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Das Ausland. 1,2.1828

arbeitet – alle sind gleich englisch und nichts als englisch. Die Theilung des Eigenthums ist so groß, daß, während sie den Regierenden eine fast unwiderstehliche Kraft verleiht, sie zugleich eine Masse von Proletariern erzeugt, die eine unerschöpfliche Quelle für die Flotten und die Landarmee bilden. Soll ich noch jener zwölfmalhunderttausend Gewehre erwähnen, die im Tower aufgehäuft sind, jener schwimmenden Citadellen, welche, die Herrschaft der Meere sichernd, schnell wie der Strom des Windes, Armeen auf die entferntesten Punkte tragen können, und es leicht machen, stets angreifend aufzutreten, während sie die Garantie gewähren, nie auf dem eigenen Gebiete angegriffen zu werden?

Von diesem so mächtigen Stamme gehen zahlreiche Aeste aus – die hundert Arme des Briareus, die die Welt umfassen. Im Norden beherrscht Helgoland das nördliche Deutschland; wie zwei vorgeschobene Posten bewachen Jersey und Guernesey den Canal und bedrohen die Küsten Frankreichs; Gibraltar schließt das Mittelmeer und kann auf seine unangreifbaren Wälle das Wort der Herkulessäulen setzen: „Nicht weiter!“ Wollen wir etwa aus unsern Seehäfen von Toulon oder Marseille auslaufen? Malta und Corfu verkündigen uns, daß dieses und das adriatische Meer englische Besitzungen sind, die man, nur wenn der Britte es für gut findet, beschiffen kann. Hoffen wir vielleicht auf den Antillen und auf dem Festlande Amerikas einige Trümmer unsrer alten Macht zu finden? Canada, St. Domingo, St. Lucia, das die beiden schwachen Kolonien, die man uns gelassen hat, wirkungslos macht, gehören nicht mehr Frankreich; Englands Kriege und Intriguen haben sie ihm geraubt. Halifax verleiht Großbritannien die Herrschaft über den Norden der atlantischen See, so wie Jamaica und Trinidad die Küsten Mexicos in seine Hand geben. In Ostindien ist seine Macht noch weniger unangefochten. St. Helena, das Cap, sind seine Stationen; weiter hin ließ es uns, gleichsam aus Mitleiden, ein Inselchen ohne Hafen und Rhede, raubte uns dagegen das schöne Isle de France; seinem Alliirten entriß es den wichtigen Punkt Ceylan, und nun hat es keinen Rivalen mehr an jenen Gestaden, wo Lahourdonnaie, Dupleix und Suffrein dem französischen Namen Liebe, Bewunderung und Furcht erweckten. England herrscht dort über achtzig Millionen Einwohner! Das Reich der Mahratten ist vernichtet, das der Birmanen dem Sturze nah – der Britte steht an der Grenze China’s!

Soll ich auch die Sundinseln, und Neu-Holland und Neu-Seeland, und Sincapur, und Vandiemensland etc. etc. anführen? Gestehen wir, er hatte Recht, der Redner Albions: England ist die ganze Welt!

(Fortsetzung folgt.)


Der Chirokee-Phönix.

[1]

Wie von dem Urwalde, welcher einst den größten Theil von Nordamerika bedeckte, zwischen dem Mississippi und dem atlantischen Meere nur noch verhältnißmäßig unbedeutende Ueberreste - gleich Inseln, von fruchtbaren Feldern, Dörfern und Städten umgeben – sich erhalten haben, die aber jetzt, nachdem sie dem Feuer und der Axt der ersten Ansiedler widerstanden, um so hartnäckiger ihren Platz zu behaupten scheinen; so sehen wir mitten in dem Gebiete der Vereinigten Staaten die Ländereien der indianischen Stämme zerstreut, welche die kümmerlichen Reste jener mächtigen Nationen sind, die, einst die ausschließlichen Besitzer des ganzen Landes, jetzt auf kleine vereinzelte Districte desselben beschränkt, mit Hunger und Elend um ihr Dasein kämpfen müssen. [2] Die Mohian’s in Connecticut, einst einer der mächtigsten Stämme, sind auf diese Weise zu einem Häuflein von vierhundert Seelen zusammengeschmolzen, das von dem unermeßlichen Jagdbezirke seiner Vorfahren noch etwa 4000 Morgen Landes behalten hat; die Narraganset’s auf Rhodeisland zu vierhundert Menschen mit 3000 Morgen, die Nottoways in der Grafschaft Southampton in Virginien zu sieben und vierzig Personen, die 27,000 Morgen Land besitzen. Die zahlreichsten Stämme sind seit dem siebenzehnten Jahrhundert in den Westen des Mississippi ausgewandert; die in der Heimat zurückgebliebenen leben in ihren kleinen Dörfern größtentheils ohne alle gesellschaftliche Ordnung: sie sind Fremde in dem Lande ihrer Väter. Viele von ihnen haben selbst bereits ihre Muttersprache mit einem verdorbenen Englisch vertauscht, ohne deshalb das Bürgerrecht in den Vereinigten Staaten zu gewinnen; es ist daher nicht daran zu denken, daß sie in dieser Zerstreuung je eine politische Bedeutung erhielten.

Andere Stämme haben indessen ihre ursprüngliche Stammverbindung, wie ihre Sprache und Sitten, bis jetzt hartnäckig bewahrt; und es ist ihnen in der neuern Zeit gelungen, wenn auch nicht von den Regierungen der einzelnen Staaten, in deren Gebiete sie leben, doch im allgemeinen durch den Congreß eine Art von Anerkennung ihrer Unabhängigkeit zu erhalten. Sie treten allmälig aus dem Zustande der Wildheit, der sie bisher von den Rechten civilisirter Völker ausschloß, heraus, indem sie ihr unstätes Jagdleben aufgeben, und Ackerbau, Künste und Gewerbe zu treiben anfangen. Daß die Vereinigten Staaten diese Entwicklung einer selbstständigen Macht in ihrer Mitte, mit Interessen, die von den ihrigen völlig verschieden, ja denselben in mehr als einer Beziehung entgegengesetzt sind, nicht mit gleichgültigen Augen ansehen können, ist natürlich, um so lobenswerther aber die Gerechtigkeit, mit welcher die Regierung bisher die Rechte der Indianer gegen alle Eingriffe von Seiten einzelner Staaten, die rücksichtsloser ihre Interessen verfolgen, wahrgenommen hat. Die Streitigkeiten der Conföderation der Creeks mit den Behörden von Georgien,

  1. Hiezu wird ein Steindruck mit einem Gedicht in der Chirokeesprache (einer poetischen Uebersetzung des Vater unser und dem Alphabet derselben, in wenigen Tagen nachgeliefert.
  2. They live by starvation, sind die Worte, deren sich unser Correspondent (in Boston) bedient, um den Zustand dieser unglücklichen Indianer zu bezeichnen.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_566.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2023)