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Das Ausland. 1,2.1828

religiösen Bilder kam, wollte sie wissen, ob die Bildnisse unserer Götter eben so schön wären, als die ihrigen. Wir erklärten ihr, daß wir zwar auch Bilder besäßen, die wir aber nicht verehrten, weil wir Gott, das höchste Westen, im Geist und in der Wahrheit anbeteten. Darauf erwiederte sie: „Dieß sey auch bei ihnen so; weil aber der innere Sinn nicht vermöge, sich zur unsichtbaren Gottheit zu erheben, so hätten sie bei dem Gebet gerne eine sinnliche Darstellung derselben vor Augen. Doch seye dieß nicht unumgänglich nothwendig, denn in Fällen, wo sie dergleichen Abbildungen nicht haben könnten, wie z. B. auf der Reise in der Steppe, beteten sie zur Gottheit auch ohne sinnliche Darstellung. Denn, „sagte sie,“ der Allwissende kennt und bemerkt Alles, auch das Innerste des Herzens und sieht es, wenn man zu ihm betet, man seye daheim oder auf der Reise, man habe sein Bildniß vor sich oder bete zu ihm, als dem Unsichtbaren.“ In der That, diese buddistische Kalmückin erscheint in diesen Worten so wenig als Heidin, daß man versucht ist zu glauben, es seye überhaupt nicht der Name der Religion, welche die unwesentliche Aueßerlichkeit als Hauptsache nimmt, eine Ansicht, die sich nicht selten auch bei Christen findet.

Als das Gespräch sich zur Beschaffenheit des Weltgebäudes wendete, wünschte die Fürstin eine Landkarte zu sehen, welche wir ihr nächstens zu zeigen versprachen. Wir brachten deswegen am folgenden Tag einige gute Spezialkarten der Steppengegenden mit, womit wir dem Fürsten, seiner Gemahlin und Tochter eine angenehme Unterhaltung gewährten. Delek sucht die Gegend ihrer Heimat jenseits der Wolga in der Nähe des Bogdo-bergs auf, wo ihr Vater, ein kleiner Fürst, nomadisirt; Mingmer (sie war an den Choschuder Fürsten Bathur-Ubaschi vermält gewesen, der sie später aus unbekannter Ursache mit Zurückbehaltung ihres Söhnleins zu ihrem Vater Aerdäni zurückschickte) den Ort des Choschuder Hoflagers, wo ihr vormaliger Gatte wohnte und Aerdäni den Standpunkt seiner Horde und den Weg, den wir gekommen waren. Auf seine Bitte verfertigte ich dem Fürsten eine Kopie dieser Karten.

Ein anwesender Diener, welcher 1813 im französischen Kriege bis Paris gekommen war, erzählte viel von dem, was er in fremden Ländern gesehen. Der Umstand, daß in Deutschland die Pferde mit den Hufeisen öfters Feuer schlügen, setzte alle Anwesenden in Verwunderung, und wir mußten solches bestätigen. Diese Erscheinung kann freilich bei den Kalmücken nicht vorkommen, da sie ihre Pferde nicht beschlagen, weil der meist lehmige, selten sandige Steppenboden dieß nicht nothwendig macht. Zu den Unrichtigkeiten des Erzählers gehörte unter andern, daß die Engländer Flügel hätten, die er auf einer Abbildung derselben in Frankreich gesehen habe. Ohne Zweifel hatte er auf einem Gemälde Engel für Engländer gehalten. Ferner behauptete er im nördlichen Frankreich den Mond so nieder gesehen zu haben, daß man hätte glauben sollen, man könne mit einer Zalma (Pferdefangschlinge) hineinwerfen. Dieß veranlaßte den Fürsten, sich nach den astronomischen Kenntnissen der Deutschen (Nemesch) zu erkundigen, wobei er mehrere Fragen an uns that über den Berg Sümmer, der nach lamaischer Lehre das Weltgebäude trägt; er sagte, auch die lamaischen Gelehrten hätten vor Zeiten, als sie noch im Lande Enetka (Indien) lebten, gute astronomische Kenntnisse beseßen; es sey ihm wohl bekannt, daß sie jetzt darin von den Deutschen übertroffen würden, weil diese von den Braminen jene Wissenschaft empfangen hätten. Merkwürdig ist die unter den Kalmücken allgemein verbreitete Sage, daß die Deutschen von den Braminen abstammen, so wie die tatarische Meinung, die Deutschen wären vor unendlichen Zeiten aus der persischen Provinz Kerman nordwärts nach den Ländern, die sie jetzt inne hätten, gezogen.

Da Zerren-Ubashi, in dessen Horde sich eine Masern- und Blattern-Epidemie zeigte, schon am 7 Juni sich von der ärdänischen trennte und gegen die Berge wandte, um daselbst ein Sühnopfer [1] zu bringen, so konnten wir wenig mit ihm zusammen kommen.

Am 9 Juni brach auch Aerdänis Lager auf, und da es nicht Sitte ist, daß man in einem solchen Zeitpunkt Gäste entläßt, so mußten wir mitziehen.

Den Zug eröffnete die Geistlichkeit, den Lama an der Spitze. Der Lama trug ein weites hellblaues Gewand, die Orkimtschi, das ist die rothe Schärpe der Gellongs über die linke Schulter und eine mit Pelzwerk verbrämte Müze als Kopfbedeckung. Die übrigen folgten ohne bestimmte Ordnung. Der Fürst mit seiner Familie blieb, bis das ganze Lager aufgebrochen war, bei seinen auf Kameelen gepackten Zelten und Geräthen, worauf er schnell nachfolgte und dem Zug wieder vorauseilte. Wir mischten uns in die ziehenden Haufen und ließen unser Zelt, welches auf fürstlichen Befehl auf ein Kameel gepackt worden war, worauf der Führer gleichfalls seinen Platz eingenommen hatte, voraustransportiren, da wir der Unebenheit der Steppe wegen mit unsern Wagen nur Schritt fahren konnten, und dem Schritt der langbeinigen Kameele zu folgen nicht im Stande waren. Die Masse des Zugs dehnt sich in einer Breite von mehr als einer Werst aus, und bestand aus einzelnen Colonnen zelttragender Kameele, welchen das ganze Hausgeräthe nebest den Kindern, die in Kasten an den Seiten der Kameele saßen, aufgeladen war. Dann folgten Heerden von Pferden, Rindern und Schafen, unter der Leitung berittener Treiber. Niemand geht da zu Fuß, was überhaupt nicht leicht bei Kalmücken auf weiten Strecken zu geschehen pflegt – sondern Männer, Weiber und die größern Kindern sind beritten. Ja öfter sahen wir Mütter, welche Kinder, die kaum die Wiege verlassen hatten, mit sich


  1. Es bestand in Zazas, das sind zierliche Thonkegel, welche die Gellongs in kupfernen Formen verfertigen.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_481.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)