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Das Ausland. 1,2.1828

imitri, Franz Bucari, Marin Borrescich und vieler andern. Sigismund Menz, eigentlich Mincetich, der ebenfalls noch aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt, wird der illyrische Bocaccio genannt, und erfreute sich ebenso wie Georgio Darscich einer Menge Nachahmer in den folgenden Jahrhunderten.

(Fortsetzung folgt.)

Blaquiere’s Briefe aus Griechenland.

Letters from Greece, with Remarks on the Treaty of Intervention. By Edward Blaquiere, Esq., Autor of „An historical Account of the Greek Revolution“. 8 vo London 1828.


Das vorliegende Werk erzählt die neueren Ereignisse des griechischen Kampfes bis zur Schlacht bei Navarin, theils in Briefform, theils in einer historischen Einleitung, unter Beifügung von erläuternden Beilagen und Original-Documenten. Es vertheidigt den Interventions-Vertrag und berichtigt die in P. J. Green’s „Skizzen des Krieges in Griechenland“ gegen die Griechen erhobenen Anklagen. Bei dieser Veranlassung werden wieder die oft berührten Fragen über den gegenseitigen sittlichen und geistigen Werth der Griechen und Türken abgehandelt, um daraus den Schluß zu ziehen, in wiefern die Griechen ein Recht auf Unabhängigkeit und Freiheit haben. Die Türken, als das herrschende Volk, haben größere und kühnere, aber weniger kleine und verächtliche Laster als die Griechen. Jene sind offener, redlicher und wahrhaftiger in Wort und That; in geistigen Eigenschaften aber, die doch wohl die Hauptbasis des Willens und eines edlen sittlichen Selbstbewußtseyns bilden, stehen sie weit unter ihren bisherigen Sklaven. Die Frage dreht sich jedoch, wie uns scheint, keineswegs darum, ob die Griechen tugendhaft oder lasterhaft, geistreich oder geistlos sind, sondern blos ob sie Menschen sind. Sind sie Menschen, schlecht oder gut, so haben sie auch ein Recht auf Unabhängigkeit und Freiheit. Wenn in einem Volke die Sehnsucht nach diesen ersten Bedingungen jedes geistigen und sittlichen Lebens einmal erwacht ist, wer sollte da wohl das Recht haben, ihm die Befähigung dazu streitig zu machen?

Die Gegner der Griechen werden nicht müde zu beweisen, daß letztere durch jahrhundertlange Sklaverei entwürdigt wurden. Vielleicht könnten die Tausende, die in siebenjährigem Kampfe von den Karpathen bis zu den Fluthen des griechischen Meeres, fürs Vaterland in den Tod gingen, Zeugniß geben, daß in dem Volke die höchste Tugend des Bürgers, der Stolz der Selbstständigkeit, nicht ganz erloschen ist. Mag es auch von der wilden Kraft, welche sich gegen die Ketten sträubt, noch ein großer Schritt seyn bis zu jener von innen und außen geschützten und gesicherten Freiheit, so sind doch die innern Verwirrungen und Kämpfe, die bis dahin noch eintreten müssen, geringe Uebel gegen das eine große, die Fortdauer des Despotismus. Indem man beweist, daß die Griechen durch Sklaverei entwürdigt wurden, beweist man damit nicht zugleich die Nothwendigkeit des Aufhörens derselben? Wenn der Despotismus die Geister erdrückt hat, gibt es da ein anderes Mittel als die Freiheit, um sie wieder aufzurichten? Die Antwort auf alle diese Fragen liegt so sehr auf platter Hand, daß es unbegreiflich ist, wie man glauben kann, die Ereignisse, die mit innerer Nothwendigkeit und mit dem Schwerte sich Bahn brechen, werden auf die Demonstrationen moralischer und politischer Sophisten horchen, welche mit philosophischer Unfehlbarkeit beweisen, daß dieses Volk zur Freiheit reif, jenes unreif sey. Mit welch unumstößlichen Gründen hatten deutsche Professoren einst dargethan, daß die Neger eine niederere Race seyen, nur bestimmt, die Sklaven der höher begabten Weißen zu seyn! Da brachen sie mit blutiger Hand die Fesseln ihrer Unterdrücker, und es scheint nicht, daß der in rascher Bildung sich erhebende Negerstaat nach den Ketten Europas sich zurück sehne.

Doch kehren wir von diesen allgemeinen Betrachtungen, zu denen uns der polemische Theil von Blaquiere’s Werk Veranlassung gab, zu diesem selbst zurück. Folgende Anekdote ist charakteristisch für den Kampf der Griechen gegen ihre Unterdrücker.

„Sophia Condulimo war die Wittwe eines ausgezeichneten Offiziers, welcher während der Belagerung Missolunghis gefallen war. Als die Türken in die Stadt eindrangen, befand sie sich, von ihrem Sohne und ihrer Tochter begleitet, unter jenen Haufen, welche der Wuth der Sieger durch die Flucht zu entrinnen suchten. Sie waren noch nicht weit gekommen, als die Mutter einen Trupp Türken erblickte, welche ihnen nachsetzten. Entsetzt über das Schicksal, das ihrer Tochter drohte, wandte sie sich zu ihrem Sohne, der bewaffnet war, und befahl im, seine Schwester, ein reizendes Mädchen von 16 Jahren, zu erschießen, damit sie nicht ein Opfer der türkischen Rohheit würde. Der Jüngling gehorcht im Augenblick dem furchtbaren Befehl, zieht eine Pistole aus seinem Gürtel und streckt seine Schwester zu Boden. Mutter und Sohn fliehen einer Höhle zu. In diesem Augenblicke fällt der Sohn, von einer Kugel der nachsetzenden Feinde verwundet, nieder. Die Mutter sucht ihn mit fortzuschleppen, wird aber von einigen türkischen Reitern eingeholt, von denen einer schon die Pistole auf sie richtet, als sie sich aufreißt und ihm mit dem Blick und dem Tone des Befehls zuruft: Barbar, siehst du nicht, daß ich ein Weib bin? Diese Wort haben die gewünschte Wirkung: Mutter und Sohn werden am Leben gelassen, um in die Gefangenschaft abgeführt zu werden. Als später mit dem Geld der Griechenvereine zweihundert der unglücklichen Gefangenen losgekauft wurden, befand auch Sophia Condulimo sich unter der Zahl der Befreiten, und erblickte unter denselben – ihre todtgeglaubte Tochter. Die Türken, die Schönheit des Mädchens bemerkend, hatten sie nach Missolunghi zurückgebracht, ihre Wunden verbunden und geheilt. Ihr Schicksal rührte die mit der Loskaufung beauftragten Agenten, und so kam sie, welche, um ihre Ehre zu retten, dem Tode geweiht war, durch die Hände der Feinde in die Arme der Mutter zurück.“

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_356.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)