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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 68. 8. März 1828.

Washington Irving’s Columbus.


(Fortsetzung.)

Nachdem es Columbus gelungen war, sich bei Hofe Gehör zu verschaffen, ward er an den Rath der Universität von Salamanca gewiesen, der seine Vorschläge prüfen sollte.

„Der größere Theil dieser gelehrten Junta war, allem Anscheine nach, schon im voraus gegen ihn eingenommen. Dergleichen Societäten sind stets geneigt, einen ihrer Prüfung zugewiesenen Mann als eine Art von Delinquenten, als einen Betrüger zu betrachten, dessen Vergehen und Irrthümer sie aufdecken und ans Licht bringen sollen. Columbus besonders erschien vor einer solchen scholastischen Körperschaft in einem zu ungünstigen Lichte: ein unbedeutender Seemann, der nie Mitglied irgend einer gelehrten Gesellschaft war, und alles jenes werthlosen Schmucks entbehrte, welcher oft der reinen Trägheit und Stumpfsinnigkeit das Gewicht eines Orakels verleiht, konnte er auf nichts sich berufen als auf den Genius in seiner Brust. Einige theilten die gewöhnliche Meinung, daß er ein Abentheurer oder ein Träumer sey, während andere von jenem krankhaften Eifer gegen jede Neuerung in der einmal bestehenden Lehre befallen waren, welcher unter der Trägheit und Pedanterei des gelehrten Zwangs- und Klosterlebens so leicht sich festsetzt. Welch ein rührendes Schauspiel muß die Halle des alten Convents in diesem merkwürdigen Augenblicke dargeboten haben! Ein einfacher Seemann, rings umgeben von einer imponirenden Reihe von Professoren, Mönchen und geistlichen Würdenträgern, mit natürlicher Beredsamkeit seine Theorie vortragend und gleichsam die Sache der neuen Welt vertheidigend. Als er die ersten Gründe für seine Ansicht auseinandersetzte, schenkten ihm allein die Möche von St. Stephan Aufmerksamkeit; dieser Convent war in den Wissenschaften bewanderter als der übrige Theil der Universität. Die andern Anwesenden schienen sich hinter die vornehme Voraussetzung verschanzt zu haben, daß, nachdem so viele tiefe Philosophen und Cosmographen die Form der Erde studiert, und so viele geschickte Seeleute seit mehreren tausend Jahren sie umschifft haben, es nun ein unbegreiflicher Dünkel eines gewöhnlichen Mannes sey, zu glauben, daß eine so umfassende Entdeckung ihm vorbehalten gewesen wäre. Mehrere der von der gelehrten Körperschaft ihm gemachten Einwürfe sind bis auf uns gekommen, und haben der Universität von Salamanca manchen Spott zugezogen. Doch beweisen sie nicht sowohl die besondere Mangelhaftigkeit jenes einzelnen Instituts, als vielmehr den unvollkommenen Zustand der Wissenschaften jener Zeit überhaupt, und die Art wie die Kenntnisse in ihrem sonst so raschen Gange durch Mönchsaberglauben aufgehalten wurden. Durch dieses trübe Glas wurden alle Gegenstände zu jener Zeit betrachtet, wo der Geist des Alterthums erloschen und blinder Glaube an die Stelle verständiger Forschung getreten war. Verirrt in einem Labyrinth theologischer Zänkereien war das Menschengeschlecht noch weit hinter die Linie der Kenntnisse der alten Welt zurückgeschritten. Statt geographischer Einwürfe ward daher Columbus mit Citationen aus der Bibel, aus dem neuen Testamente, dem Buch Mosis, den Psalmen Davids, den Propheten, den Episteln und Evangelien angegriffen, denen man noch die Schriften mehrerer Heiligen und ehrwürdigen Commentatoren beifügte, St. Chrisostomus und St. Augustin, St. Hieronymus und St. Gregorius, St. Basilius und St. Ambrosius, und Lactantius Firmianus, ein gefürchteter Kämpfer für den Glauben.

Unmöglich konnte ein mathematischer Beweis wahr seyn, wenn irgend eine Stelle der Bibel oder der Kirchenväter damit in Widerspruch zu stehen schien. Die Möglichkeit von Antipoden in der südlichen Hemisphäre, (eine Meinung, die im Alterthum so verbreitet war, daß Plinius sie den großen Streitpunkt zwischen den Gebildeten und Ungebildeten nennt,) war den Weisen von Salamanca ein Hauptstein des Anstoßes. Mehrere derselben bestritten diese Grundlage der Theorie des Columbus geradezu als rein unmöglich, indem sie sich auf Citate aus Lactantius und St. Augustin stützten, die damals als die höchste evangelische Autorität betrachtet wurden. Ungeachtet aber diese Schriftsteller Männer von großem Geist und zwei der größten Leuchten in dem sogenannten goldenen Zeitalter der kirchlichen Gelehrsamkeit waren, so würden doch ihre Schriften in Bezug auf die Wissenschaften zu ewiger Finsterniß führen.

Die Stelle aus Lactantius, womit man Columbus aus dem Felde zu schlagen suchte, ist rein lächerlich und eines so großen Theologen unwürdig. „Kann wohl Jemand so einfältig seyn,“ fragt er, „daß er behaupten möchte, es gebe Antipoden, die mit ihren Füßen uns gerade gegenüber gestellt wären, ein Volk, dessen Beine in die Höhe ständen, während der Kopf dem Boden zugekehrt wäre? daß es einen Theil der Welt geben könne, in welchem alle Dinge auf dem Kopf ständen, wo die Bäume

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_281.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)