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Das Ausland. 1,2.1828

um den Erdboden abzukühlen. Hier kann niemand leben als Araber und Geier, und letztere würden ohne Zweifel schon lange auf ihren mächtigen Schwingen diese abgeschiedene Einöde verlassen haben, wenn das Schlachtfeld nicht von Zeit zu Zeit in diesen dürren Ebenen ihre Thätigkeit in Anspruch nähme.

Wir erreichten bald die für unser Lager bestimmte Stelle, einen fruchtbaren Fleck mitten in der Wüste. Ein Dattelwäldchen, einige Gärten und ungefähr anderthalb Stunden von uns ein arabisches Dörfchen waren die einzigen anziehenden Gegenstände.

Nach der Anstrengung unseres ersten Marsches in der Wüste erschien uns indessen Zoar mit seiner unbedeutenden Vegetation umher als ein Urquell des Lebens. Die einfache Lebensweise, und die noch einfacheren Wohnungen der Eingebornen haben für den Fremden einen sonderbaren Reiz der Neuheit. Unsere Morgenspaziergänge führten uns häufig in ihre Mitte. Eines der ansprechendsten Gemälde ihres originellen Lebens boten die Gruppen der aus Ziehbrunnen Wasser holenden Weiber dar. Diese alte Sitte ist noch jetzt überall im Osten gebräuchlich; aber hier waren die Weiber verschleiert; ein Umstand, der ihnen leichterklärlicherweise in den Augen der Europäer vortheilhaft seyn muß, da er weder der Anmuth ihrer Gestalten, noch der Freiheit ihres Ganges den geringsten Abbruch thut, während die Alltäglichkeit ihrer Gesichter den Eindruck nicht zu stören vermag. Bei unserem ersten Besuch in ihrem Dorfe, das aus einer bedeutenden Anzahl, aber ohne allen Plan aneinander gereihter Häuser bestand, setzte mich die Gleichgültigkeit in Erstaunen, mit der sie uns behandelten. Wer uns sah, blieb entweder ausgestreckt auf der Erde liegen, oder ging weiter mit dem finstern Ausdruck eines theilnahmlosen Trotzes. Den Weibern schienen die häuslichen Geschäfte ausschließlich obzuliegen. Die Wohnungen sind sauber, und ihre Bewohner reinlich. Sie sind aus weichem Holze gebaut, und von außen mit Lehm überzogen. Zwei oder drei Thürme nach einem größeren Maaßstabe und mit mehr Kunst gebaut, aber aus demselben Material, heißen der Palast des Sheikhs, und können, in einiger Entfernung gesehen, für den Araber wohl etwas imposantes haben. Dieser Palast ist von Kaufleuten aus Surat und Scindian in einen Bazar verwandelt worden, auf dem sie Shawls und verschiedene Arten Zeuge und Seide feil haben. Vermuthlich werden diese Artikel von hier aus ins Innere verführt. Uebrigens scheint dem Eingebornen eine Art von Industrie nicht fremd zu seyn. Wir stießen nicht selten auf Weiber, die Kleider webten oder näheten, und eine unglaubliche Menge nackter Kinder wurde überall zu Arbeiten gebraucht.

(Fortsetzung folgt.)


Vergrößerung der brittischen Macht in Indien auf Kosten des birmanischen Reichs.


(Schluß.)

Nach dem Falle von Melaun (der dort abgeschlossene Traktat war von Seiner goldfüßigen Majestät nicht ratificirt worden) versuchten die Birmanen zum letzten Male das Glück der Schlacht. Eine neu ausgehobene Armee von 4000 Mann, beehrt mit dem Namen Gong-tu-du, das heißt Wiederherstellerin des königlichen Ruhmes, unter dem Befehl eines wilden Kriegers, Ni-wun-brin,[1] der den Ki-Wondschi oder ersten Minister im Commando abgelöst hatte, erwartete die Britten in der Nähe von Pagahm-miu. In Form eines umgekehrten Halbmondes aufgestellt bedrohten die Birmanen das kleine brittische Corps, das keine 2000 Streiter mehr zählte, auf beiden Flanken; demungeachtet gieng dieses furchtlos auf das Centrum los, und durchbrach es in einem Augenblick; die zersprengten Flügel zogen sich auf eine zweite Linie von Redouten unter den Wällen der Stadt zurück: auch hier wurden sie geworfen; fast die ganze Armee löste sich auf; viele, die sich über den Fluß retten wollten, ertranken; Ni-wun-brin selbst wurde, als er in Awa erschien, auf Befehl des Königs grausam hingerichtet. Dieß war das Ende des Kriegs. Denn am Abend des 19. Febr. 1826 erschien der amerikanische Missionär Dr. Price[2] im brittischen Lager, mit der Botschaft, daß die Friedensbedingungen angenommen seyen; aber er hatte weder Gefangene noch Geld bei sich, dagegen brachte er die Bitte vor, daß man es zufrieden seyn möchte, sich vor’s erste statt 25 blos 6 Lak Rupien und den Rest in Prome auszahlen zu lassen.

Dieser Vorschlag wurde verworfen und der Marsch fortgesetzt. Die Schwierigkeiten in Bezug auf Verproviantirung schienen jetzt überwunden.

Die Gegend von Pagahm-miu bis Awa ist eine weite herrliche Ebene, das feinste Gartenland, vom Irawaddy bewässert, mit dazwischen liegenden immer grünen Wäldern, nur eben groß genug, um die Lieblichkeit und Mannigfaltigkeit der Scene zu erhöhen. Die Ufer des Stroms sind mit Dörfern, Pagoden und Klöstern besät, so daß ein Blick des Auges auf alle Reize einer reichgeschmückten Natur, auf alle Schönheiten einer bevölkerten und fruchtbaren Landschaft fällt. In Yandabu, ungefähr 18 Stunden von Awa, traf die Armee den Missionär Price und zwei Staatsmininster, welche die Gefangenen und 25 Lack Rupien mitbrachten. Die Abgeordneten erklärten sich bevollmächtigt, ohne Vorbehalt der Regierung, den Frieden auf die Bedingungen des Siegers abzuschließen. Am 24. Febr. wurde der Friede definitiv unterzeichnet und die birmanische Regierung machte sich zugleich verbindlich, Boote für den Transport eines großen Theils der Armee nach Rangun zu liefern. Man kann sich vorstellen, daß die Britten einiges Bedauern fühlten, als sie der goldenen Stadt den Rücken wieder zuwandten. Ohne Zweifel wäre Awa gefallen und dadurch eine ansehnliche Beute dem Sieger zu Theil geworden. Aber man hätte die Früchte der ganzen Unternehmung aufs Spiel gesetzt. Denn daß der König

  1. Fürst der Finsterniß oder der untergehenden Sonne, nach Andern König der Unterwelt.
  2. Er war mit allen Fremden, die sich in Awa befanden, beim Anfang des Kriegs verhaftet worden; jetzt bediente man sich seiner als Unterhändler.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_308.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)