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Das Ausland. 1,2.1828

Ueber die in dieser Gebirgsgegend von Kemaun vorkommende Thierwelt bemerkt der Verfasser: „Die Hasen sind hier größer und feiner als die in Hindustan oder Bengalen, und nicht kleiner als die in Europa. Die Gemse ist nicht ungewöhnlich in dem Schneegebirge, sonst aber selten. Auch Füchse trifft man. Bären, die vielen Schaden anrichten, findet man in der ganzen Provinz Kemaun; sie fressen in der Regel kein Fleisch, außer wenn der Hunger sie treibt; sonst ziehen sie Wurzeln, Beeren und Honig vor. Dennoch giebt es manche Beispiele, daß sie Reisende anfallen und zerreißen. Besonders sollen sie Weiber anfallen – eine Eigenheit, welche auch bei den Bären anderer Länder bemerkt wurde, und für die Vermuthung zu sprechen scheint, daß sie zu derselben Thierklasse wie die Paviane und Orangutangs gehören. Das Bisamthier findet man blos in den höchsten und kältesten Theilen der Provinz und den benachbarten Länderstrichen von Tibet und der Tatarei. Die Hitze von Almorah kann es nicht wohl ertragen. Dasselbe gilt von den Yaks[1]; sie sterben bald dahin, so wie sie die Nachbarschaft der Eisregionen verlassen. Die Shawlziege lebt zwar, wenn sie in wärmere Gegenden gebracht wird, fort, aber ihre Wolle artet aus – was eine sehr ungünstige Vorbedeutung für den Erfolg ihrer Colonisation in Europa gibt, welche man in Frankreich auf einem sehr hohen Fuße versucht hat. Hingegen scheinen die Thiere des Südens sich in den Schneeregionen äußerst gut zu befinden. Englische Hunde, welche in dem Klima der Ebenen ausarten, nehmen unter den Bhuteas zu an Stärke, Größe und Spürkraft. Höchst bemerkenswerth ist auch, daß sie nach Verlauf von einem oder zwei Wintern die nämliche feine, kurze Shawlwolle, mit ihren eigenen Haaren vermischt, bekommen, welche die einheimischen Thiere des Landes auszeichnet. Derselbe Fall findet bei den Pferden statt; die, welche die Bhuteas in die Ebenen herab zum Verkauf bringen, sind sehr schön, obgleich sie sonst klein und zottig sind, und viele Aehnlichkeit mit den siberischen Kleppern haben, die ich in Petersburg sah. Der Tiger findet sich überall in den Eisregionen, in derselben Kraft und Wildheit; doch konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ob auch er die Shawlwolle habe.“

(Fortsetzung folgt.)

Parry’s Expedition nach dem Nordpole.


(Fortsetzung.)

Dieß war ein schlechter Anfang. Der Hekla war indessen fortwährend mit Eis umgeben, und sichtbar in solch gefährlicher Lage, daß Capitän Parry es für seine Pflicht hielt, an Bord zu bleiben, bis das Schiff an einen sichern Ort gebracht werden konnte. Erst nach geraumer Zeit konnte diese nothwendige Maßregel getroffen werden; jeder Versuch mißlang bis zum 18 Junius, wo man endlich eine Bay (Treunenburg bay) entdeckte, in die man am 20 das Schiff bugsirte. Hier sollte es Capitän Parry’s Rückkehr von dem Eise unter der Obhut Lieutenant Fosters erwarten, der die Weisung erhalten, mittler Weile, falls es die Umstände erlaubten, die östliche Küste aufzunehmen.

Der bereits mit den Boten gemachte Versuch bestimmte Capitän Parry sich nicht wieder der Rennthiere zu bedienen, da er sah, daß sie, wenn das Eis sehr uneben wäre, die Fahrt mehr verzögerten als förderten. Als die nöthigen Vorkehrungen getroffen waren, verließ er mit den zwei Boten den Hekla am Abend des 21 Junius. Das Wetter war ruhig und schön, die See offen. Nordwärts steuernd, stießen sie am 23 im 81° 12’ 51" der Breite auf Eis. Die Bote wurden auf das Eis gebracht und folgender Reiseplan angenommen.

„Es war meine Absicht, die Nacht durch zureisen, und am Tage zu ruhen, da zur Sommerzeit in diesen Regionen beständige Taghelle ist. Die Vortheile dieses Planes, der jedoch gelegentlich durch die Umstände eine Abänderung erlitt, bestanden zuerst darin, daß wir so den starken, drückenden Schneeglanz während der Zeit, wo die Sonne am höchsten steht, vermieden, und dadurch einigermassen die in allen Schneeregionen gewöhnliche schmerzhafte Entzündung der Augen, „Schneeblindheit“ genannt, verhüteten. Zweitens hatten wir auch in den Stunden der Ruhe wärmer und konnten unsre Kleider trocknen; wozu noch der nicht geringe Vortheil kam, daß bei unsern Nachtreisen der Schnee härter war. Der einzige Nachtheil zeigte sich hiebei, daß Nachts die Nebel häufiger und dichter waren als bei Tag, obgleich in dieser Hinsicht weniger Unterschied statt fand, als man sich vorstellen mochte, da die Temperatur doch im Ganzen während der 24 Stunden nur wenig Veränderung erlitt. Dieses Reisen bei Nacht und Schlafen bei Tag verkehrte so gänzlich die gewohnte Ordnung der Dinge, daß es schwer fiel, sich von Täuschungen frei zu halten. Selbst die Offiziere und ich, die wir Taschenchronometer hatten, fanden nicht immer heraus, in welchem Theile der 24 Stunden wir waren; und mehrere erklärten, (was man ihnen glauben kann), daß sie während der ganzen Excursion nie die Nacht von dem Tag unterscheiden konnten.[2]

Wenn wir Abends aufstanden, begannen wir unsern Tag mit Gebet, zogen unsre Pelzschlafgewänder aus, und legten die Reisekleider an; die erstern bestanden in Camelot, mit Waschbärfellen gefüttert, letztere aus starkem blauem Box. Wir beschlossen immer dieselben Strümpfe und Stiefel anzulegen, mochten sie den Tag über getrocknet seyn oder nicht; höchstens fünf oder sechs Mal waren sie nicht naß oder hart gefroren. Dieß hatte jedoch nichts zu bedeuten; das Unangenehme beim Anziehen in solchem Zustande

  1. Eine Art Büffel.
  2. Hätten wir die höheren Breiten erreicht, wo die Veränderung der Sonnenhöhe während der 24 Stunden noch unmerklicher ist, so wäre durchaus nöthig gewesen, ein zuverlässiges Unterscheidungsmittel bei sich zu führen; da ein Irrthum von zwölf Stunden Zeit uns bei der Rückkehr auf einen dem rechten Meridian entgegengesetzten oder 180° davon abgeführt hätte. Um dieser Möglichkeit zu begegnen, hatten wir einige Chronometer, von den Herren Parkinson und Frodsham verfertigt, bei uns, auf deren Zifferblatt 24 Stunden angeschrieben waren, und der Zeiger nur einmal des Tages umlief.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_384.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)