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Das Ausland. 1,2.1828

einem kleinen Gitter umgeben. Gegen sieben Uhr öffnete sich die Thüre und herein traten die Gentlemen der Grafschaft mit ihren Dienern, neben den Wachen Pawlet’s, so daß die Zahl der Zuschauer etwa hundertundfünfzig bis zweihundert Personen betrug. Etwas vor acht schickte man zur Königin, welche antworten ließ, daß sie in einer halben Stunde bereit seyn werde. Nach Verlauf dieser Zeit trat der Sheriff Andrews in die Kapelle. Maria erhob sich, indem sie das Cruzifix des Altars in ihre rechte Hand nahm und das Gebetbuch in der linken hielt. Ihren Dienern ward verboten zu folgen; sie bestanden darauf: die Königin aber bat, sie möchten sich zufrieden geben, wandte sich dann noch einmal gegen sie, und gab ihnen ihren Segen. Sie empfingen ihn knieend, wobei einige ihre Hand, andere ihren Mantel küßten. Da schloß sich die Thüre, die lautausbrechenden Wehklagen derer aber, die drinnen blieben, tönten bis in dem Saale wider.

Maria ward nun von den Grafen und ihren Wachen empfangen. Als sie die Treppen hinabstieg traf sie an deren Fuß ihren Haushofmeister Melville, den man vor einigen Wochen von ihr entfernt hatte. Dieser alte Diener warf sich auf die Kniee und rief, die Hände ringend: „O ich Unglücklicher! wenn war je ein Mann auf Erden der Ueberbringer einer solchen Trauerbotschaft, wie ich nun seyn soll, wenn ich verkünden muß, daß sie meine gute und gnädige Königin und Herrin in England enthauptet haben!“ Da übermannte ihn der Schmerz, daß er nicht weiter reden konnte; Maria aber erwiederte: „Guter Melville, höre auf zu klagen: du hast mehr Grund zur Freude als zum Jammer, denn du sollst das Ende von Maria Stuart’s Kämpfen sehen. Erfahre nun, daß diese Welt nichts darbietet als Eitelkeit, und größerer Trübsal anheimgegeben ist, als man mit einem Ocean von Thränen beweinen kann. Doch ich bitte dich, verkündige, daß ich treu meiner Religion, treu gegen Schottland und Frankreich sterbe. Möge Gott dem vergeben, der lange nach meinem Blut gedürstet hat, wie der Hirsch dürstet nach den Wasserbächen. O Gott, du bist der Herr der Wahrheit selbst, du kennst die innersten Kammern meines Herzens, und weißt wie sehr ich stets die Vereinigung Englands und Schottlands wünschte. – Empfehle mich meinem Sohn, und sage ihm, daß ich nichts gethan habe, was der Würde oder Unabhängigkeit seiner Krone Nachtheil bringen, oder der angemaßten Oberherrschaft unserer Feinde förderlich seyn könnte.“ Nun brach sie in Thränen aus. „Guter Melville, lebe wohl, und bete für deine Herrin und Königin.“ Als etwas besonderes ward hiebei bemerkt, daß dieß das erstemal in ihrem Leben war, wo sie jemand mit Du angeredet hatte.

Sie trocknete ihre Thränen, kehrte sich von Melville und that die letzte Bitte, daß ihre Diener bei ihrem Tode zugegen seyn möchten. Der Graf von Kent entgegnete, daß sie durch das Jammern und Wehklagen derselben zu sehr bewegt werden würde, auch daß dieselben allerlei abergläubischen Unsinn treiben, vielleicht ihre Sacktücher in ihr Blut tauchen möchten. „Mylord,“ antwortete Maria, „ich will mein Wort für sie zum Pfande geben. Sie sollen keinen Tadel verdienen. Gewiß würde Eure Gebieterin, die jungfräuliche Königin, aus Rücksicht dafür daß ich ein Weib bin, gestatten, daß ich einige von meinen eigenen Frauen bei meinem Tode um mich habe.“ Da sie keine Antwort erhielt, fuhr sie fort: „Ihr würdet, glaube ich, mir eine noch weit größere Gunst gewähren, wenn ich eine Frau von niederem Stande, als die Königin der Schotten, wäre.“ Noch immer blieben die Grafen stille. Nun rief sie heftig aus: „Bin ich nicht die Cousine Eurer Königin, ein Abkömmling aus Heinrichs VIII königlichem Blute, eine verehlichte Königin von Frankreich und die gesalbte Königin von Schottland?“ bei diesen Worten begann der Fanatismus des Grafen von Kent nachzugeben, und es ward beschlossen, vier von ihren männlichen und zwei von ihren weiblichen Dienern zuzulassen. Sie wählte ihren Haushofmeister, ihren Arzt, ihren Apotheker und ihren Wundarzt, nebst ihren Frauen Kennedy und Curle.

(Schluß folgt.)


Schwedische Literatur.


(Fortsetzung.)

„Wistler,“ die dritte Tragödie, ist gleichfalls auf eine alte nordische Sage, bei Snorri Sturluson, gegründet. Wisbur, von dem Stamme der Ynglinger, die seit Odins Tode den Thron von Upsala besessen hatten, ist der glückliche Gemahl von Hildur. Ihr Glück wird indessen gestört durch die Ankunft von Oda, einer finnischen Fürstentochter, welche Wisbur verstoßen und verbannt hatte. Sie ist begleitet von ihren beiden Söhnen und verlangt die Auslieferung einer goldenen Kette, die Wisbur ihr als Hochzeitgeschenk gegeben hatte. Diese Forderung wird abgeschlagen, weil Wisbur die Kette seiner geliebten Hildur geschenkt hat. Oda fordert jetzt ihre Söhne auf, sie zu rächen; der Palast Wisbur’s wird gestürmt und verbrannt, Hildur wird von der goldenen Kette erdrosselt gefunden und Wisbur fällt durch die Hand seines Sohnes Gißler. Das Stück schließt mit einer Weissagung von der Inutwänn Huld, welche allen künftigen Besitzern der Kette Verderben prophezeiht und das ganze Geschlecht der Ynglingen inneren Zwisten weiht.

Diese drei Gedichte sind sämmtlich nach dem Vorbilde der griechischen Tragödie geschrieben und in jedem erscheint ein Chor; in den Bachanten verliert derselbe indessen seinen wahren classischen Charakter, indem er selbst Theil an der Handlung nimmt.

Die beiden Tragödien, „der Königsthurm“ und „die Märtyrer“ gehören der neueren oder romantischen Poesie an. Die unverantwortlich schlechte Wahl des Stoffes in „dem Königsthurm“ wird durch die vielen äußerst poetischen Stellen, die dieß Stück enthält, kaum gut gemacht. Olivia, die Gemahlin des Grafen von Rheinfels, wird, eines Bruches ihrer ehelichen Treue wegen, in einem geheimen Verließ gefangen gehalten. Ihre Tochter Mathilde, die das Geheimniß von einem treuen Diener erfahren hat, fleht um die Befreiung ihrer unglücklichen Mutter; worauf der Graf, von einer unheiligen Leidenschaft für sein

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_242.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)