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Das Ausland. 1,2.1828

man so wenig als unter der weißen Garde jene strengen, festen Züge alter Krieger.

Nun begann die Musik in stolzen wilden Tönen. Die Truppen setzten sich in Bewegung. Besonders schön war die Entfaltung der Reiterei. Endlich stieg der Sultan vom Pferde, und trat in eine kleine Kioske oder Sommerhaus, das zu dieser Veranlassung leicht aufgebaut und vornen offen war. Hier ließ er sich auf einem prächtigen Divan nieder, blos von zwei oder drei seiner Favorit-Offiziere umgeben, und sah mit behaglicher Ruhe den Truppenübungen zu. Hier war er von den glühenden Strahlen der Sonne geschützt, die uns auf dem völlig offenen Felde nicht wenig drückend fielen, während die Türken sie kaum zu fühlen schienen. Indessen konnte man sich bei diesen militärischen Uebungen, trotz alles Glanzes der prächtig gekleideten Garden, nicht verbergen, daß diese schönen jungen Leute, alten, kriegsgewohnten Truppen unmöglich die Spitze bieten könnten. Diese schlanken, feingeformten Gestalten und diese fleckenlosen Kleider schienen besser zu einer antiken Prozession griechischer Jünglinge und Mädchen auf den Hügel der Akropolis, als zu dem blutigen Kampfe eines Schlachtfeldes zu passen.

Die Form ihrer Waffen und die Waffen selbst sind nicht geeignet Schrecken einzuflößen. Der lange Ataghan ist eine Art Halbsäbel, den ein einziger Hieb eines Dragonersäbels vernichten würde. Der reiche Kandgar oder Dolch ist im Treffen wenig zu brauchen, und mit dem Bajonet verstehen sie nicht umzugehen.

Die Janitscharen, welche seitdem vernichtet wurden, waren rücksichtlich ihrer körperlichen Kraft und ihres kriegerischen Feuers die Blüthe des türkischen Heers; trotz ihres unruhigen, widerspenstigen Geistes ist ihr Verlust doch ein unersetzlicher Verlust für das Reich. Oft stand ich stille, um diese hohen, kräftigen Männer, mit ihren bis zur Schulter nackten Armen, ihrer offenen, hochgewölbten Brust und ihrem furchtlosen, wilden Blick zu bewundern – meist alte, versuchte Krieger, die letzten in der Schlacht, mit eifersüchtigem eingewurzelten Stolz auf die Ehre der Waffen ihres Volks. Ein solcher Geist der sich historisch gebildet und die ganze Seele eines Corps durchdrungen hat, läßt sich nicht durch Exercitien ersetzen. Wäre es aber dem Sultan gelungen, jenes Corps selbst der Disciplin zu unterwerfen, und an europäische Taktik zu gewöhnen, so würden diese hunderttausend Janitscharen Europa gegenüber eine furchtbare Macht gebildet haben. –

Gegen zwei Uhr Nachmittags ward die Heerschau beendigt. Die Janitscharen zogen ab, nicht schweigend und geschlossen, sondern in lärmender Unordnung, mehr einem Zuge Beduinen als einem disciplinirten Heere ähnlich. Einzelne, doch nur wenige, von ihnen riefen uns Schimpfworte zu; andere begnügten sich, uns einen lächelnden, oft auch einen übermüthigen, ernsten Blick zuzuwerfen – und wenige Monate später wurden diese stolzen Köpfe in den Bosphorus geworden, oder in Haufen aufgethürmt vor den Thoren des Serails.



Die Hydriotischen Frauen.


Wenn ein Reisender zu Schiff bei Hydra vorbeifährt, oder wenn er nur flüchtig durch die Straßen und die Umgegend geht, wird er keine richtige Vorstellung von den Häusern bekommen, deren Aeußeres so wenig verspricht. Nur im Innern findet sich Reichthum und Luxus. In der Stadt sind wohl funfzehn bis zwanzig Häuser, die man in Italien Palazzi nennen würde. Ihre Besitzer haben sie von ihren See- und Handelsreisen her, ja von jedem Land, wo sie ihr Gewerb hinführte, mit allem ausgeschmückt, was zur Verschönerung oder Bequemlichkeit des Lebens dienen kann; europäische Geräthe und Möbeln stehen da neben asiatischen in weiten Sälen. Die Fußböden von Stuck, Marmor oder Mosaik geben Kühlung. Alle Stockwerke haben nach verschiedenen Richtungen hin Terrassen, und darauf stehen die seltensten Blumen des Orients und des Abendlandes. Selbst die Erde dieser Gärten wurde mit großen Kosten von fern herbeigebracht und auf den steilen Felsen getragen. So war das Haus, wo ich in Hydra so viel Gastfreundschaft fand. Es herrscht über Stadt und Meer. Auf mehr denn hundert Stufen mußte man vom Hafen hinaufsteigen. Von seinen Terrassen aus sah ich Mora und die Spitze von Attika. Ich denke noch mit Interesse daran, denn mein Gastfreund ließ mich mehrere Tage nicht fort, da er um das Cap Colonna einen Piraten kreuzen sah. Mit seinem Fernrohr konnte er all’ seine Bewegungen beobachten. So bewachte er wirklich das Meer, denn vom Golf von Argos bis zum Golf von Athen entgieng seinen Blicken nichts.

Auffallend war mir bei meinem kurzen Aufenthalt in Hydra, daß da die Frauen so wenig geachtet und so untergeordnet sind. In dieser Beziehung ist die türkische Sitte hier mehr herrschend geworden, als irgendwo in Griechenland. Die Hydriotinnen führen ein sitzendes Leben im Innern des Hauses, und können zu der Dienerschaft gerechnet werden. Begegnet man ihnen im Saal oder Vorhaus, so geht man vorüber und sieht sie kaum an. Wenn Essenszeit ist, so kommen sie und setzen sich nach allen andern Hausgenossen. Der Mann und Fremde thun als wenn sie nicht da wären; nur selten gibt man ihnen Gelegenheit zum Sprechen, d. h. zum antworten, denn zuerst reden, würde ihnen für allzugroße Kühnheit ausgelegt werden. Die Hydrioten sind albanesischen Stamms und haben in ihren Sitten noch Manches von der Rohheit ihrer Vorfahren. Ich besuchte einen Griechen, der in Hydra ansässig ist. Die Hausfrau – groß und schön – trat herein, um uns zu bewirthen, reichte uns selbst die Rosen-Conserve, das Glas Wasser, die Pfeife und den Kaffee, was man alles zehnmal annehmen muß, wenn man zehn Besuche am Morgen macht, die früh um fünf Uhr gleich nach der Messe beginnen. Ich war ganz beschämt, die schöne Frau so vor mir stehen und warten zu sehen, bis ich gegessen und getrunken. Ich wollte daher aufstehen, aber der Hausherr machte mir ein Zeichen mit der Hand, als wenn er mich an etwas Unschicklichem verhindern wollte. Die Griechin lächelte anmuthig über meine Verlegenheit.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_304.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)