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Das Ausland. 1,2.1828

Unter die dritte werden die eben erst aus Indien ankommenden und diejenigen gezählt, welche wegen schlechter Aufführung aus einer höheren Klasse zurü sind. Diesen wird, außer Kleidung, Kost und Tabak nichts abgereicht.

Die ganz Unverbesserlichen werden zu keiner Klasse gerechnet, sondern in Ketten geschlagen und zu schwerer Arbeit, als dem Straßenbau oder ähnlichen Beschäftigungen, zu Marlborough oder auf dem Ratteneiland, gebraucht.

(Fortsetzung folgt.)


Der Herzog von Orleans.


(Schluß.)

Dieser Umstand bestärkte die Lady in ihren Vermuthungen, und sie entschloß sich, jedes Mittel anzuwenden, um sich Gewißheit zu verschaffen. Was die Identität der Namen betraf, so bekam sie darüber bald Licht. Die Domaine Joinville in Lorraine gehörte 1773 dem Herzoge von Orleans: einer der Söhne des Herzogs führte den Titel Herzog von Joinville. Als die Herzogin von Chartres zum zweiten Mal Italien besuchte, reiste sie unter dem Namen einer Gräfin von Joinville, eine Thatsache, welche die Gazzetta di Parma von 1776 in ihrer 28ten Nummer bezeugt. Roger de Fon Colombe, (in einem Brief vom 15. Mai 1776 an Marquis Paolucci,) erzählt die Ankunft der Herzogin von Chartres in Reggio, mit der Bemerkung, daß sie den Namen Gräfin von Joinville angenommen habe. Er fügt ein Verzeichniß der Personen im Gefolge Ihrer Hoheit bei – darunter befand sich Frau von Genlis. Es wird hier angenommen, daß die Gräfin von Joinville von 1776 und die von 1773 die nemliche war. Glaubwürdige Personen setzen die Sache außer Zweifel. D’E. erklärt, daß er im Anfang des Jahres 1773 (damals 22 Jahr alt) mit einigen Personen, die zum Haus des Herzogs von Orleans gehörten, in Verbindung stand, und daß der Herzog von Chartres auf Reisen war. Die Baronin V. und ihr Bruder sagen, daß sie im Anfang des Jahrs 1773 in Rom waren, als der Herzog von Chartres daselbst unter dem Namen eines Grafen von Joinville ankam; er verweilte einige Zeit, scandalisirte den französischen Adel durch seine zügellosen Ausschweifungen, und setzte dann seine Reise durch Italien als Graf von Joinville fort. Bald darauf findet man ihn in Reggio, in der Nähe von Modigliana. Nach der Angabe der Madame H., welche 1773 Ehrendame bei der Herzogin von Este, der Mutter des gegenwärtigen Herzogs von Modena, war, „hatte bei der Ankunft des Herzogs und der Herzogin von Orleans im Frühjahr 1773 in Reggio, die Herzogin von Este ihren Obersthofmeister, den Grafen Menetti, abgeschickt, um II. Hoheiten zu beglückwünschen und sie einzuladen, in ihrem Palaste abzusteigen. Graf Manetti kehrte mit dem Dank des Herzogs und der Herzogin zurück, die indessen die Ehre unter dem Vorwande ablehnten, daß sie nur eine Nacht in Reggio zu verweilen und unter dem Namen Graf und Gräfin von Joinville weiter zu reisen gedächten.“ Dieselbe Dame ist auch Zeugin in Bezug auf die zweite Reise der Herzogin von Orleans im J. 1776, welche dieselbe allein, gleichfalls unter dem Namen einer Gräfin von Joinville, machte. Damals setzte der Vater der Zeugin auf Befehl des Herzogs von Modena einen Palast für die Herzogin von Orleans in Bereitschaft.

Indem Madame H. bemerkt, daß den Grafen Manetti bei der oben erwähnten Sendung mehrere Personen vom modenesischen Hofe begleiteten, fügt sie noch eine Schilderung des Herzogs von Orleans bei, nach welcher derselbe ein schöner, gut gewachsener, munterer Mann, mit einem runden, blatternarbigen Gesichte und einer etwas rothen Nase war, der kleine Ringe in den Ohren trug. Sie beruft sich auf den Kammerherrn des Herzogs von Modena, der ihre Aussage bestätigen soll. Einiger Umstände der Reise von 1773 erinnern sich noch mehrere Personen; unter Andern M.–, ein Franzose, der in demselben Jahre in Rom war: er sagt, die Herzogin von Chartres, die als Gräfin von Joinville nach Rom gekommen, seye über ihre nicht sehr glänzende Aufnahme daselbst höchst unzufrieden gewesen. Der Graf Du– will von seiner Mutter, der Prinzessin De–, einer vertrauten Freundin der Herzogin von Chartres, gehört haben, daß die Herzogin, vor ihrer Reise mit Frau von Genlis in Italien, dieß Land – und zwar als Gräfin Joinville, bereiste. Die Prinzessin De– ist nicht mehr. – Endlich will der Priester N. – die Herzogin auf ihrer Rückreise aus Italien, auf dem Weg von Alexandria nach Piemont, gesehen haben.

Zu allen diesen Angaben kommt als ein wichtiges Moment hinzu die völlige Unähnlichkeit des vorigen und des jetzigen Herzogs von Orleans und die auffallende Aehnlichkeit der Lady Newborough mit der Schwester des jetzigen Herzogs.

Der vorstehende Roman hätte keinen Werth, wenn nicht durch ihn die Vermuthung von der Existenz einer Orleanistenpartei, gegen welche er als ein politisches Manöver betrachtet werden kann, neue Bestätigung erhielte.

Die ersten Spuren einer Partei, welche den Herzog von Orleans zum Thron ruft, zeigen sich um die Zeit der Restauration. Im Gefühl ihrer Schwäche, und aller Popularität ermangelnd, verhielt sich indessen diese Partei anfänglich ruhig: sie zog sich vom Hofe zurück, ohne sich gegen den Hof zu erklären, und trat nicht eher aus ihrem Dunkel hervor, als ums Jahr 1820, als die zahlreichen damals ausbrechenden Verschwörungen ihr zu beweisen schienen, daß der Widerwille gegen die regierende Linie allgemein und folglich eine Thronveränderung zu Gunsten ihres Candidaten nunmehr ausführbar sey.

Wäre in jener kritischen Periode der Herzog von Orleans den Planen der französischen Unzufriedenen beigetreten, wer will entscheiden, ob er sich nicht hätte unter den obwaltenden Umständen auf den schwankenden Thron des alten Königs setzen können? Aber obgleich tief gekränkt über die beleidigende und abstoßende Weise, mit welcher ihn der Hof behandelte, obgleich unermeßlich reich und ehrsüchtig genug, um sich nach dem Erbe des heiligen Ludwigs gelüsten zu lassen, unterdrückte er seine Empfindlichkeit und seinen Stolz, und ließ aus Unentschlossenheit und Geiz die Gelegenheit vorbeigehen.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_213.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)