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Das Ausland. 1,2.1828

nur ihre Patois. Die Volksmundart jedes deutschen Gaues ist doch immer deutsch. Die Volkssprache jeder Provinz in Frankreich ist nicht eine Mundart des Französischen, sondern eine Abart von spanisch, italienisch, deutsch oder keltisch. Die Binnenprovinzen (das Thal der Loire ausgenommen) sprechen eine Sprache, die mehr oder weniger von diesen verschiedenen Patois enthält. Ein Provenzale wird nicht von dem Nieder-Bretagner verstanden, ein Languedoker nicht von dem Elsäßer oder Normannen, und keiner von ihnen in Paris, Blois und Tours: den einzigen Provinzen, wo die französische Sprache recht einheimisch ist. In den übrigen Theilen des Reichs ist sie völlig blos die gelehrte Sprache und die Sprache der Regierung, so daß man in mehr als Einem Gerichtshofe genöthigt ist, Zeugen wie Angeklagte im Patois zu verhören.

Als eine reine und ursprüngliche Sprache hat die deutsche Sprache ihre Mundarten, die alle, wie Schwestern, auf die gemeinsame Mutter hinweisen, und das angestammte Erbe zu vermehren thätig sind; die Patois der französischen Sprache sind enterbte Bastarde. Indessen finden sich die Spuren vormaliger wirklicher Provinzialsprachen noch in der gegenseitigen Eifersucht der verschiedenen Provinzen. Fragt man einen Einwohner von Avignon oder Marseille, ob er Franzose sey? so antwortet er: „Nein, Pottswetter, ich bin Provenzale.[1]“ „Vor den Leuten der Dauphiné bewahr uns der Herr!“ „Ein Normanne wiegt vier Juden auf.“ „Pariser – Maulaffe.“ „Lyoner – Nestling.“ Der Name Normanne, Dauphineer, Gascogner gilt überall gleich Gauner oder Prahler.

Die deutsche Sprache bedarf keines Zuwachses von andern Sprachen – (deshalb haben auch die Deutschen weit weniger als die Franzosen fremde Literatur und Kunst nachgeahmt, und findet man bei ihnen mehr Originalität) – sie genügt sich selbst, und in den durchgeführtesten Terminologien könnte sie, nöthigen Falls der griechischen Sprache entbehren. Sie schreitet frei dahin, und jedes Wort, das aus einer deutschen Wurzel richtig abgeleitet ist, tritt sofort in sein Bürgerrecht ein, ohne daß es vorher die Genehmigung der Journale, der Wörterbücher und der Akademien einzuholen genöthigt wäre. Diese Selbstgesetzgebung gehört zu den wesentlichen Vorzügen der deutschen Sprache. So wenig dagegen ist die französische Sprache im Stande, etwas aus ihrem eigenen Mutterboden zu ziehen, daß jeder Versuch, den Sprachgebrauch zu bereichern, als unerlaubte Neuerung angesehen wird, und die gänzliche Verstoßung der neugemachten Wörter, wenn sie nicht ein Schriftsteller von einer gewissen Autorität unter seinen besondern Schutz nimmt, ohne Weiteres zur Folge hat. Jeder, auch der unbedeutendste Kunstausdruck, ist aus dem Griechischen entlehnt, und immer, wenn man eine Wissenschaft studieren will, muß man zugleich eine Masse von ausländischen Namen erlernen. Da die Wörter mit ihren Bedeutungen lediglich conventionell sind, und sich einem Sprachgebrauch schmiegen, der jede Freiheit für Zügellosigkeit erklärt, so erhalten sie nicht eher als nach allgemeiner Einwilligung das Recht der Existenz und die Ehre des Wörterbuchs, und die Sprache selbst ist, wie die Sitten, ein Gegenstand des Modegeschmacks. So kann man im Französischen mit den anständigsten Wörtern, ohne daß man daran denkt, die schmutzigsten Dinge sagen; aber sich nicht tragen wie alle Welt, nicht fluchen oder schwören wie Jedermann, das heißt Sitte, Geschmack und Anstand verletzen. Geht man auf den Grund dieser Erscheinung zurück, so liegt er vielleicht schon in der Entstehungsart der französischen Sprache, die, wie sie sich mitten unter den Trümmern einer verderbten Civilisation gestaltete, nie eine Periode der Unschuld kannte, sondern schon in der Wiege eine Coquette war.

(Fortsetzung folgt.)

Sitzung der geographischen Gesellschaft von Paris, am 7 März 1828.

Hr. Ch. Guys, Viceconsul in Tripolis in Syrien, zeigt an, daß er mehrere Ortschaften des Libanons besucht habe, unter andern die Dörfer Ben, Anturia, St. Antonius (auch Coshage genannt), Kasarsan, Aya-Bakera und Edea. Er verspricht seine darüber aufgezeichneten Beobachtungen der Gesellschaft zu übergeben.

Baron Feryssac theilt einen Brief des Hrn. Gamba, französischen Generalconsuls in Tiflis, mit, über das Erdbeben und den Vulkan, der sich am letzten 25 December nahe bei Baku bildete, nach einem heftigen Sturm, der über die Stadt ausgebrochen war. Den folgenden Tag hörte man gegen Nord-West ein Getöse, einem heftigen Gewehrfeuer ähnlich. Bald erschien in der Luft eine sehr hohe Feuersäule, welche drei Stunden lang brannte, aber allmälig bis auf eine Höhe von zwei Fuß sich verkleinerte. Der Feuerheerd, welcher einen Raum von 600 Fuß in der Länge und 450 in der Breite einnahm, brannte auf diese Art 24 Stunden lang fort. Gleich vom Anfang seines Ausbruchs an, welchen unterirdische donnerähnliche Bewegungen begleiteten, warf der Vulkan verschiedenartige calcinirte Steine und Wassersäulen aus, deren Größe aber merklich abnahm. Indessen fand man auf dem Plateau, auf dem der Ausbruch statt fand keinen Crater; vielmehr hatte sich die Erde um ungefähr zwei Fuß erhoben. Noch immer sieht man daselbst Feuer, und die Flamme bricht aus dem Boden, so wie man ihn berührt. Die Farbe des Feuers ist roth; es läßt keinen Geruch nach, und die Atmosphäre wird davon nicht verändert. In der Mitte dieses Platzes erblickt man eine Art schlammiger Quelle, von der sich fortwährend Strudel von einem halben Fuß Höhe und einem Fuß Umfang erheben; manchmal steigen die Säulen von dieser Substanz auf eine Höhe von 2½ Fuß. Die Quelle hat einen Umkreis von ungefähr 30 Fuß.

Baron Coquebert–Montbret zeigt die Abreise des Herrn Herzog nach dem Cap der guten Hoffnung an.

Hr. Jomard liest einen Bericht über das Werk des Baron Roger, ehemaligen Gouverneus von Senegal, betitelt: Keledor, afrikanische Geschichte. Er verweilt besonders bei demjenigen Theile dieses Werks, welcher sich auf das gesellige Leben und den Zustand der Civilisation von Senegambien bezieht.

  1. Non, tron de Diu (tonnerre de Dieu) je suis Provençal. Des gens du Dauphiné libera nos Domine. Il faut quatre Juifs, pour valoir un Normand. Parisien, badaud. Lyonnais, niais. (Niais, Nestling, wie im Isländischen Heimskr einen dummen, unerfahrenen, daheim hinter dem Ofen sitzen Gebliebenen, bezeichnet.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_398.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)