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Das Ausland. 1,2.1828

mit einem Fuß einen sichern Tritt zu tun, um den andern wieder herauszuziehen. Dieß war noch nicht alles.“ „Nun wurden auch die Lachen frischen Wassers sehr beträchtlich; mehrere von ihnen waren eine (englische) Viertelsmeile lang, und so tief, daß wir über das Knie einsanken. Durch sie durften wir unsre Schlitten nicht nehmen, wenn wir nicht alle unsre Habe durchnässen wollten, und wir zogen deshalb ungeachtet des kalten Schneewassers vor, die Bote hindurchzufahren, da sie mit ihren Läufen leichter auf dem härteren Boden unter dem Wasser hinwegglitten. Auf solchem Wege legten wir einmal in mehr als zwei Stunden blos eine Strecke von hundert Yards zurück.“

Wir bekommen einen Begriff von den Drangsalen, welche diese unternehmenden Männer erlitten, wenn wir hören, daß sie, nachdem sie ihre Stiefel von dem Wasser, womit sie sich gewöhnlich während des Marsches füllten, geleert und ihre Strümpfe ausgewunden, schon solche Erleichterung fühlten, als ob sie völlig trocken wären. Um ihr Ungemach noch zu vergrößern, wurde am 14 Juli das Wetter durch beständiges Schneegestöber, kleine Schlossen und Winde so schlimm, daß sie genöthigt waren, unter den Zelten zu bleiben. Sie mußten nun über lauter lockeres Treibeis setzen, und konnten kein Floestück, noch viel weniger ein Eisfeld entdecken, nach dem sie ihre Richtung hätten nehmen können. Der Schnee war durch den Regen so weich geworden, daß man beinah nicht durchkommen konnte. „Lieutenant Roß und ich,“ bemerkt der Berichterstatter, „sanken bei unsern Rekognoscirungen oft so weit ein, daß wir nach vergeblichem Versuche, unsre Beine herauszuziehen, eine Weile ruhig niedersitzen mußten, um zu neuen Versuchen Kräfte zu sammeln; und die Mannschaft, welche die Schlitten zog, sah sich oft genöthigt, auf allen Vieren weiter zu kriechen, um nur von der Stelle zu kommen.

„Bei all diesen entmuthigenden Beschwerden arbeiteten die Leute mit gutem Willen, da sie die Hoffnung belebte, in kurzem die zusammenhängendere Eisfläche, „das Eisfeld“ im Norden von Spitzbergen zu erreichen, welches Capitän Ludwidge ungefähr im nämlichen Meridian, und mehr denn einen Grad südlich als eine zusammenhängende, nur vom Horizont begrenzte Fläche ebenen, ununterbrochen Eises beschreibt.“

Regen, Nebel, Treibeis, Hummocks (Eisblöcke), Wasserlöcher in dem Eis bilden Tag für Tag den Refrain, nicht der Klagen des Berichtstellers, (denn er klagt nie), sondern seiner schlichten, männlichen Erzählung, worin er die Hindernisse, auf welche sie stießen, zwar genau, aber nicht weitläufiger schildert, als nöthig war, um das Publikum, in dessen Diensten er gestanden, zu überzeugen, daß das endliche Mißlingen seiner Anstrengungen das unvermeidliche Ergebniß von Umständen war, denen nicht begegnet werden konnte.

Dieß ist mit wenig Veränderung die Beschreibung der Beschwerden, welche Capitän Parry mit seinen Gefährten bei ihrem erfolglosen Versuch, an den Pol vorzudringen, erduldete.

(Schluß folgt.)

Weissagungen vom Ende des türkischen Reichs.

Schon oft war in öffentlichen Blättern die Rede von einer unter den Türken kursirenden alten Sage, nach welcher der Untergang ihres Reichs als nahe bevorstehend betrachtet würde. Diese Sage ist wirklich vorhanden, und zwar nicht bloß als mündliche Ueberlieferung. Das türkische Original, aus den Schriften sehr alter und angesehener türkischer Theologen ausgezogen, findet sich schon in Sansovino’s um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts erschienener Sammlung von Abhandlungen, die türkische Geschichte betreffend.

Folgendes ist eine wörtliche Uebersetzung:

„Unser Padischa wird kommen und das Reich der Ungläubigen in Besitz nehmen; auch wird er einen rothen Apfel in Besitz nehmen und sich dienstbar machen. Wird dann das Schwert der Christen sieben Jahre nicht gezogen werden, so wird er ihr Herr bleiben bis in’s zwölfte Jahr; er wird Häuser bauen, Weinberge pflanzen, Gärten einhägen und Söhne zeugen. Aber nach dem zwölften Jahr von der Zeit an, da er den rothen Apfel dienstbar gemacht, wird das Schwert der Christen sich erheben und die Türken in die Flucht schlagen.[1]

Unter dem rothen Apfel verstanden die Türken jede große und feste Stadt, und somit glaubten sie die Prophezeiung durch die Eroberung von Konstantinopel unter Mahommed II erfüllt. Die Perioden von sieben und von zwölf Jahren sind, wie sich von selbst versteht, mystisch zu erklären. Nach Einigen wäre ein solches Jahr gleich einem Jubiläum (fünfzig Jahre), nach Andern gleich einem Jahrhundert, nach einer dritten Meinung endlich, gleich einem Zeitraum von dreihundert und sechs und sechszig Jahren.

Leo VI, der Philosoph genannt, der 886 zur Regierung gelangte, gedenkt einer andern Prophezeiung ähnlichen Inhalts[2], so wie einer konstantinopolitanischen Säuleninschrift, welche von dem Patriarchen dahin gedeutet worden sey, daß die Moscowiten und andere europäische Mächte Konstantinopel einnehmen und nach einigem Streit über ihre Eroberung einen christlichen Kaiser wählen würden.

Dreihundert acht und zwanzig Jahre nach dem letzten Augustus hat Karl der Große das abendländische Reich wieder hergestellt und es dauerte von ihm bis auf Franz II tausend Jahre. Sollte sich wohl auch für das oströmische Reich, seit dessen Untergang jetzt dreihundert und fünf und siebenzig Jahre verflossen sind, ein Karl der Große finden?

  1. Dieselbe Sage, von Georgienitz aus dem Persischen in’s Lateinische übersetzt, lautet also:
    „Imperator noster veniet, gentilium regnum capiet, rubrum malum capiet, subjugabit. Septem usque ad annos ethnicorum gladius si non resurrexerit, duodecim usque ad annos in eos dominabitur, domum aedificabit, vineam plantabit, hortos saepe muniet et filium et filiam habebit: duodecim post annos Christianorum gladius insurget, qui et Turcam retrorsum profligabit.“
  2. „Familia flava cum competitoribus totum Ismaëlum in fugam conjiciet, septemque colles possidentem cum ejus possessoribus capiet.“
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_390.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)