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hätte man von Harst und Schraut wohl nie mehr eine Spur gefunden.

Wir standen noch immer regungslos.

Dann brachte Harald seinen Mund an mein Ohr.

„Ich hatte die Clement in der Hand, mein Alter. Der erste Lichtstrahl, der uns von Rupertis Laterne umspielt hätte, wäre von mir mit einer Kugel beantwortet worden.“

Wir warteten noch zwei Stunden. Dann zündete Harald seine Laterne an.

„Wir können es nun wagen,“ flüsterte er. „Es ist jetzt ein Uhr nachts –“

Er kletterte langsam empor. Die Spalte war gut sechs Meter tief. Ich folgte vorsichtig. Zwischen zwei Steinblöcken hindurch zwängten wir uns ins Freie. Harald löschte die Laterne sofort wieder aus. Schritt für Schritt tasteten wir uns weiter bis zu einem Gebüsch neben dem Fußpfade.

Hier setzten wir uns nieder. Der Gletscherbach brauste und tobte. Der weiße Gischt leuchtete gespenstisch durch die Nacht. Über uns der ausgestirnte Nachthimmel und die schmale Mondsichel.

Wir froren. Selbst das Fläschchen Kognak, das Harald vorsorglich eingesteckt hatte, half nicht viel.

Wir froren und hielten doch aus, bis der Morgen graute. Es wurde hell.

„So – nun vorwärts!“ meinte Harald. „Wir werden die beiden wohl in der Steinhütte überraschen –“

Wir kletterten den Pfad weiter bergan. Rechts tauchte ein kleiner Bauernhof auf; dann das Holzhäuschen, in dem die Besucher des Buarbrä-Gletschers Erfrischungen und natürlich – Ansichtskarten erhalten können.

Der Wirt dieses primitiven Restaurants war bereits munter und musterte uns wie Wundertiere. Morgens um sieben Uhr hatte er wohl noch nie Touristen bedient. Wir bestellten Kaffee, Setzeier und belegte Brote.

„Die Herren haben wohl im Hotel Frühstück nicht erhalten,“ meinte der Wirt lächelnd. „Sie sehen tüchtig durchgefroren aus. Übrigens haben Sie großes Glück gehabt. In der Nacht ging eine schwere Steinlawine zu Tal. Das Krachen war so gewaltig, daß ich dadurch geweckt

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Max Schraut: Das Geheimnis der Kabine 24. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_der_Kabine_24.pdf/56&oldid=- (Version vom 30.6.2018)