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Das Ausland. 1,2.1828

Was in Smyrna am meisten überrascht und umsomehr in Erstaunen setzt, da seine ganze Bevölkerung eine kaufmännische ist, das ist die Stille, die daselbst herrscht. Alle Bewegungen, die man im Hafen oder vor den Magazinen sieht, geschehen auf eine Weise, daß man sie kaum hört; die Gewerbe, die sonst die geräuschvollsten sind, werden hier kaum bemerkt: keine Wagen, keine Pferde, kein Streit; man sollte meinen, die Menschen, die sich begegnen, sprächen alle nur leise mit einander; die Weiber gleiten unter ihren Schleiern gleich Schatten an den Häusern hin; die Kameele, die in langen Reihen langsam durch die engen Straßen ziehen, einen kleinen Esel an ihrer Spitze, scheinen den breiten und weichen Fuß mit Bedacht auf den Boden zu setzen; die Cypressengebüsche, die sich an mehreren Orten in der Stadt erheben, scheinen mit ihren Gräbern diese Stille noch zu verdüstern. Dennoch gefällt Smyrna, es ist nicht finster, man findet es nicht todt; in vielen Quartieren sind die Häuser angenehm von schattigem Gebüsche umgeben: die Bazars sind schön, die Umgebungen entzückend; die Weiber habe ich bereits erwähnt.

Im Jahr 1820 bildeten die Griechen ungefähr ein Drittheil der Bevölkerung von Smyrna; die letzten sechs grausamen Jahre, die seitdem verflossen sind, haben ohne Zweifel diese Zahl sehr vermindert. Smyrna ist der Schauplatz entsetzlicher Scenen gewesen; das griechische Quartier muß ganz verwüstet und zerstört worden seyn. Wie viele dieser hübschen Häuser, mit Malereien und Jalousien verziert, mögen verbrannt und wie viele der anmuthigen Frauen, welche dieselben bewohnten, ermordet oder verkauft worden seyn?




Die Engländer vor New-Orleans, am Ende des Jahrs 1814 bis zu Anfang des Jahrs 1815.

Nach den Nachrichten eines englischen Subalternoffiziers[1].

In dem Augenblick, wo nach dem Sturze Napoleons in Europa der Friede hergestellt worden war, begann das englische Ministerium in Amerika einen neuen Krieg zu Wasser und zu Land. An einen ernsthaften Einfall, der eine bleibende Eroberung hätte zur Folge haben können, war nicht zu denken. Die Unternehmung hatte vielmehr Aehnlichkeit mit den Raubzügen der Vandalen, der Araber und Normänner; Schrecken auf den feindlichen Küsten zu verbreiten, alle isolirten oder verwundbaren Punkte zu bedrohen oder zu verheeren, und so den Feind zu ermüden und zu schwächen war der einzige Zweck. Von den Ufern der Garonne segelte General Roß (sein Heer belief sich auf ungefähr 5500 Mann), unmittelbar nach Beendigung des spanischen Kriegs, nach den Ufern des Paturent. Washington wurde genommen und zum Theil verbrannt; den Angriff auf Baltimore gaben die Engländer, die in einem Scharmützel ihren Oberbefehlshaber verloren hatten, wieder auf, als sie beim Vordringen gegen diese Stadt auf eine amerikanische Armee von 20,000 Mann stießen, die auf einer mit zahlreicher Artillerie besetzten Hügelkette verschanzt war: sie zogen sich nach Jamaica zurück. Eine neue Ausrüstung wurde beschlossen: es galt New-Orleans. Diese Hauptstadt Louisianas am Mississippi, vierzig Stunden von dessen Mündung, liegt in einer Gegend, welche Jahr für Jahr von den Ueberschwemmungen dieses Stroms und seiner Neben-Flüsse heimgesucht wird. Unzählige Kanäle, Seen und Sümpfe unterbrechen die Verbindungen zu Land; nur schmale Streifen fruchtbaren Lands erheben sich über das Wasser. Auf einem dieser Streifen liegt New-Orleans. Im Westen stoßt die Stadt an den Strom, im Osten ist sie durch einen drei bis vier Stunden langen unwegsamen Morast gedeckt, und in weiterer Entfernung durch den 6–12 Fuß tiefen See Pontchartrain, der vermittelst des Borgne-Sees mit dem Meere communizirt. Die reissende Schnelligkeit des Mississippi und die Strudel in demselben hindern eine Annäherung von der Seite des Flusses. Es bleibt also nur die Seite des See’s übrig. Aber die sehr sumpfigen Ufer an demselben erlauben kaum eine Ausschiffung des Fußvolks, noch weniger der Artillerie, und überdieß kann die Landung nur auf zwei Punkten bewerkstelligt werden, nehmlich in der St. Johann’s und in der Catalina-Bay. Aber hier erheben sich neue Schwierigkeiten. Das Land ist ganz flach, ohne Holz: nichts maskirt die Bewegungen des Marsches. Den Landstrich zwischen dem Sumpf und dem Fluß, in der Regel nicht über eine Stunde breit, kann der Feind in wenigen Tagen durch Verschanzungen gedeckt haben; diese können nur von der Fronte angegriffen werden, während die Seiten des einfallenden Heeres dem mörderischen Feuer der bewaffneten Schiffe auf dem Fluß und der Batterien am Ufer blosgestellt sind.

Die Befehlshaber der Expedition, Sir Alexander Cochrane und General Keane, kannten diese Schwierigkeiten in ihrem ganzen Umfange, aber indem sie auf das Geheimniß ihrer Operationen rechneten, beschlossen sie am See zu landen, und schnell auf New-Orleans loszugehen, ehe noch der Feind seine Vertheidigungs-Maßregeln zu nehmen im Stande wäre. Dieser Plan wurde in Ausführung gebracht: aber es ging nicht so leicht, als man erwartet hatte. Man mußte für’s erste einen erbitterten Kampf mit einer amerikanischen Flotte bestehen, die den See vertheidigte, und die durch fünfzig englische Schaluppen vermittelst Enterns genommen wurde. Man mußte sodann sämmtliche Truppen auf offenen Booten in einer Entfernung von ungefähr 12 Stunden nach der kleinen

  1. Dieser Aufsatz, den wir aus Blackwoods Edinburgh-Magazine entlehnen, schließt sich an einen früher in demselben Journale mitgetheilten Artikel an, „die Expedition gegen Washington“ wovon der letzte so eben ausgegebene Band der Monatschrift: „Britannia, oder neue englische Miscellen, redigirt von Dr. K. H. Hermes,“ Stuttgart und London. 8°) S. 39–71. S. 164–184 und S. 266–283. eine Uebersetzung enthält.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_291.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)