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Das Ausland. 1,2.1828

die Trennung der Einwohner in Herrschende und Beherrschte[1] bewies, daß das Land früher schon erobert worden war. Als in der Folge eine kleine Schaar Deutscher sich eines Theils von Gallien bemächtigte, war Gallien längst römische Provinz, vom Tempel bis zur kleinsten Scheidemünze Alles bloßer Nachdruck römischer Kunst. Vor und nach dieser Zeit ward das Land durchzogen von zahllosen Völkerschaften, die sich in den verschiedenen Theilen seines Gebiets ansiedelten; das Verderbniß einer eingepfropften und verfrühreiften Bildung verband sich mit der Rohheit der Barbarei. Alles war von Trümmern bedeckt. Die Denkmale der gebrochenen Herrlichkeit waren ausgebeutet wie Steinbrüche, und zehen verschiedene Völker hüllten ihre Armuth in eine geflickte Toga. Das kleine Reich der Franken in Gallien befestigte sich gleichzeitig mit andern Staaten daselbst, deren jeder besondern Brauch und Sprache hatte. Lange bestand nur spärlicher Zusammenhang unter den einzelnen Provinzen; überall aber pflanzte sich die Trennung zwischen Herren und Heloten fort.

„Die deutsche Sprache,“ sagt Jahn, „ist ein Werk aus einem Guß und Fluß.“ Niemand wird diese Wahrheit in Zweifel ziehen, wenn er die Gleichartigkeit der deutschen Wurzeln, die Gesetzmäßigkeit der Ableitungen, endlich den Umfang der Sprache in Bezug auf Bildung und Zusammensetzung der Wörter betrachtet. Ganz wie das Volk hat auch die Sprache nie durch Eroberung bleibend Noth gelitten; selbst mitten in Gallien erhielt sie sich lange Zeit hindurch rein und verschwand lieber, ehe sie Vermengung duldete; deshalb sind auch französische Wörter, die durch Zufall in einen deutschen Satz einschleichen, unangenehm dem Ohr, wie Sand den Zähnen. Die deutsche Sprache lebte und webte schon und trug, was sie nachher zu Tage förderte, in sich, als es eine französische Sprache noch nicht einmal gab.

In Gallien sprachen die Gebildeten lateinisch oder deutsch, jeder Landmann aber das grobe Patois seines Gau’s. Es bedurfte langer Zeit, bis aus der Mengung des Deutschen, Lateinischen, Keltischen etc. eine Art von Uebereinkunftssprache sich machte. Die Verschmelzung konnte aber nicht vollkommen werden und ist es noch nicht: die Sprache ist aus zu verschiedenen ja unvereinbaren Stoffen zusammengeworfen, so daß man stets die Ansätze erkennt.

In Frankreich bemerkt man oft in alten Kirchen, Festungswerken, selbst Häusern der Landleute einen Säulenknauf, der als Unterlage, ein Fries, das als Pfeiler gebraucht wird, eine umgekehrte Inschrift etc. Eben so in der Sprache. Das lateinische Zeitwort kann da oft zu einer Reihe von Begriffen gehören, die durch keltische oder deutsche Wörter ausgedrückt werden; es kann eine umgekehrte, eine verkürzte Bedeutung erhalten haben, es kann verstümmelt seyn wie ein antiquarisches Kunstwrack; um diese Stücke, die nichts miteinander gemein haben, zu binden, bedurfte es vieler kleinen Wörtchen als eines Kittes, es bedurfte der Partikeln, die jedes Wort stützen wie Krücken einen Hinkenden oder Lahmen. Die Gleichartigkeit der Wurzeln fehlt, oder besser, es giebt keine französischen Wurzeln. Wo es immer möglich ist zu dem Ursprunge der Wörter hinaufzusteigen, begegnet man Wurzeln aus fremden Sprachen. Und diese Wurzeln liegen entweder todt in dem Boden, der ihnen nicht zustand, oder sie haben nur zu oft nichts denn fehlgeschlagene Sprößlinge getragen, die, wie ausländische Pflanzen, selten zur Blüthe, fast nie zur Reife kamen. Es ist überaus schwer, in der französischen Sprache neue Wörter zu formen, und fast unmöglich, Zusammensetzungen zu bilden, weil Wörter von verschiedener Abstammung sich nicht gerne gatten.

(F. f.)

Parry’s Expedition nach dem Nordpole.


(Schluß.)

Zu Ende des Juli wurde das Wetter wieder günstiger und die Eisflächen größer und zugänglicher. Um so schmerzlicher und niederschlagender war es daher für die Reisenden, da sie nach all diesen Hindernissen, die sie überwunden hatten, finden mußten, daß alles Eis, durch einen starken Südwind aufgelöst, nach Süden trieb, und sie, ob sie gleich vom Mittag des 17 bis zum Morgen des 20 zwölf Meilen in nordnordwestlicher Richtung zurückgelegt, in Folge des Eistriebs nach Süden wirklich weniger als fünf Meilen weiter gekommen waren. Am 22 gelangten sie an ein paar große Eisflöße, und alles ging, wie sie glaubten, aufs beste von Statten; sie legten eine Strecke von etwa siebzehn Meilen zurück, und hatten, den Eistrieb mit eingerechnet, doch wenigstens zehn bis eilf Meilen nordnordöstlich gemacht. Wie erschracken sie aber, da sie, statt nach der Tags zuvor gemachten Berechnung zehn oder eilf, nicht volle vier Meilen zurück gelegt hatten! Um Mitternacht fanden sie sich in einer Breite von 82° 43’ 32‘’. Von Mitternach bis zum Mittag des 26 hatten sie ihre guten zehn bis eilf Meilen nordwärts gemacht, und fanden sich nach Maßgabe der gestrigen Bemerkung, drei Meilen südlich von der Breite, die sie am 22 erreicht hatten. Sie schlossen nun, daß zu dieser Zeit das Eis im Norden täglich weiter als vier Meilen treibe, und wenn sie noch die Beschaffenheit des Eises, welches sie zu passiren hatten, in Anschlag brachten, so verloren sie, während sie schliefen, beinah wieder Alles, was sie auf ihrer mühevollen Wanderung gewonnen hatten. Seit einigen Tagen hatte Capitän Parry alle Hoffnung aufgegeben, über den 83ten Grad vorzudringen; nun aber fand er, daß er auch nicht einmal so weit kommen würde. Die höchste Breite, die er erreicht zu haben glaubte, war 82° 45’ am 23. Am 26 entschloß er sich zur Rückkehr, indem er die Mannschaft nicht länger bei einem, wie sich nun zeigte, unausführbaren Unternehmen verwenden wollte. Er war allerdings beträchtlich weiter vorgedrungen, als nach glaubwürdigen Berichten jemals ein Anderer gekommen war, hatte aber keinen wesentlichen Vortheil gewonnen, als daß er die Unrichtigkeit von Capitän Franklin’s ursprünglicher Annahme, und aller Zeugnisse und Beweise, wodurch sie unterstützt wurde, durch die That beurkundete. Im Verlauf ihrer Rückkehr am 2 August trafen sie auf eine Quantität Schnee, der einige Zoll tief mit einer rothen Materie gefärbt war, wovon zu künftiger Untersuchung einiges in einer Flasche aufbewahrt wurde.

„Dieser Umstand erinnerte uns an die früher gemachte

  1. Plebs paene servorum habetur loco.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_392.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)