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Das Ausland. 1,2.1828

Loch im Deckel, ein Blatt Papier nebst Schreibzeug bilden das Material ihrer Einrichtung. Jeder Stimmende präsentirt sich außerhalb des Fensters, sagt seinen Namen, der auf das Blatt geschrieben wird, wirft dann seine Stimme in die Schachtel und entfernt sich. Wenn die Richter an der Fähigkeit des Wählers zweifeln, so lassen sie ihn schwören. Im Zimmer geht alles in der größten Ordnung zu, aber nicht so draußen. Der Wald wird bald mit Pferden und Karren angefüllt. Die Wähler kommen schaarenweise an, lachen und singen, oft schon frühmorgens halb berauscht, und feuern sich gegenseitig zur Unterstützung ihrer Kandidaten an. Diese selbst oder ihre Freunde treten den Ankommenden mit fertigen, oft mit gedruckten Stimmtäfelchen entgegen, und setzen sich ihren Spöttereien und ihren Grobheiten aus. Jeder Ankommende wird über seine Stimme befragt, und, je nachdem er einen Namen sagt, mit Beifallklatschen oder mit Pfeifen empfangen. Ein Mann von Einfluß tritt hervor, um seine Stimme abzugeben, wobei er seine Meinung und seine Gründe in einer kleinen Rede entwickelt. Das Geräusch hört einen Augenblick auf und der Redner gewinnt eine Menge der Wähler; Niemand stört ihn. Unterdeß geht die Branntweinflasche umher; am Abend ist Jeder mehr oder weniger betrunken, und selten entsagt das Volk seiner souveränen Macht ohne einen allgemeinen Kampf, wo Keiner den Andern hört, und in den alle diejenigen, die noch nüchtern sind und ihren Wagen noch bei der Hand haben, sich wohl hüten, sich einzulassen. Nachts schläft Jeder zu Hause. Die Richter zählen die Stimmen, und schicken das Resultat nach der Hauptstadt. Am andern Morgen sind Sieger und Besiegte wieder die besten Freunde, als wenn nichts vorgefallen wäre: denn Jeder hat von seiner Kindheit an gelernt, sich dem Willen des Volkes zu fügen. Vox populi vox dei ist hier ein unbestrittener Grundsatz. Es muß hiebei bemerkt werden, daß das öffentliche Wohl nicht bei diesen Tumulten leidet: denn gewöhnlich hat Jeder lange, ehe er seine Stimme giebt, seine Wahl getroffen, und nüchtern oder nicht, er hält sich daran. Das Ungestüm der Wahlen geht schnell vorüber. Vorher spricht man von nichts anderm, nachher aber spricht fast kein Mensch mehr davon.

Der Posten eines Abgeordneten ist die gesuchteste von den Stellen, die ein Gebiet zu vergeben hat, denn außer dem Vortheil, Mitglied des Kongresses zu seyn, den Winter auf die angenehmste Weise unter lauter Festlichkeiten und in der besten Gesellschaft zuzubringen, mit allen ausgezeichneten Männern persönlich bekannt zu werden, hat er einen unübersehbaren Einfluß auf das Schicksal des Gebiets. Er wird ex officio über alles, was sich auf dasselbe bezieht, zu Rathe gezogen: auf seine Empfehlung werden gewöhnlich die Territorial-Aemter vergeben. Er hat dem Volke Versprechungen gemacht, die er zu erfüllen streben muß. Sie betreffen gewöhnlich Landstraßen, Kanäle, Postämter, Veränderungen in den Gerichtsdistrikten, Vermehrung oder Verminderung derselben; unentgeldliche Anweisung vakanter Ländereien, um Städte zu bauen; Errichtung neuer Brücken; Vermehrung der Mitglieder der gesetzgebenden Behörde; die Bestätigung oder Verwerfung dieses und jenes Gesetzes. Einige dieser Punkte wird er durchsetzen; in andern gibt er wenigstens seine Stimme ab. Seine Partei wird alle seine Schritte billigen, die Gegenpartei wird sie alle tadeln; und unter diesem Conflict der Meinungen kann man darauf rechnen, daß er nicht zum zweitenmale wird gewählt werden, um so mehr, da während seiner beiden Amtsjahre die Interessen der Bevölkerung und die Bevölkerung selbst sich umgestaltet haben.

Für das erste Jahr hat der Pflanzer die nöthigsten Lebensmittel, Geräthschaften, und was er zur Bekleidung seiner Neger braucht, mitgebracht: nicht so für die folgenden Jahre. Assortirte Schiffsladungen werden jetzt von den atlantischen Städten auf unsern großen Flüssen oder Kanälen versendet; in den neu entstehenden Städten werden Magazine errichtet, die sehr einträglich sind, denn alles wird doppelt und dreifach über den Preis verkauft. Die ersten Sendungen bestehen in Lebensmitteln: Rindfleisch, Schweinfleisch, gesalzene Fische, Schinken, Butter, Speck, Weingeist, Mehl; in Stoffen für die Familien und die Neger; in Eisenwaaren und Arzneimitteln. Das alles wird in demselben Laden, von demselben Kaufmann durcheinander verkauft. Dieser, der gewöhnlich nur der eigennützige Handlungsdiener eines großen Hauses im Norden ist, bringt in der Regel seine Familie nebst allen Moden und übrigen Vortrefflichkeiten der großen Stadt mit, aus der er kommt. Er kleidet sich auf’s zierlichste, und bildet einen vollkommnen Kontrast mit der übrigen Bevölkerung. Gewöhnlich macht er sehr gute Geschäfte, obgleich er oft jedem Pflanzer bis zur Ernte Kredit geben muß. Er bringt fast immer alle mitgebrachten Waaren an; wenn die erste Ladung erschöpft ist, kehrt er nach dem Norden zurück, und kommt bald mit einer neuen Ladung wieder.

(Fortsetzung folgt.)

Der Aufstand der Eingebornen gegen die Niederländer auf der Insel Java.


(Schluß.)

Um den Leser in den Stand zu setzen, die frühere und gegenwärtige Lage der Dinge in Java noch besser zu beurtheilen, fügen wir vorstehender Denkschrift einige Worte über das zuvor und seitdem Geschehene bei. Als diese Denkschrift Seiner Majestät dem Könige der Niederlande überreicht wurde, hatte der jetzige Generalcommissär in Batavia schon in mehreren Zweigen der dortigen Regierung die Reformen vorgenommen, welche die Umstände für zweckmäßig anzugeben schienen. Vor seiner Ernennung zu dieser hohen Würde war der Gouverneur der Provinz Südbraband, und wird wahrscheinlich diesen Posten auch nach seiner Rückkehr wieder antreten,denn der gegenwärtige Gouverneur dieser Provinz bekleidet seine Stelle nur ad interim. Herr Dubus hatte sich in derselben durch die strengste Gerechtigkeitsliebe und sehr gründliche Kenntnisse in allen Theilen der Verwaltung, namentlich im Finanzfache, ausgezeichnet; diesen Eigenschaften verdankte er auch seine Sendung nach Ostindien. Das dringendste Bedürfniß

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_353.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)