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Das Ausland. 1,2.1828

Blüthen mehr geöffnet sind. Unmittelbar um Cyrene trafen wir sie in sehr großer Menge.“

Der Hauptzweck der Reisenden war, in die Geographie dieser Länderstrecken mehr Bestimmtheit und Klarheit zu bringen, und in dieser Hinsicht sind ihre Untersuchungen vom höchsten Werth. Ein flüchtiger Blick auf die Charte, welche dem Werke beigegeben ist, zeigt wie sehr unsere Kenntniß der Nordküste Afrikas durch diese Expedition erweitert wurde. Wir finden Land, wo man bis jetzt offene See vermuthete, und der ganze Umriß der Küste, besonders in der Gegend der großen Syrtis, zeigt sich als gänzlich verschieden von den bis jetzt davon vorhandenen Zeichnungen. Die geographische Position verschiedener Städte ist genau bestimmt, und die Lage von andern wird, wenn auch oft nicht so mahlerisch als man wünschen möchte, doch sehr sorgfältig und vollständig beschrieben. Bei mehr als einer Gelegenheit zeigt sich hiebei aufs neue, wie treu und genau Herodot war. Zahlreiche Stellen aus Strabo und andern alten Geographen, die bis jetzt dunkel und unverständlich waren, werden aufgeklärt. Eine größere Ausführlichkeit wäre der Untersuchung über die Gärten der Hesperiden zu wünschen gewesen. Doch sind über diesen anziehenden Gegenstand interessante Beiträge geliefert, und auf jeden Fall entspricht die von den Reisenden bezeichnete Gegend den Beschreibungen der Alten besser, als Gosselin’s Oasis. Servius sagt ausdrücklich, daß jene berühmten Gärten in der Nähe Berenike’s, des heutigen Bengazi’s, waren und wir kennen keine Oase in der Nähe dieser Stadt, in welcher dieselben gelegen haben könnten. Freilich wäre es möglich, daß ein so reizender Fleck in der nahen Wüste existirt hätte, der später vom Sande bedeckt worden wäre.

Cyrenaica ist keineswegs jene dürre Gegend, wie man sie sich unter jenem Himmel wohl vorstellen möchte. Ueberall begegnen dem Auge reiche Landschaften von überraschender Schönheit. Kräuter und Gräser steigen, genährt von dem fetten Boden, bis zu unglaublicher Höhe, und bedecken die Ruinen, an denen sie emporwachsen. Nur während der Sommermonate verschwinden sie, wo dann die alten Denkmäler zugänglicher werden. In allen Jahreszeiten aber bleiben die steilen, schönen Hügel Cyrenaicas mit Grün bedeckt, und behalten eine Frische und Schönheit, wie man sie in einer afrikanischen Landschaft schwerlich vermuthen würde.

„Das östliche Thal von Ptolemeta erhebt sich in sanftem Steigen von dem Meeresufer, windet sich durch Pinienwälder und blühende Sträuche (welche sich verdichten, je höher und steiler die Seiten des Berges werden) bis es sich in die jähe Bergkette verliert, die es gegen Süden mit einem dunkeln Saume dichtgedrängter Pinien umschließt, die hoch in die blaue Luft steigen.“

„Die Windungen des Thals verleihen ihm einen unbeschreiblichen Reiz, und mit jedem Schritte aufwärts nach den Höhen wächst das Interesse. Oft ist der Fuß durch die breit sich über den Boden hinschlingenden Baumwurzeln gehemmt; plötzlich aber öffnet sich wieder ein freier grüner Platz, von allen Seiten durch einen hohen Wall verschieden gefärbter Pinien umschlossen, eine über die andere steigend, schlank und gleich. Erreicht man das entgegengesetzte Ende dieses grünen Amphitheaters, so öffnet sich eine neue unerwartete Scene vor dem erstaunten Wanderer, der nicht weiß nach welcher Seite er den Blick kehren und wie er sich losreißen soll, von dem herrlichen Anblick, der in stetem Wechsel aber in gleicher Schönheit überall sich ihm entgegendrängt. Die Schatten der Nacht umfingen uns, ehe wir das Sinken der Sonne bemerkt hatten, und nie kehrten wir später in dieß freundliche Thal zurück, ohne zu bedauern, daß wir nicht länger bleiben, und es bewundern durften.“ – –

„Cyrene lag am Rande einer Hügelreihe, etwa achthundert Fuß hoch, welche terrassenförmig absteigt, bis sie auf die ebene Bergfläche auslauft, die der Gipfel einer zweiten Hügelkette unter ihr bildet. An diesem Fuß der obern Reihe, worauf die Stadt stand, erblickt man eine freundliche Mischung von Wald, Kornfeldern und grünen Wiesen. Schroffe Felsen, auf beiden Seiten dicht mit Bäumen besetzt, durchschneiden das Land in verschiedenen Richtungen, und bilden die Canäle der Gebirgswasser, die sich von den Hügeln in die See stürzen. Die oben bezeichnete Bergfläche erstreckt sich gegen Osten und Westen so weit das Auge reichen kann, gegen Norden aber senkt sie sich in einer Entfernung von fünf englischen Meilen plötzlich steil in die See hinab. Die untere Hügelkette, welche sich längs der ganzen Küste von Cyrenaica hinzieht, ist hier wie bei Ptolemeta dicht mit Wald bedeckt, und, gleich der obern Reihe, mit wilden, romantischen Felsen durchschnitten, welche, jemehr sie der See sich nähern, großartigere Formen annehmen. Die Höhe der untern Kette beträgt gegen tausend Fuß, so daß also Cyrene, auf einer der obern Kuppen erbaut, etwa achtzehnhundert Fuß über dem Spiegel des Meeres liegt und an heitern Tagen, wenn die Nebel im Thal und an der Küste sich theilen, eine weite herrliche Aussicht über Land und See beherrscht.“[1]



Die afrikanischen Geier.

Es gibt mehrere Arten von Geiern in Südafrika; der gewöhnlichste ist der große lichtgefärbte Vultur percnopterus, einer der heiligen Vögel des alten Egyptens. Diese Geier theilen mit den Hyänen das Amt der Wasenmeister; und die Schnelligkeit, mit der sie jeden Leichnam entdecken und verschlingen, ist wahrhaft erstaunlich. Instinktmäßig folgen sie den Jägern und Reisenden, besonders in öden Gegenden, hoch in der Luft in Kreisen schwebend, und mit scharfem Blick unverwandt auf die Beute lauernd, die etwa vom Schusse des Jägers fällt, oder auf ein Rind oder ein anderes Thier, das auf dem Zuge der Reisenden erliegt. Ich sah, wie eine kleine Anzahl dieser Geier einen großen Ochsen in Zeit von vier bis fünf Stunden so vollständig aufzehrte, daß nur noch die Haut und die Knochen für die Hyänen übrig blieben. Auf einem Schlachtfelde in Südafrika wird nie ein Todter begraben; die Bestien überheben den Menschen dieser Sorge. Selbst der größere Theil der Gebeine findet ein Grab in dem Magen der Hyäne.

(London-Review.)
  1. Wir werden in einem der spätern Blätter noch einmal auf dieses Werk zurückkommen.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_346.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)