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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 59. 28. Februar 1828.

Moorcrofts Reisen.


In der Zeitung von Calcutta (Calcutta Government Gazette) sind kürzlich einige Briefe von Guthrie erschienen, einem der unglücklichen Begleiter Moorcroft’s auf seinen Reisen durch Hoch- und Mittelasien. Da sie einige neue Aufschlüsse über die Schicksaale dieses berühmten Reisenden geben, so theilen wir den wesentlichen Inhalt derselben unsern Lesern mit.

Moorcroft trat seine letzte Reise von Bengalen aus vor ungefähr acht Jahren an, begleitet, außer einem zahlreichen Gefolge von eingebornen Dienern, die mit der Besorgung von Handelswaaren und Gepäck beauftragt waren, von dem Verfasser dieser Briefe, einem brittischen Ostindier und einem gewissen Trebeck, die aber beide, durch ein sonderbares und sehr verdächtiges Zusammentreffen, fast zu derselben Zeit mit Moorcroft starben. Die Gesellschaft erreichte Leh, die Hauptstadt von Ladakh, einem Hochlande, ungefähr halb so groß als England, an den Grenzen von Hlassa, der chinesischen Tartarei, Kaschmir, und der brittischen Provinz Bischeher, zwischen dem hohen Himalayagebirge und dem Korakorum oder Muztagh[1] im September 1820. Von hieraus ist folgender Brief vom Dez. 1820.

„Als ich Ihnen zuletzt schrieb, war die Rede davon, unsere Reise nach der Stadt Yarkund, welche den Chinesen gehört[2], fortzusetzen; seitdem hat sich aber ergeben, daß dieß im gegenwärtigen Augenblicke aus mehreren Gründen unausführbar ist. Das hauptsächlichste Hinderniß ist indessen unser Charakter als Feringhies (Franken); man behauptet, wir wären bloß unter dem Vorwande, Handel zu treiben, gekommen, unsere wahre Absicht aber sey, diese Gegenden zuerst unter irgend einer Verkleidung zu besuchen, um die Straßen und andere Localitäten kennen zu lernen, dann aber, wenn wir unseren Vortheil ersähen, mit einer Armee wiederzukehren und das Land zu erobern. Wir führen Waffen und andere Instrumente mit uns, theils zu Geschenken, theils zu unserem Vergnügen oder unserer Vertheidigung. Da Kaufleute nicht gewohnt sind, solche Waaren mit sich zu führen, so konnten wir Niemand überzeugen, daß sie zum Verkauf oder zu Geschenken bestimmt seyen, obgleich dem Rajah von Ladakh eine Vogelflinte gegeben wurde. Man blieb allgemein dabei, wir wären Spione und keine Kaufleute. Außerdem ist die Einführung von Waffen nach Yarkund verboten, seit die Chinesen davon Besitz genommen haben. Wenn aber auch keines dieser Hindernisse uns im Wege stände, so wäre schon der Mangel an Geld allein hinreichend, uns zurückzuhalten. Wir haben 200 Handkörbe mit Gepäck, und wenn wir unsere Reise antreten, müssen wir noch beinahe 200 Körbe Mehl zu unserm Unterhalt unterwegs mit uns führen, wovon der Transport allein, 60 Rupien für jede drei Körbe gerechnet, 8,000 Rupien kosten würde, ohne alle anderen Ausgaben; so daß wir beinahe 10,000 Rupien zu unserer Verfügung haben müssen, ehe wir mit einiger Sicherheit von hieraus weitergehen können. – Hafiz Mohammed Fazil, ein verständiger Mohammedaner von unserem Gefolge, wird nach Furruckabad gehen, um einige Waaren zu holen, die wir dort zurückgelassen haben, da es scheint, daß dieselben in den Städten Leh und Yarkund einen guten Markt finden würden. Wir wollen hierdurch versuchen, wenigstens einen bleibenden Handelsweg von Hindostan nach Leh zu eröffnen, wenn wir durch irgend ein ungünstiges Ereigniß verhindert werden sollten, weiter in die Tatarei vorzudringen.“

Der nächste Brief ist gleichfalls von Leh, den 1. August 1821 datirt, und bietet mehrere, besonders in Bezug auf den so oft besprochenen Plan einer Invasion in Ostindien sehr merkwürdige Details über die Bemühungen der russischen Regierung in diesen Gegenden dar:

„Die Schwierigkeiten unserer Reise nach Yarkund wurden vermehrt durch den Tod des Kaisers von China und noch mehr durch einen russischen Emissär, Namens Aga Mehdie, der seit fünf Jahren damit beschäftigt war, eine Verbindung mit diesen Gegenden anzuknüpfen. Auf einer früheren Sendung in Ladakh hatte er Kaschmirböcke für die Russen aufgekauft, um diese in den Stand zu setzen, in ihrem eigenen Lande das Material zu den Shawls zu gewinnen, für welche sie jetzt große Summen zahlen müssen. Da er diesen ersten Auftrag glücklich vollzogen, und dabei große Gewandtheit und Klugheit gezeigt hatte, so gewann er das Vertrauen des Hofes von Petersburg, wo er, ursprünglich Jude, sich zum Christenthum bekehrte. Er wurde aufs neue nach Asien gesandt mit Schreiben an die Fürsten dieser Gegenden und mit kostbaren Geschenken, deren Werth sich auf volle fünf Lacks Rupien belief. Ein Jahr nach seiner Abreise aus Petersburg kam er zu Yarkund an und dort ging er zum Mohammedismus über. Durch diesen Uebertritt und durch das Gewicht seiner Börse

  1. S. Asiatic Journal, Dec. 1825.
  2. In der jetzt empörten kleinen Bucharei.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_245.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)