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Das Ausland. 1,2.1828

„God save the queene Elizabeth“ (Gott erhalte die Königin), worauf sie mit freundlicher Verbeugung antwortete: „I thancke you my good peuple (I thank you my good people! Ich danke Euch, mein geliebtes Volk!“)

Unter der Zeit, als die Königin in der Kirche war, was nie über eine halbe Stunde dauerte, ward der Tisch gedeckt, wobei Jeder, welcher etwas aufdeckte, beim Kommen und Weggehen dreimal eine Knieverbeugung machte, nicht anders als ob die Regentin selbst zugegen gewesen wäre. Tafeldecker war einer der ersten Grafen des Reichs. Ein anderer Ritter brachte das Brod, ein dritter das Salzgefäß, ein vierter den Wein, und wieder ein anderer die Gedecke. Mit gleicher eherbietiger Verneigung brachte eine junge Gräfin von ausnehmender Schönheit das Vorlegemesser. Dann trugen Trabanten, wozu die größten und stärksten Männer aus dem ganzen Königreiche gewählt zu seyn schienen, angethan mit rothen Kleidern, auf denen goldene Rosen gestickt waren, die Speisen auf, in silbernen, meist vergoldeten Schüsseln.

Jede Tracht, deren drei bei einer Mahlzeit statt fanden, zählte vierundzwanzig Gerichte. Den Trabanten nahmen die Edelknaben die Speisen ab, und setzten sie auf die Tafel. Alsdann gab der Kredenzer einem Jeden von dem Gerichte, welches er aufgetragen hatte, einen Bissen, zur Vorsicht wider Vergiftung. Zugleich machten zwölf Hoftrompeter und zwei Paukenschläger eine geräuschvolle Musik. Denn so liebte es die Fürstin während des Mahles.

Nach diesen umständlichen Ceremonien erschienen einige adelige Fräuleins, welche mit großer Ehrfurcht die Speisen von der Tafel nahmen, und in das Zimmer der Königin trugen, wo diese allein speisete, und wohin der Zutritt nur selten Jemand, etwa auf Fürsprache eines Magnaten, und aus besonderer Begünstigung, gestattet ward.

Bei diesem an orientalischen Luxus grenzenden Pompe, bei diesen Kniebeugungen und der fast sclavischen Ehrfurcht und Huldigung, die bei der Erinnerung an den welken Busen, die schwarzen Zähne, und die falschen rothen Haare einer Greisin ein unwillkürliches Lächeln erregt, drängt sich die Bemerkung auf, wie sich die hochherzige Nation der Britten so sehr den Schwächen eines Weibes unterwerfen, und die Bande der Dienstbarkeit so offen und entehrend tragen konnte.

Um diesen Schwächen weiblicher Eitelkeit ein Gegengewicht entgegenzustellen, sey es uns vergönnt, noch folgenden Zug edler Seelengröße und wahrhaft antiker Charakterstärke anzuführen:

Margaretha Lambrun, eine von den Dienerinnen der unglücklichen Maria Stuart, deren Mann bei der Nachricht von dem Tode seiner Gebieterin dem Schmerz über diesen Verlust unterlag, hatte den Entschluß gefaßt, Marias Tod zu rächen. Mit zwei Pistolen bewaffnet, und den Vorsatz, Englands Königin zu morden, in dem Busen, begibt sie sich in die innern Gemächer der Burg, und dringt an einem Audienztage durch den Haufen der wartenden Menge. Allein in diesem Augenblicke entsinkt ihr ein Pistol. Sie wird ergriffen und vor die Königin geführt. Diese wollte sie zuerst selbst ausfragen; allein durch die kühnen Anworten betroffen, fragte sie kaltblütig: „Ihr glaubtet also wirklich, daß die Liebe zu Eurer Herrin und zu Eurem Manne solch’ eine Handlung zur Pflicht gemacht habe? – Aber was glaubt ihr wohl, daß jetzt meine Pflicht gegen Euch sey? – „Ich werde Ew. Majestät offen und unerschrocken meine Antwort sagen; Erlauben Sie mir nur die Frage: Will es meine Königin oder meine Richterin wissen?“ Eure Königin! erwiederte Elisabeth. „So ist es Pflicht, mir Gnade zu ertheilen.“ – Aber was bürgt mir dafür, daß ihre diese Gnade nicht zu einem zweiten Mordanschlage gegen mich mißbrauchen werdet? – „Meine Königin, Eine Gnade, mit soviel Vorsicht ausgetheilt, hört auf Gnade zu seyn! Urtheilen und handeln Ew. Majestät als Richterin gegen mich!“ Von dieser Antwort ergriffen wendete sich Elisabeth zu den sie umstehenden Räthen aus ihrem Gefolge und rief aus. „Während meiner ganzen dreißjährigen Regierung hat mir noch Niemand eine so schöne und zugleich so wahre Lehre gegeben!“

Ob ihr jungfräuliches Leben durch eine freie, vielleicht auf politische Rücksichten begründete Wahl, oder durch einen organischen Fehler bedingt gewesen – ist ein seit zweihundert Jahren unaufgelöstes Problem, und die Frage dürfte wohl unbeantwortet bleiben. Soviel ist gewiß, daß sie in ihrem Testamente ausdrücklich befahl, nach ihrem Tode (3. April 1603) weder geöffnet noch umgekleidet zu werden.



Die Universität von Nashville

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Das „National Banner“ giebt folgende Beschreibung der Universität Nashville: „Unter allen Unterrichtsanstalten diesseits des Allegjany-Gebirges gebührt dieser Universität die erste Stelle, sowohl wegen ihrer glücklichen Lage und der Zahl ihrer Studenten, als wegen der Trefflichkeit ihrer Gesetze und ihrer Lehrer. Gegenwärtig bestehen letztere aus einem Präsidenten und fünf Professoren, deren Zahl übrigens bald sehr vergrößert werden dürfte. Der Präsident, ein Mann von hohem Ruf, ertheilt selbst Unterricht in mehreren höhern Zweigen der Wissenschaft. Die Professoren der Mathematik, der Naturkunde, der Chemie und der Philologie gehören zu den ausgezeichnetsten Gelehrten in den Weststaaten. Der Apparat für Naturkunde, Chemie und Astronomie ist sehr vollständig und in der besten Ordnung. Die wohlausgewählte Bibliothek zählt bereits über 2,000 Bände. Die Gesetze der Universität tragen einen milden, väterlichen Charakter, und sind nur da, wo die Sittlichkeit verletzt wird, streng. Es finden halbjährliche Prüfungen statt, zu denen Jedermann freien Zutritt hat.

  1. Nashville, die Hauptstadt von Tennessee, ward erst im Jahr 1777 gegründet. Nur zehn Familien waren es, die 1768 aus Nord-Carolina auswanderten, und in Ost-Tennessee, an den Ufern des Watauga, die ersten Niederlassungen gründeten. Nach drei Jahren war diese kleine Kolonie bereits so angewachsen, daß sie 300 Bewaffnete stellen konnte. Im Jahr 1777 wendeten sich einige Kolonisten gegen Westen, fuhren den Cumberland hinunter, und legten in der Gegend, wo jetzt Nashville liegt, Maispflanzungen an. 1790 trennte sich das Land von Nord-Carolina, und ward 1796 als eigener Staat in die Union aufgenommen. Er zählt bereits 500,000 Einwohner. (Warden, the United States of North-America.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_326.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)