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Das Ausland. 1,2.1828

schien es hier zu seyn, durch Vereinfachung der Verwaltung und Ersparnisse aller Art die Ausgaben der Kolonie mit den Einnahmen einigermaßen gleich zu stellen. Als nämlich im Jahr 1819 der Generalgouverneur von der Capellen als ausschließlicher Oberbefehlshaber auf Java, wo bis dahin drei königliche Generalkommissäre an der Spitze gestanden hatten, zurückblieb, war, dem Anscheine nach, alles in blühendem Zustande; die Produkte wurden vortheilhaft abgesetzt, verschiedene Zweige des Einkommens besserten sich, und man versprach sich eine noch günstigere Zukunft. Hierdurch irre geleitet, und zum Theil auch in der Absicht, der Regierung auf allen Punkten mehr Anhänger zu verschaffen, vermehrte H. von der Capellen die Zahl der Beamten und erhöhte zugleich ihre Besoldungen. Da aber viele derselben noch neu in ihrem Geschäfte waren, auch überhaupt ernster Sinn für einen regelmäßigen Beruf und Gewissenhaftigkeit in Erfüllung der Pflichten dort eben nicht allgemein unter den Beamten gefunden werden, so verwickelte sich der Gang der Verwaltung, ohne daß man sich Mühe gegeben hätte, eine genaue Einsicht in den Zustand derselben zu nehmen. Als man endlich den Rückgang bemerkte, glaubte man durch Aenderungen in der innern Organisation zu helfen, die aber nur zu neuen Ausgaben Veranlassung gaben. Im Jahre 1819 entstand zugleich ein Krieg gegen den Sultan von Palembang, der zwar in dem folgenden Jahre glücklich beendigt wurde, aber doch bedeutende Summen verschlang. Doch glaubte man am Ende des Jahrs 1820 noch einen Ueberschuß zu haben, ob dieses aber der wirkliche Stand der Geschäfte war, blieb schwer zu ermitteln, weil die Comptabilität damals noch keinesweg im Reinen war. Man nahm nun zwar die Berichtigung derselben vor, auch wurde aus den Niederlanden deßhalb ein Kommissär hingeschickt, die Maßregeln aber scheinen nicht durchgreifend gewesen zu seyn. Die Geldverlegenheit stieg: man nahm zu Papiergeld und zu einem Anlehen von 1,200,000 Gulden in Bengalen seine Zuflucht. Im Jahre 1824, wo das Defizit schon bis zu sechs Millionen angewachsen war, hatte der Generalgouverneur den unglücklichen Gedanken, eine Reise nach den Molucken und der Küste Makassar zu machen, wo seit mehr als einem Jahrhunderte kein Generalgouverneur anwesend war, und hier Aenderungen in der Verwaltung vorzunehmen, welche diese Besitzungen in eine größere direkte Abhängigkeit von der Regierung in Batavia bringen sollten. Dieß verursachte einen neuen, sehr kostspieligen Krieg mit den Eingebornen, dessen verderbliche Wirkungen auf die Finanzen zusammentrafen mit einem unerwarteten und ungewöhnlichen Sinken der Kaffeepreise, wodurch der Ertrag der Kolonien bedeutend vermindert wurde. Kaum war nun dieser Krieg auf den Inseln und Makassar beendigt, als die Unruhen auf Java ausbrachen, über deren Ursachen uns die vorstehende Denkschrift Aufschluß giebt, und die seitdem ununterbrochen fortdauerten. Die Regierung sah sich nun genöthigt, Anfangs 1826 eine Anleihe von 20 Millionen Gulden im Mutterlande zu eröffnen, die kürzlich noch mit 2,700,000 Gulden vermehrt worden. Mit diesen Mitteln ausgerüstet betreibt sie den Krieg gegen die Rebellen mit großer Energie, indeß der Generalkommissär früher begangene Fehler wieder gut zu machen, und überall sachkundige und redliche Männer anzustellen sucht. Oeffentliche Blätter haben bereits erzählt, und es ist auch oben schon bemerkt worden, daß die Unterhandlungen, die im verflossenen Monate September mit den Rebellen angeknüpft worden, fruchtlos abgelaufen sind; ein Priester, Kiay-Modjo, den der Anführer der Insurrektion, der oben erwähnte Prinz Diepo Negoro, mit Vollmachten versehen hatte, machte Forderungen, welche der Generalkommissär nicht bewilligen zu dürfen glaubte. Seit langer Zeit hat dieser Priester seine Anhänger durch Fanatismus zu entflammen gewußt. In einer Proklamation, die Herr Dubus de Ghisignies hierauf an die Javanesen erließ, ermahnte er sie an dem Schicksale der Aufrührer ein Beispiel zu nehmen, und sich treu an ihre rechtmäßigen Fürsten anzuschließen. „Seht, sagte er, wie es den Meisten dieser Unglücklichen ergangen ist; von einem Ort zum andern verjagt, haben sie, gleich Heimathlosen, fremde Gegenden durchstreifen müssen; von ihrem Herde entfernt, sind sie genöthigt, sich ihre Nahrung durch Rauben und Plündern zu verschaffen, und viele sind schon eines elenden Todes gestorben; ihre Häuser sind zerstört, ihre Felder verwüstet.“ Er schildert dann das Glück derjenigen die sich friedlich betragen, beruft sich auf den Beistand des großen Kaisers von Soerakarta und der Sultane von Madura und Sumanap, mit deren Hülfe es ihm ein Leichtes gewesen wäre die Rebellen zu besiegen; nur aus Schonung habe er mit ihnen unterhandeln wollen, nun aber sey es klar, daß Kiay-Modjo nur seinen eigenen Vortheil, nicht das Beste der Religion und seiner Landsleute suche, welche daher von neuem, um ihrer Selbsterhaltung willen, aufgefordert würden zur Ordnung zurückzukehren. – Bald darauf zeigte sich Diepo Negoro stolzer, als man von ihm erwartet hatte, und wahrscheinlich wird nun der Krieg mit vermehrter Hartnäckigkeit erneuert werden.


