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Das Ausland. 1,2.1828

wird jetzt auch wohl einzeln durch deutsche Kaufleute, aber nur selten mit deutschen Schiffen und für deutsche Rechnung betrieben. Er ließe sich vielleicht in Ermanglung eines andern Worts mit dem Ausdrucke wildes Geschäft bezeichnen. Er besteht, seinem Wesen nach, in einem kühnen Ergreifen jedweder Gelegenheit, um Geld zu verdienen (to make money). Er umfaßt in seiner höchsten Potenz: Sklaven-Schleichhandel, Seeraub, Menschenraub etc. Die niederländische Insel S. Martin, die schwedische Insel S. Barts, Aux Cayers und die Insel S. Catharine an Haiti’s Südküste, Puerto real und Ponce auf Puertorico, die meisten Häfen auf Cuba und die französischen Inseln sind die Hauptplätze dieses Verkehrs, der sich auf das seltsamste und mannigfaltigste modificirt. Er versorgt fortwährend die westindischen Inseln und die südlichen Vereinigten Staaten mit frischen Negersklaven[1] und die wilden Indianer an der Moskito- und Goagira-Küste, westlich von Cartagena, mit Schießbedarf und Gewehren. – Allen Zollgesetzen und Zollverordnungen bietet dieser Commerz Hohn; auch die wildesten Wüsten sind seine Heimath, und es gibt wenige Gegenden, wo er nicht etwas zu holen, oder etwas abzusetzen wüßte. Dieser wilde Handel, der weit mehr Gewinn bringt, als ordnungsmäßige Speditionen gewöhnlicher Art nach wohlbekannten, bestimmt klarirten Häfen, ist überall sehr beliebt; die ersten westindischen Handelshäuser nehmen mehr oder weniger daran Theil, und er verbreitet sich von Westindien aus nach allen mittel- und südamerikanischen Küsten des atlantischen und des stillen Meeres, und die Bravos (Valientes), welche ihn in den antillischen Gewässern geübt haben, sind selbst noch an der Nordwestküste von Amerika beim Seeotter-Pelzhandel und zwischen den japanischen und ostindischen Inseln, vorzüglich aber zum Sklavenhandel an Afrika’s Westküste die brauchbarsten. „Kein Geschäft rentirt bis jetzt in Westindien besser, als der Sklavenhandel, und wer sich dort scheut sich mit solchen, großen Gewinn bringenden Geschäften einzulassen, genießt keines Credits und gilt für einfältig.“ – Die Waghalsigkeit der Pascher, welche auf dem Vestlande die Mauthen umschleichen, ist mit der Kühnheit und Tapferkeit der eigentlichen Mercatoren der neuen Welt gar nicht zu vergleichen. Die Fahrten für diesen Zweck werden unter allen möglichen europäischen und amerikanischen Flaggen vollführt; der Capitain, oft von einer Art von Supercargo begleitet, beide durchaus Menschen, die im Gefühl ihrer Kraft nichts fürchten und nichts scheuen, und mit allen Schrecknissen, als wären sie bloßer Scherz, vertraut sind, sowie das sämmtliche Schiffsvolk hat Theil an jedem Gewinn und zwar einen größern, je nachdem die Spedition ausfällt oder mehr oder minder gefahrvoll ist. Selbst für die bei solchen Fällen vorkommenden Greuelthaten: Ermordungen etc. wird den Thätern Einiges zu Gute gerechnet. Wie die Flibustier der Vorzeit segelt ein solches Schiff in absoluter Freiheit umher, kauft ein, wo am wohlfeilsten einzukaufen ist, raubt gelegentlich, wo der Kauf zu weitläufig ist, wechselt die Flaggen nach Belieben, und ist bei der genauen Küstenkenntniß der Seeleute allenthalben wie zu Hause. In Kriegsfällen verschaffen sich diese Fahrzeuge, wovon die westindischen Meere wimmeln, und welche gelegentlich unter der am meisten geeigneten Flagge die größten Häfen besuchen, weil es ihnen nirgends an Freunden fehlt und sehr große Häuser, namentlich in Havana, bei ihren Fahrten interessirt sind, leicht Kaperbriefe; sie nehmen z. B. unter colombischer Flagge spanische und unter spanischer Flagge colombische Schiffe, bringen auf, wenns gehn will, und dabei zu verdienen ist, verbrennen das Schiff und morden die Mannschaft, wenn deren Existenz Gefahr bringt. Als der Revolutionskampf zwischen Spanien und dessen Colonien lebhaft wüthete, stand das Gewerbe dieser Piraten in höchster Blüthe; Brion’s und Aubry’s Geschwader, oft zu 100 Segel angewachsen, bestanden aus solchen Fahrzeugen, und jetzt hat sich der Admiral Brown in den Gewässern nördlich und südlich von Rio de la Plata durch ihre Hülfe gegen Brasilien verstärkt. Sie auszurotten, wäre ein so vergebliches Bemühen, als wollte man die Moskitos und andres Ungeziefer in jenen Tropen-Gegenden aus der Welt schaffen. Schon oft gab dieser Raubhandel oder Handelsraub zu ganz eignen Vorfällen Veranlassung. Wir wollen hier nur zwei solche Beispiele anführen, welche zugleich beweisen, wie schnell solcher Verkehr bereichern kann. Ein Schiff von jener Art brachte Caffee in Säcken nach der Insel S. Barts und bot sie einem dort liegenden französischen Schiffer zum Verkauf an; die Säcke wurden geöffnet: es fand sich zwischen den Bohnen viel Lehm (erdige Stückchen); und der Caffee (15 Säcke) ward deswegen spottwohlfeil dem Franzosen überlassen; dieser verkaufte ihn wieder an einen Nordamerikaner, der ihn nach New York brachte, dort ward endlich die Waare von den Unreinigkeiten gesäubert, und siehe – diese Unreinigkeiten waren Cochenille, wahrscheinlich irgendwo in Mexico oder Guatemala dazwischen gemischt, um den kostbaren Färbestoff aus dem Lande zu schmuggeln. Der letzte Inhaber verdiente daran eine enorme Summe.

Ein anderes Schiff der vorbeschriebenen Art warf einen Sack Mehl, welches durch Seewasser beschädigt war, bei Ponce an Puertorico’s Südküste, über Bord. Arme Negerfischer bemächtigten sich des Sacks, nahmen das schimmmelichte Mehl heraus, um es zu trocknen – und fanden in der Mitte des Sacks ein Kästchen mit Juwelen, über 50,000 Piaster an Werth. Die Neger brachten den Fund freudig in die Stadt; doch der spanische Commandant ließ ihnen sogleich das Kästchen abnehmen, und als sich die Kerle etwas vorlaut darüber beschwerten, empfing jeder von ihnen eine Tracht Peitschenhiebe, und der edle Castilier verkaufte die edlen Steine für eigne Rechnung an einen Nordamerikaner.

(Schluß folgt.)

Berichtigung.

In der gestr. Num. S. 347. Sp. 2. Z. 12. v. u. statt Begleiter l. Nachfolger.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_366.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
  1. Auf den Vatten-Inseln östlich von Pensacola wird bei Nacht förmlich Sklavenmarkt gehalten. Ein glaubwürdiger Augenzeuge fand dort noch im Nov. 1827 über 200 solcher Unglücklichen zusammen.
    A. d. E.