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Das Ausland. 1,2.1828

Und doch, wir wiederholen es, ist der Afrikaner, trotz seiner wolligen Haare, seiner platten Nase und seiner aufgeworfenen Lippen, ein Mensch wie wir. In unserem grausamen aber feigen Geiz wagten wir es nicht, in das Innere seines Landes einzudringen; wir umschlichen nur seine Küsten, rissen ihn von seinen Feldern, und schleppten ihn in unsere Schiffe, um ihn unter fremdem Himmel zum Sklaven unserer Habsucht und unserer Willkür zu machen. Endlich ist die Stimme der Menschlichkeit, zu lange schon unterdrückt, erhört worden: die Könige Europa’s haben erklärt, der Afrikaner ist frei!

Aber es genügt nicht, ihn für frei zu erklären, wenn man ihm nicht zugleich das verleiht, was der Freiheit allein Werth gibt; man muß ihm Bildung und Aufklärung geben. Noch unheilbringender als Wüsten und Klima umgibt der muselmännische Fanatismus von allen Seiten das unglückliche Afrika. Er steht davor als Hüter, und bewacht seine Beute. Stets vergrößert sich sein Gebiet. Bereits hat er mehrere Provinzen des Innern sich unterworfen; er herrscht in Sudan; er lebt in der Wüste, unter den zahlreichen Tuariks; in Abyssinien triumphirt er über das Evangelium, und halb Tombuktu gehorcht seinen Gesetzen.

Unserer Beharrlichkeit gelingt es vielleicht, ganz Afrika zu durchstreifen. Der Islamismus, geblendet von unserem Gold, läßt uns freie Bahn; aber stets wird er als Hüter uns zur Seite gehen, und unermüdet jeden unserer Schritte bewachen. Wir können auf diese Art Charten entwerfen, Pflanzen und Steine sammeln, Bücher schreiben und unsere Kabinette bereichern; der unglückliche Bewohner Afrikas aber wird nach wie vor in Finsterniß und Unterdrückung bleiben. Keineswegs also dadurch, daß wir unsere bisherigen Opfer noch vermehren, daß wir dem Islamismus Geleits- und Lösegelder bezahlen, daß wir furchtlose Reisende in die Wüste zum gewissen Tode schicken, wird es uns gelingen den gesellschaftlichen Zustand des Negers zu verbessern. Blos wenn es möglich ist eine fortlaufende Kette der Mittheilungen zwischen diesen fernen Ländern und Europa herzustellen, blos indem wir den Afrikaner uns selbst näher bringen, werden wir es ihm vielleicht möglich machen, feste gesellschaftliche Formen in der Heimath zu gründen.

Dieß sind die hochherzigen Ansichten von denen Hr. Drovetti ausgeht. Aegypten, die Wiege der Civilisation, kann sie nicht mehr selbst zur Ausführung bringen, aber es kann wenigstens dazu wirksame Beihülfe leisten. Jährlich kommt dahin mit den Caravanen eine große Zahl junger Neger aus den verschiedenen Provinzen des Innern. Bereits hat Mahomed Aly angefangen, sie aus ihrem frühern gesunkenen Zustande etwas zu heben. Anstatt zu erlauben, daß sie, wie sonst, auf den Märkten verkauft würden, um den Launen der Harems zum Spielwerk zu dienen, gab er ihnen die Waffen in die Hand, und machte sie zu Soldaten; Menschen aus ihnen zu bilden, ist Europa vorbehalten.

In dieser Absicht will Hr. Drovetti jährlich eine Anzahl dieser jungen Afrikaner nach Frankreich senden, damit sie in unsern Schulen ihren Geist entwickeln, auf unsern Universitäten unsere Gesetze und die reiche Erfahrung der Völker und Zeiten kennen lernen. Die jugendlichen Gemüther, für jeden Eindruck empfänglich, werden mehr und mehr von jener begeisternden Philosophie erfüllt werden, welche Menschen an Menschen, Volk an Volk knüpft. Zurückkehrend in ihre Heimath, werden dort die neuen Ideen von Stamm zu Stamm, von Oase zu Oase wandern; die Geister werden erwachen, und so gelingt vielleicht einigen Jünglingen, was so viele Jahrhunderte nicht zu erreichen vermochten.

Dieß ist die summarische Auseinandersetzung des Entwurfs, den Hr. Drovetti micht bat, Ihnen vorzulegen. Es wäre eine Beleidigung Ihrer Einsicht, wenn ich es Ihnen nicht überlassen würde, selbst alle die wichtigen Folgerungen zu ziehen, die sich daraus ergeben müssen. Das Project ist nicht von heute; es ward schon 1811 entworfen. Schon damals besprach sich Hr. Drovetti darüber mit seinen Correspondenten. Die politischen Stürme jener Zeit erlaubten nicht die Ausführung dieser Idee des Friedens; jetzt aber, wo Ruhe an die Stelle der Bewegung getreten und, wenigstens bei uns, die ängstliche Sorge vorüber ist, darf man aufs neue den Blick in die Ferne richten.

Hr. Drovetti wird daher auf seine Kosten eine Anzahl junger Neger nach Paris schicken, damit sie hier Gelegenheit erhalten, sich zu bilden und mit den Vortheilen der Civilisation bekannt zu werden. Die gelehrten Gesellschaften werden so hochherzigen Absichten freudig entgegen kommen, vor allen aber muß die unsrige es sich angelegen seyn lassen, sie zu unterstützen, weil sie davon, mehr als jede andere, die herrlichsten Früchte sich versprechen darf. Vorzüglich müssen wir von der Behörde die unentgeldliche Aufnahme jener jungen Neger in unsere Schulen zu erlangen suchen, da Hrn. Drovetti schon die bloße Zusendung derselben große Opfer kosten wird.

Es ist selbst wahrscheinlich, wenigstens wollen wir uns vorerst mit diesem Glauben schmeicheln, daß nicht allein in Frankreich, sondern auch in dem übrigen Europa manche reiche Capitalisten, vielleicht selbst einzelne Regierungen dieser menschenfreundlichen Handlung sich anschließen und ihr alle Ausdehnung, die sie verdient, geben werden. Wie dieß aber auch werden mag – stets wird es ruhmvoll für Hrn. Drovetti bleiben, zu diesem neuen gesellschaftlichen Gebäude den ersten Stein gelegt, stets wird es ehrenvoll für uns seyn, zu seiner Aufrichtung mit die Hand geboten zu haben.



Betrachtungen über die Völker und Regierungs-Formen Asiens.


(Fortsetzung.)

Asien ist das Land der Fabeln, der phantastischen Imaginationen und Träume. Welch wunderbaren Wechsel, und, ich möchte sagen, welch beklagenswerthe Verschiedenheit bemerkt man nicht in der Art, mit welcher die menschliche Vernunft, ihres Führers beraubt, blos ihren Inspirationen anheimgegeben, jenes erste Bedürfniß der

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_216.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)