Tapferkeit eines Hindu.

Bei der Belagerung von Bhurtpur im Jahr 1805 war die brittische Armee, welche diese Bergveste zu stürmen versuchte, viermal mit großem Verlust zurückgeschlagen worden. Bei dem fünften und letzten Angriff bat ein Sergent von den eingebornen Truppen, der bei Lord Lake den Dienst hatte und diesen in Gedanken und Bekümmerniß sah, den General, ihm zu erlauben, sich seiner Compagnie anzuschließen, die eben aus den Transcheen vorrückte, um Theil an dem Sturme zu nehmen. Seine Bitte erhielt nicht eher Gehör, als bis dieselbe durch einen Stabsoffizier unterstützt wurde. Indem er sich mit dem gewöhnlichen militärischen Gruß entfernte, sagte er: Sey unbekümmert, General! Die Schurken! sieh’, wie wir sie zusammenschlagen wollen. Bhurtpur, mein Lord, wird heute fallen, oder du sollst mein Angesicht nicht wieder sehen. – Die Seapoys, von ihrem tapfern europäischen Offizier[1] geführt, gingen zum Sturm und gewannen Fuß auf dem Wall. Sie machten eine verzweifelte Anstrengung, sich hier zu behaupten; da sie aber keine Unterstützung erhielten und ihren Offizier schwer verwundet, eine große Anzahl von den Ihrigen gefallen sahen, waren sie genöthigt, ihre Stellung aufzugeben. Alle zogen sich zurück, nur der Sergent, der bei Lord Lake den Dienst gehabt hatte, war dazu nicht zu bewegen. Er hatte tapfer gefochten, war aber noch unverwundet. Er stand oben auf der Bresche und lud ein Gewehr, das er einem der Gefallenen abgenommen hatte, als sein verwundeter Offizier ihm zurief, er solle sich retten. „Erzählt Lord Lake, antwortete er, indem er sich umwendete, wo ihr mich gelassen habt; Bhurtpur ist nicht unser, und ich kann ihm mein Gesicht nicht mehr zeigen.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als man ihn fallen sah, und in demselben Augenblicke wurde er in Stücken gehauen.
 (Letters addressed to a young person in India by Lieut. Col. John Briggs, London 1828.12.)

  1. Bei jeder Compagnie Seapoys ist ein europäischer Offizier, als Chef derselben; den Dienst der Lieutenants versehen Sergenten, die aus den Eingebornen genommen werden.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_354.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)