Seite:Das Geheimnis der Kabine 24.pdf/12

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Unter uns lagen der Rest der Treppe und die Gasse wie ein Tunnel, der weiß Gott wohin führte.

Und aus diesem Tunnel war ein leises Wimmern zu uns emporgedrungen wie die Klagelaute eines Kindes, das seinen Schmerz zu verheimlichen sucht.

Was bedeutet am hellen Tage, in anderer Umgebung und unter anderen Umständen ein solches Wimmern?! Es regt unser Mitleid flüchtig an, und wir denken: Es wird wohl nicht so arg sein!

Wie so ganz anders nahmen sich die kindlichen Laute hier aus! Welche Bedeutung erhielten sie, als nun aus derselben Finsternis ein halb unterdrückter englischer Fluch erklang, dem die vor Wut halb gezischten Worte folgten – ebenfalls in englischer Sprache:

„Halte der Bestie den Mund zu! Es war mir vorhin, als käme jemand die Treppe hinab!“

Harald brachte seinen Mund dicht an mein Ohr:

„Ducke Dich zusammen! Zieh’ Dir im Sitzen die Schuhe aus!“

Ich tat’s. Und ich sah undeutlich, daß auch Harst die Schnürstiefel abstreifte.

„Warte hier,“ hauchte Harald mir abermals ins Ohr. „Ich glaube, wir haben es mit Einbrechern zu tun! Das, was ich vorhin für Schritte hinter uns hielt, werden Geräusche vor uns gewesen sein! Der Wind und das Lärmen der Brandung übertönen alles!“

Er huschte die Stufen hinab, nachdem er mir seine Stiefel in die Hand gedrückt hatte.

Ich sah, wie seine tief gebückte Gestalt in dem grauen Touristenanzug immer mehr mit der Finsternis verschmolz.

Nun war er ganz verschwunden.

„Warte hier!“ hatte er befohlen. – Ich wußte, er liebte keine Eigenmächtigkeiten. Aber nach etwa fünf Minuten packte mich die Angst – die Angst um den, der mein Freund war und zugleich ein Beschützer aller Bedrängten.

Fünf Minuten! Was konnte in dieser Zeitspanne nicht alles passiert sein. Man konnte Harald hinterrücks niedergeschlagen haben: man konnte –

Da – was war das soeben gewesen?! – Ein paar

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das Geheimnis der Kabine 24. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_der_Kabine_24.pdf/12&oldid=- (Version vom 30.6.2018)