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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 63. 3. März 1828.

Russische Gesandtschaftsreise nach Bochara.


(Schluß.)

Zwei Bucharische Grenzposten, eine Art Douanen[1], liegen noch mehrere Tagreisen weit in der Wüste. Der Khan ließ die Gesandtschaft beim Eintritt in sein Gebiet durch einen Offizier begrüßen und ihr Erfrischung und Lebensmittel anbieten, eine Artigkeit, die sehr willkommen war. In Agfatma, dem zweiten Grenzorte, fand man das Erwartete. Es war ein Vorrath von weißem Brod, von Trauben, Melonen und Granaten, womit man sich nach der langen Reisekost, die aus Zwieback bestand, einmal wieder gütlich that. Auch für die Pferde und Kameele war gesorgt worden.

Endlich erreichte man das angebaute Land. Von hier an bis zu ihrem festlichen Einzug in der Hauptstadt wurde die Gesandtschaft mit Höflichkeiten überhäuft. Fast auf jeder Station erschien ein Abgeordneter des Khans, gleich zu Anfang sein erster Minister und mit diesem eine Ehrenwache für die Gesandtschaft von zweihundert Reitern unter den Befehlen eines Pansad-Baschi[2], und zuletzt ein Prinz von Geblüt, der ein Glückwunschschreiben des Khans überreichte. Augenscheinlich lag diesen Höflichkeiten mehr asiatische Förmlichkeit als wirkliches Wohlwollen zum Grunde und vielleicht auch ein gewisses Gefühl der Inferiorität gegenüber dem Repräsentanten einer großen Macht. Da uns aber Herr von Meyendorff über den Zweck der Gesandtschaft im Ungewissen läßt, so können wir bloß als wahrscheinlich vermuthen, daß die bucharische Regierung in diesem Augenblicke noch besondere Gründe zu ihrer Condescendenz gegen Rußland haben mochte.

Die Nachricht von der Ankunft der Gesandtschaft hatte eine Menge Neugieriger nach der Gegend hingezogen, durch welche die Russen kommen mußten. Oft wurde das Gedränge auf der Straße und in den Dörfern so groß, daß die Polizei zu ihren Stöcken greifen mußte, um die gute Ordnung zu handhaben und den Weg frei zu halten. Das Interesse der Europäer an den Tausenden von Orientalen mit blauen Gewändern und weißen Turbanen, die zu Fuß oder zu Wagen, auf Pferden oder auf Eseln ihnen entgegen eilten, konnte nicht größer seyn, als die staunende Aufmerksamkeit, mit welcher die letztern die ihnen fremde Erscheinung einer in militärischem Schritte, in vollständiger Uniform und unter Trommelschlag marschirenden Infanterie betrachteten. Die Russen suchten durch ihre kriegerische Haltung, die Bucharen durch die Pracht ihrer reich geschirrten, mit goldgewirkten Schabracken bedeckten Pferde zu imponiren.

Der Eindruck, den der Anblick des bucharischen Landes auf die Reisenden machte, war sehr vortheilhaft. Es ist aber zweierlei zu bemerken, einmal daß sie gerade aus der Wüste in die Bucharei kommen, und zweitens, daß sie im Winter hin- und im Frühling zurückreisten, also den Sommer, der wegen des dann allgemein[3] herrschenden Wassermangels und überall eindringenden Sandstaubes[4] den Aufenthalt daselbst sehr unangenehm macht, nicht dort zubrachten. Man kann, sagt Herr von Meyendorff, keine anmuthigere Gegend sich vorstellen, als diese mit Menschen, Häusern, Gärten und Feldern bedeckte Ebene.

Eine bunt anzuschauende Bevölkerung von dritthalb Millionen Menschen drängt sich in den Raum von drei hundert[5] Quadratmeilen. Da sieht man die stolzen, tapfern,

  1. Die Zölle werfen dem Khan jährlich 400,000 Fr. ab. Die russischen Kaufleute entrichten 10, die Juden und Armenier 5, die Muselmänner 2½ Procent. In Rußland zahlen die Bucharen 25 Procent, genießen aber, wenn sie sich naturalisieren lassen, große Handelsfreiheiten.
  2. Befehlshaber über 500 Mann. Es gibt in der bucharischen Armee, die aus beiläufig 25,000 Mann Cavalerie besteht, den Titel des Obrists (Tuk-Sabai), des Brigadegenerals (Kurgan-Beghi), des Divisions-Generals (Dadkhâ) und des kommandirenden Generals (Perwanatschi).
  3. Man gräbt dann Löcher, und bei der niedrigen Lage der bucharischen Ebene ist man gewiß, in einer Tiefe von 7–8 Fuß immer Wasser zu finden. Dieß ist aber ein schlechtes stehendes Wasser, das kleine Würmer erzeugt, die man, ohne es zu merken, verschlucken kann; daraus entsteht eine Krankheit, Richta genannt. Der Kranke bekommt Beulen auf dem ganzen Körper, und wenn diese aufbrechen, so gehen daraus Würmer von der Classe der Anneliden hervor. Man kennt kein Mittel gegen dieß Uebel.
  4. Von Jahr zu Jahr wird das gebaute Land mehr vom Sand angegegriffen. Der Wind treibt ihn in solchen Massen daher, daß, wo er hinfällt, er sich zur Höhe von Mauern aufthürmt, daß er Gräben und Kanäle ausfüllt, und, wie die Asche des Vesuvs, Städte und Dörfer unter Schutt begräbt. Den Menschen ist es äußerst beschwerlich, indem er in die Augenöffnungen, in den Mund, in die Ohren eindringt; er erzeugt besonders Augenkrankheiten.
  5. Von der ganzen Ausdehnung des Landes (40°–37’ nördl. Breite, 61–66° 30’ östl. Länge von Paris) ist kaum der achte Theil bevölkert. Die Bucharei, eine bloße Fortsetzung der Steppe, ist nur im Bereich der Flüsse kulturfähig; in ihrem Innern liegen große wüste Strecken und auf den Grenzen hindert die Regierung aus Gründen orientalischer Politik den Anbau.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_261.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)