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Das Ausland. 1,2.1828

Friedensunterhandlungen der Türken beginnt die Osmanide und endigt mit der Entthronung und dem Tode Osmans im Jahre 1622.

Lange schon ward der Druck dieses classischen Werkes von allen Freunden der slavischen Sprache und Poesie sehnlichst gewünscht. Schwierigkeiten der Bekanntmachung, die in frühern Zeiten vorhanden waren, wurden durch die veränderte Stellung Ragusas zu den Nachbarstaaten beseitigt; man sagte nemlich, Gondola habe auf Befehl des dirigirenden Magistrats von Ragusa zwei Gesänge, den 13ten und 14ten, aus seiner Handschrift vertilgen müssen, aus Furcht, die Pforte möchte die harten Aeußerungen, welche beide Gesänge enthalten haben sollen, übel aufnehmen und die ragusanischen Kauffahrer ihren Unwillen fühlen lassen. Dieser Sage, die einige illyrische Historiker mit großer Umständlichkeit berichten, wird von andern geradezu widersprochen; sie behaupten, was aber sehr unwahrscheinlich ist, Gondola habe diese beiden Gesänge nie ausgearbeitet. So viel ist gewiß, was auch die entschiedensten Gegner dieser Sage nicht läugnen wollen, daß der 13te und 14te Gesang lange nach dem Tode Francescos von Peter Sorgo mit großer Kunst und Gewandtheit in das defekte Gedicht eingeschoben wurden. Mit diesen fremden Ergänzungen ist endlich vor einigen Jahren das Ganze zu Ragusa erschienen (Osman spievagne vitesko Giva Gundulichja, vlastelina Dubrovackoga. U Dubrovniku 1826. 3 Bde. 8.). Wer nur etwas von der illyrischen, d. h. von der bosnisch-ragusanischen Sprache versteht, der weiß, daß es außerordentlich schwer ist, die poetischen Werke dieser Sprache in irgend eine andere zu übertragen; die angeborne ausdrucksvolle Kürze und Kraft müssen nothwendig durch Umschreibungen und Präpositionen, deren andere Sprachen nicht in dem Grade, wie diese, der altslavischen Kirchensprache am meisten sich nähernde Mundart, entbehren können, wenn nicht ganz zu Grunde gehen, doch nothwendig verwischt werden. Die Osmanide bietet aber noch besondere Schwierigkeiten für einen Uebersetzer dar, wegen ihres reichen, wohlklingenden Reimes, und wegen ihres eigenthümlichen Versmaaßes; sie ist in vierzeiligen Stanzen, wovon auf jede Zeile acht Silben kommen, geschrieben. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn der italienische Uebersetzer, durch den wir zuerst mit diesem Meisterwerke bekannt wurden, mit seinem Originale auf eine ziemlich willkürliche Weise verfahren mußte, was der ehrliche Mann schon durch den Titel seiner Arbeit eingesteht (Versione libera dell’ Osmanide poema illirico di Giovanni Francesco Gondola, Patrizio di Ragusa. Collo di lui vita scritta dal patre Francesco Maria Appendini delle scuole pie. Ragusa per Antonio Martechine 1827, 1 Bd. 8.). Wir wollen vorläufig den Inhalt dieses epischen Gedichtes angeben, und behalten uns vor, in einem der folgenden Blätter einige wörtlich getreue Uebersetzungen nebst einigen Notizen über die illyrischen Dichter in den zwei letzten Jahrhunderten mitzutheilen. Freilich wird sich etwas ganz Anderes über die illyrische Poesie schreiben lassen, wenn ihre größtentheils in Handschriften vergrabenen Schätze dem Drucke übergeben seyn werden. Wir können den Freunden der slavischen Literatur die angenehme Nachricht mittheilen, daß dazu alle Hoffnungen vorhanden sind. Ein Canonicus Petrus Bassich zu Ragusa sammelte nämlich alle handschriftlich vorhandenen illyrischen Gedichte in 22 enggeschriebenen Octavbänden, die Antonio Martechine, der patriotische Verleger der Osmanide, an sich gekauft hat. Nach einer gedruckten Anzeige, die uns von Ragusa aus zugekommen ist, gedenkt Antonio, wenn er nur einige Unterstützung findet, die ganze Sammlung unter dem Titel: Parnassus Illyricus herauszugeben.

(Schluß folgt.)

Der Abbé Montgaillard.

Der Abbé Montgaillard, der vor kurzem gestorben und dessen Histoire de France vor einiger Zeit in Paris erschienen ist, hinterließ ein Testament, in welchem folgende merkwürdige Clausel vorkommt: „Ich habe 8000 Franken des Jahrs; wem soll ich sie hinterlassen? – Meiner Familie nicht, weil ich sie verachte; der Geistlichkeit nicht, weil ich sie hasse. Den Armen? Sie sind mir zum Ekel. Aber wenn ich kein Testament mache, beerbt mich die Regierung, und die Regierung ist mir noch tausendmal mehr zuwider, als alle die übrigen zusammen. Ich will also mein Vermögen den Armen vermachen. Sie sind mir jedoch keinen Dank schuldig; denn wenn ich ein Testament zu ihren Gunsten mache, so geschieht dieß nur aus Haß gegen die Andern.“

(Morning Herald, March 13.)

Aus Indien.

Die Sumbad Kaumudi, ein indisches Blatt, erzählt folgende für die Sitten des Landes charakteristische Anekdote: In dem District von Bankora hatte ein Dieb durch die Mauer in das Haus eines Braminen eingebrochen. Während er nach Beute suchte, vernahm er von außen Stimmen, und war im Begriff, sich zurückzuziehen, als er bemerkte, daß die Zwiesprache in der Nähe der Stelle, wo er eingebrochen, von der Frau des Braminen und ihrem Galan geführt wurde. Erstere beklagte sich über die Eifersucht ihres Mannes; ihr Liebhaber schlug ihr vor, ihn im Schlafe zu ermorden, und bot ihr hiezu eine Waffe an. Sie entgegnete ihm, wenn er ob dem Versuche erwachte, würde er zu stark für sie seyn, und drang in ihren Galan, die Ermordung selbst zu übernehmen, wozu er sich auch verstand. In dem Augenblick, als sie in das Haus eintreten wollten, vergaß der Dieb sich selbst und seine Beute, und dachte nur an seine Pflicht, das Leben des Braminen zu retten.

Er ergriff das Instrument, womit er durch die Mauer gebrochen war, stieß es dem Galan durch den Leib, tödtete ihn, und entfloh. Als das Weib ihren Liebhaber erschlagen sah, schrie sie auf, rief so ihren Mann und die Nachbarn nach dem Orte, wo sie sodann erstern anklagte, den Mord begangen zu haben. Er wurde festgenommen, untersucht, und da alle Umstände gegen ihn sprachen, zum Strange verurtheilt. Der Dieb vernahm, welche Wendung die Sache genommen, stellte sich vor Gericht und bekannte den ganzen Hergang. Man ist gespannt, welcher Spruch von dem Gerichte wird erlassen werden.

(Asiatic Journal, März 1828.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_362.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)