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Das Ausland. 1,2.1828

und Politik zu beschränken, kann man die große Analogie nicht läugnen, zwischen den Lehren der Schule der Absoluten Vernuft, welche als ursprünglich chinesisch gilt, und den der Buddhisten, welche vor 1800 Jahren aus Indien in China eingeführt wurden; eine Analogie welche sowohl die Grundlagen der Lehre als die Einzelheiten des Volksglaubens betrifft, und welche sich auf verschiedene Art erklären läßt. Die Menschen sind durch ihre, allen gemeinschaftliche Organisation nicht nur in der Zahl der Wahrheiten, welche sie entdecken können, beschränkt, sondern es sind ihnen sogar die möglichen Wege vorgeschrieben, auf denen sie sich verirren können, so daß sie in allen Zeiten und bei allen Völkern in dieselben Irrthümer fallen, und einen Kreis durchlaufen, der sie beständig auf dieselben Punkte zurückführt, ganz unabhängig von aller Verbindung und allem Einfluß der Traditionen. So erzeugt sich der Pantheismus, der Idealismus und der Mysticismus, der daraus folgt, ganz natürlich an einem dieser Punkte der Kreisbahn des menschlichen Geistes, als eine nothwendige Wirkung der Verblendung, welche ein zu starres Anschauen des großen Schauspiels der Natur hervorbringt. Die Liebe Gottes führt weiche Seelen dahin, und die Wunder der Schöpfung kräftige Geister. Wir haben in unserer Zeit diese Ansichten im Abendland entstehen sehen, ohne daß die alten Systeme des Orients hinlänglich bei uns verbreitet wären, um die Erscheinung von ihnen abzuleiten; und China hätte ohne Zweifel vor dreitausend Jahren dasselbe Schauspiel darbieten können. Allein der Zustand der Bildung dieses Landes in jener Zeit erlaubt uns zu zweifeln, ob diese geistige Bewegungen ganz von China ausgieng, und einige verworrene Sagen, einige fast verwischte Erinnerungen, eine gar zu starke Analogie in den systematischen Ausdrücken, und der Gebrauch von Bildern und Symbolen berechtigt uns das Gegentheil anzunehmen. Nur vom Abendland konnte China das Dogma von der Vernunft, von der Dreieinigkeit, lhu, von der schöpferischen oder ordnenden Kraft, von dem Hauch der den Geist und die Materie verbindet, vom Microcosmus, von der Erwartung eines Heiligen zur Wiederherstellung der Unvollkommenheiten des physischen und moralischen Alls erhalten haben, so wie es gewiß den 19jährigen Cyclus der Intercalation, die wahre Jahreslänge, selbst die Fabeln über die astronomischen Operationen des mythologischen Kaiser Jao, und die Geburt von Fo-si aus einer Blume, so wie manches andere, was hier nicht aufgezählt werden kann, dorther erhalten hat. Wenn man übrigens diese zerstreuten Züge sammelt, welche zu beweisen scheinen, daß die verschiedenen Völker des Orient vor dem Anfang der Geschichte, so weit wir sie kennen, unter einander Verbindungen hatten, so muß die Critik sorgfältig die mythologischen und modernen Sagen ausscheiden, welche durch eine willkürliche Vermischung der Traditionen dieser nun rivalen Sekten entstanden sind, und die nichts beweisen, als ihre gleich große Begierde sich mit allen abergläubischen Thorheiten zu bereichern, welche sie auffinden können; dann muß die Critik entscheiden, ob das Vaterland der chinesischen Lehren in Indien, das seine Ideen auf allen Seiten hin ausgebreitet hat, zu suchen sey, oder in Babylon, Persien und Phönicien, wie Remusat anzunehmen scheint. Alleim dieß sind weitaussehende, schwierige Untersuchungen, zu denen hier kein Raum ist.


(Fortsetzung folgt.)



(Fortsetzung.)
12.

