über Irrlichter. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 12, S. 234–236. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Neueste_%C3%BCber_Irrlichter.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)