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Das Ausland. 1,2.1828

ins Innere eindringen, desto schlimmer wird es den gewöhnlicherweise expedirten Schiffe unter deutscher Flagge ergehen. Auch die Deutschen, welche sich in großen und kleinen Plätzen Amerikas als Kaufleute niederlassen, müssen mit ganz absonderlichen Talenten, seltenem Unternehmungsgeiste, und genauer, lebendiger Einsicht des Landes und des Volkes gerüstet seyn; sonst droht ihnen dort, im Kampfe mit den genannten Rivalen, ein sehr trauriges Geschick. Junge Leute, welche Sprache und gründliche Vorkenntnisse besitzen, und welche Lust haben, das höchst schwierige kaufmännische Geschäft Amerikas praktisch zu erlernen, thun sehr wohl, eine Zeitlang auf Comtoiren in Boston, Baltimore, Charleston, St. Thomas etc. zu arbeiten. Alle, welche dort waren und Augen hatten zu sehen, werden die Wahrheit der hier mitgetheilten Bemerkungen bestätigen, wenn sie aufrichtig seyn wollen. Schreiber dieses ist es seinem Vaterlande schuldig, zu melden, was er weiß und die Zeitschrift das Ausland steht unter keinem merkantilistischen Preßzwange. –


Ueber den Gang der innern Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

(Mit einer Beilage: Statistische Tabelle von Nord-Amerika.)


(Schluß.)

Unterdessen sind die Sitzungen der gesetzgebenden Behörde fortgesetzt worden, und jedes Jahr hat sich die Zahl ihrer Glieder vermehrt. Die Regierung hat schon an Festigkeit gewonnen. Gerichtshöfe, ehrwürdig durch die Talente der Richter und Advokaten, sind in jeder county errichtet. die Zahl der counties selbst wird jedes Jahr verdoppelt. Es werden Taxen auf Neger, Vieh u. dgl. gelegt; die verschiedenen Städte sind durch Patente zu Korporationen erhoben; der Zeitpunkt ist gekommen, wo die zweite Stufe der Territorial-Regierung beginnt: diese besteht darin, daß das Volk das Recht erhält, selbst die Mitglieder der Gerichte zu wählen, nebst andern Privilegien, die Organisation der Gerichte betreffend. Bald empfindet das Volk die Wohlthat des Self-government (Selbst-Regierung.) Die öffentliche Meinung nimmt einen entschiedenen Charakter an; Intriganten und Betrüger bessern ihre Lebensart oder verlassen das Land; die letzten Schritte zur Vollendung geschehen mit der größten Schnelligkeit. Die Einwanderung nimmt in geometrischer Progression zu; die Kapitalien häufen sich; eine öffentliche Bank wird errichtet; es werden jährliche Truppenaushebungen angeordnet. Endlich tritt der ersehnte Zeitpunkt ein, wo das Gebiet 40,000 Seelen zählt, und nun wird es zum Rang eines Staates erhoben. Eine Konvention versammelt sich, um seine Verfassung zu organisiren, die immer aus einem gewählten Gouverneur und zwei gesetzgebenden Kammern besteht. Diese schicken zwei Senatoren und das Volk einen Repräsentanten nach Washington; der neue Staat fängt an, sich regelmäßig in seiner Bahn zu bewegen, im Senat die Kraft der einen oder der andern Partei zu vermehren, und das Gleichgewicht der politischen Meinungen zu verändern.

Bei dieser flüchtigen Skizze müssen Sie zwei Dinge bemerken. Erstlich habe ich nichts von der Religion gesagt, die in diesem Zustande der Gesellschaft meist ein so widriges Gewebe von Trug und Aberglauben ist, daß ich nicht davon reden mag. In demselben Maßstabe jedoch, wie die Sitten sich verbessern, läutert sich auch die Religion, und man kann die Fortschritte der Civilisation nach der Errichtung einer Presbyterial-, oder einer Episkopal-Kirche beurtheilen. In dem Zustande der Gesellschaft, den ich beschrieben habe, hält die Erziehung mit der Religion gleichen Schritt. Primärschulen in den Händen oder doch unter dem Einfluß der Geistlichkeit, und Akademien unter den Händen einiger Yankees sind alles, was dafür geschieht. Aber sobald das Gebiet zum Staat wird, oft auch noch früher, fällt demselben die früher erwähnte 16te Section der Gebietsländereien anheim, und dient zur Begründung eines dauernden Fonds für die öffentliche Erziehung, der theils auf die Schulen der einzelnen Städte, theils auf die Errichtung von Gesammtanstalten, Universitäten, Kollegien und dgl. verwandt wird. Dieser Gegenstand ist übrigens wichtig genug, um eine eigene Behandlung zu verdienen.

Ferner habe ich nur vom Süden gesprochen. Ich bin nie in den nordwestlichen Theilen der Vereinigten Staaten gereist. Doch glaube ich, daß meine Darstellung größtentheils auch auf diese paßt, wenn man die Neger wegläßt, und mehr Fleiß und Thätigkeit bei den Squatters voraussetzt. Auch spielt hier die Religion eine bedeutendere Rolle. Ferner scheinen die Spekulationen mit Ländereien hier in einem liberaleren Geiste betrieben worden zu seyn. Die Spekulanten habe sich nicht damit begnügt, die Ländereien in Augenschein zu nehmen, sondern haben sie zu verbessern gesucht, durch Anlegung von Straßen, durch Einrichtung von Mienen, durch Einsetzung von Pächtern. Diese Abweichungspunkte sind die bedeutendsten; ich kann sie Ihnen indeß nicht genau bis in’s einzelne nachweisen.

Lassen Sie mich diese Skizze mit einer wichtigen Reflexion schließen. Wir haben von Frankreich Louisiana, von Spanien Florida gekauft. Diese Länder waren schon bevölkert, und hatten Gesetze, die im Ganzen dem Geiste unserer Verfassung so entgegen waren, daß, wenn es ihnen auch nicht an der nöthigen Einwohnerzahl gefehlt hätte, um Staaten zu werden, es doch nöthig gewesen wäre, vorläufig ihnen eine Territorial-Verfassung zu geben, um sie allmälig mit uns zu amalgamiren. Mit den englischen Besitzungen auf dem Kontinent und in Westindien würde es anders seyn. Diese sind als Provinzen organisirt, haben ihre eigne Gesetzgebung und ihre eignen Gesetze. Um sie mit den Vereinigten Staaten zu verbinden, brauchte man sie bloß aufzunehmen, und ihre Senatoren und Abgeordnete beim Kongreß zuzulassen. Aber Gott möge uns hievor behüten! der Gewinn, der sich daraus für den Süden ergäbe, würde von den Vortheilen, die der Norden davon hätte, weit überwogen. Bei dem jetzigen Zustande der Vereinigten Staaten wäre dieß die einzige Möglichkeit der Auflösung, die sie bedroht. In zwanzig Jahren, wenn der Süden erst Gewicht genug hat, um sein Interesse schützen zu können, wird diese Gebietsvergrößerung wünschenswerth seyn, jedoch immer mehr für die Unterthanen Sr. brittischen Majestät als für uns.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_370.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)