Brasilien, ein Land von 127,000 Q.M., aber nur mit 5,000,000 Einwohnern, die in einzelnen von einander getrennten Gegenden im Innern und an der Küste zusammengedrängt sind. Die gegenwärtigen 18 Provinzen – Pará, Maranhao, Piauhy, Ciará, Rio grande do Norte, Parahyba do Norte, Pernambuco, Alagoas, Sergipe d’El Rey, Bahia, Espiritu santo, Rio de Janeiro, Santo Paulo, S. Catarina, Rio grande do Sul, Minas geraes, Goiaz und Matto grosso – bildeten zur Zeit der portugiesischen Herrschaft kein gemeinsames Ganze; die einzelnen Governos wurden von Lissabon aus regiert; Para, Maranhao, Parahyba, Pernambuco und Bahia kümmerten sich wenig um die Hauptstadt Rio de Janeiro. Erst durch Cochrane’s Eroberungszug im Jahre 1823 ward Brasiliens Nordküste an das Kaiserreich geknüpft, dessen Daseyn bis dahin dem größten Theil der Einwohner noch unbekannt war, und wovon das höchst rohe, träge Volk nur die verworrensten Begriffe faßte, eine Verbindung, welche indeß mit der Entweichung der kaiserlichen Kriegsschiffe von selbst aufhörte und nie tief in’s Innere wirkte. Wie in den Platastaaten ist auch in Brasilien nur Eine Stadt, die Corte Rio de Janeiro, der Mittelpunkt, um welchen sich das ganze Kaiserreich bewegt; dort ward Pedro I. zum Vertheidiger Brasiliens ausgerufen, dort strebte man eifrigst nach Selbstständigkeit und der Unabhängigkeit von Portugal; und diese Stadt von 160,000 Einwohnern muß mit ihren Handelsverbindungen den ganzen Aufwand der kaiserlichen Regierung decken. Die übrigen großen Handelsstädte, Pernambuco, Bahia etc. und selbst die reichen Provinzen Santo Paulo und Minas geraes sind nicht für die kaiserliche Regierung gestimmt, und nur die unglaubliche Indolenz und völlige Rohheit der von Sklaven umgebenen weißen Bevölkerung, die Furcht, diese Sklaven und freien Schwarzen und Farbigen möchten in Empörung gerathen, verhindert gewaltsame Schritte. Dennoch wird allenthalben alles aufgeboten, um die Wirksamkeit der kaiserlichen Regierung zu lähmen. So lange die Kaiserin Leopoldine (starb am 11 Dec. 1826) lebte, ward die Ehrfurcht vor dem Kaiser dadurch befördert, daß man überall das Gerücht verbreitete, die aus Hamburg und Bremen übergeschifften deutschen Soldaten seyen kaiserlich österreichische Truppen, und der Kaiser von Oesterreich werde seiner Tochter eine starke Armee zur Hülfe schicken, wenn die Brasilier nicht gehorsam blieben. Mit dem Tode der Kaiserin, einer der edelsten Frauen, welche je einen Thron schmückten, begann diese Furcht zu schwinden. Geht der Kaiser nach Portugal, so ist Brasilien für ihn verloren, und Friede ist ihm vor Allem nöthig, um seine ungetheilte Aufmerksamkeit auf die Einführung der Ordnung in sein Reich lenken zu können. In Brasilien, wie überall in Südamerika, fehlt es der gegenwärtigen Generation an Männern, die zum Staatsdienste fähig wären; der Kaiser sorgt indessen dafür, daß junge Brasilier von Talent in Frankreich, England und Deutschland für diesen Zweck gebildet werden. – Die Abzahlung der Zinsen der Staatsschuld in England wird gewissenhaft durch brasilische Handelshäuser, welche sich verbürgt haben, besorgt, daher auch die brasilischen Fonds von allen amerikanischen am besten stehn. Ueberhaupt ist Großbritannien mit Brasilien in sehr freundschaftlichen Verhältnissen, und die brittische Flagge genießt großer Vorrechte. Es herrscht Religionsduldung; durch die Bemühung des k. preuß. Consuls Theremin und des großherz. meklb. Consuls Biesterfeld wird jetzt eine deutsch-protestantische Kirche in Rio de Janeiro errichtet.


(Schluß folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_256.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)