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Das Ausland. 1,2.1828

auf den Pferden führten, oder mit dem Säugling an der Brust dahin ritten. Größere Knaben und Mädchen reiten zuweilen auf Füllen und üben sich dabei im Wettrennen, im Hunde-Jagen und im Fechten mit ihren Pletten (Peitschen). Einige Mädchen blieben mehrmals hinter dem Zuge absichtlich einige Werste zurück, um demselben dann wieder um die Wette vorsprengen zu können. Eine solche Wanderung ist bei den Kalmücken ein allgemeines Fest, wobei jeder seinen Reichthum sehen läßt. Die Männer reiten in ihrem besten Staate in einzelnen Gruppen mit der Kugelbüchse voraus, und haben sie sich zuweit vom Zuge entfernt, so lagern sie sich solange, bis sich der Zug wieder genähert hat. Die Hausfrauen reiten geputzt auf den besten Pferden vor ihren Heerden her, und führen das Leitseil des ersten Kameels, an welchem die folgenden hinter einander angebunden sind. Ueber das Gepäck auf den Kameelen werden große persische und russische Teppiche gelegt, welche zu beiden Seiten fast bis zur Erde frei herab hängen; bisweilen werden diese Thiere noch mit rothen Bändern geschmückt. Aermere Familien, welche keine Kameele besitzen, beladen ihre Rinder mit ihrem Gepäck und reiten sogar auf denselben. Einige wenige bedienen sich der Arbas (tatarischer Karren). Da derjenige Theil von Aerdänis Horde, welcher westlich und nördlich gestanden war, der Karavane sich angeschlossen hatte, so war dieselbe sehr zahlreich geworden; indessen war es uns unmöglich, sie gehörig zu schätzen, weil wir sie nie ganz übersehen konnten. Doch mag die Anzahl der Kameele, welche Gepäck trugen, sich auf mehr als fünfhundert Stück belaufen haben. Nachdem wir von Nachmittags zwei Uhr bis Abends halb neun Uhr 20 bis 25 Werste zurückgelegt hatten, wurde an dem Sarpa-Arm, an welchem wir in südlicher Richtung hinauf gereist waren, Halt gemacht. Da gleich am Morgen wieder aufgebrochen werden sollte, so wurde blos das Dachstück vom Zelt aufgeschlagen.

Indessen hatten unsere Bemühungen, die wir auch auf der Reise wiederholten, den Fürsten und seine Geistliche für unsere Bibelangelegenheit zu gewinnen, keinen Erfolg. Die Kalmücken fragten uns spöttisch: ob wir Russen oder Deutsche aus ihnen machen wollten? Sie meinten, sie hätten Nomm (Religion) genug. „Der neue Nomm, sagten sie, geht von Petersburg aus, und die Deutschen sind die Werkzeuge desselben; nehmen wir diesen neuen Nomm an, so geräth unser bisheriger schöner alter Nomm sammt den damit verbundenen herrlichen gottesdienstlichen Gebräuchen in Verfall; unsre gesammte Priesterschaft, unsre Stützen bei den Göttern, und wir verlieren Freiheit und Unabhängigkeit. Denn wenn wir diese Bücher annehmen, so senden sie uns Popen, und nöthigen uns, gleich den Russen, Ackerbau zu treiben und Abgaben zu zahlen.“

Da wir nun unsere Zeit in Bezug auf unsern Zweck unnütz verstreichen sahen, machten wir Anstalten zu unsrer Abreise. Erst mußten wir aber den Fürsten um einen Geleitsbrief ersuchen. Dieser Geleitsbrief wurde ohne Zweifel mit den Fürsten und Lamas mehrerer Horden reiflich berathen, so daß wir von einem Tag auf den andern hinausgeschoben wurden, und uns nichts Besseres zu thun übrig blieb, als wenigstens unsre Kenntnisse vom Charakter und den Gebräuchen des Volks zu vermehren.

Die Krankheiten, die in Zerren-Ubaschis Horde grassirten, zeigten sich hie und da auch in Aerdäni’s Horde. In einiger Entfernung von unsrer Hütte fanden wir die ausgesetzte Leiche einer Kalmückin, welche mit einigen schlechten Filzen bedeckt, und mit einem Pelze bekleidet war. Neben ihr lagen hölzerne Trinkschalen nebst einigen andern unbedeutenden Geräthschaften. Dieß ist die ganze Bestattung gemeiner Kalmücken: man setzt die Todten aus, die dann von Geyern und Hunden verzehrt werden. Anders ist die Sitte bei Fürsten und Lamas. Ihre Leichen werden feierlich verbrannt und die Asche mit Kalk vermengt zum Bau einer Begräbnißkapelle (Gaza) verwendet.

Wir sahen die dem Fürsten Sandschi-Ubaschi, dem Vater des Fürsten Zerren-Ubaschi, geweihte Zaza. Das Gebäude hatte ein steinernes Fundament, auf demselben erhob sich mit einigen Stufen die hölzerne Kapelle, sie hatte ungefähr vier Schritt in der Länge und Breite, ein flaches Dach auf ihren vier Seiten und war von einer Art Thurm überragt. Ein kleines Fensterchen auf der Südseite war die einzige Oeffnung. Inwendig befand sich ein Brett mit Opferschalen und verschiedenen Opfergaben, als ein Altarstischchen, eine alte hölzerne Schreibtafel, Büschel von Pferdehaaren, einige Kupfermünzen und eine Menge der schon erwähnten Thonkegel, gleichfalls Zaza genannt. An den Wänden waren grauenvolle Abbildungen der vier Mancharansa-Chane, welche am Fuße des Sümmerberges wohnen. Von diesen war der an der südlichen Wand, auf welcher Seite das Thürmchen stand, blau, der an der Wand zur Rechten weiß, der zur Linken gelb und der an der hintern Wand roth gemahlt. Alle vier hatten gewaltig große kugelrunde Augen und borstig in die Höhe stehende Haare. In den Händen hielten sie Waffen oder musikalische Instrumente. Diese Zazas dienen zugleich als Andachts- und Opferstätten.

(Fortsetzung folgt.)

Beweglicher Fels im Sorianischen bei Viterbo.

Unweit Viterbo im Kirchenstaat am Fuß des sorianischen Berges, welcher der höchste Punct der ciminischen Hügelkette ist, bewundert man seit Jahrhunderten einen Felsen von 8 Metres Länge, 6 Metres Breite und 3 Metres Höhe, aus prophyrartigem Trapp (necrolito, Brocchi) bestehend, der von den Landleuten der Umgegend bald sasso menicatore (der bewegliche Stein), bald sasso trenicatore (der zitternde Stein), bald il Menicarello (der Nicker) genannt wird. Gleich den Rockingstones in Großbritannien ist derselbe auf einem andern horizontalen Felsen so künstlich aufgestellt, daß er mittelst eines schwachen Hebels oder durch die bloße Hand mit leichter Mühe in eine schwankende Bewegung gesetzt werden kann, ohne jedoch bei der stärksten Erschütterung sein Gleichgewichte zu verlieren.

Antologia di Firenze, Dicembre 1827.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_482.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)