Seite:Das Ausland (1828) 212.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Sumatras und aller jener Länder belohnt wurde, in denen man den Schiffen, die aus den Häfen Portugals, der Niederlande und Großbritanniens kamen, eine freundliche Aufnahme bereitet hatte.

Noch bleibt uns das chinesische Reich übrig, jene ungeheure Aggregation von Staaten und Nationen, welche seit dreitausend Jahren an dem andern Ende unseres Continents das ist, was einst in dem Occidente vier Jahrhunderte lang Rom, und ein Menschenalter lang das Reich Karls des Großen war – ein Mittelpunkt der Macht, des politischen Einflusses und intellektueller Ueberlegenheit. Hier erblicken wir ein ganz neues Schauspiel – Gelehrte, einig unter sich und friedlich sich verständigend, um die Erhaltung von zwei oder dreihundert Millionen Menschen zu sichern. Dieß ist der einzige asiatische Staat, der noch ein Prinzip der Dauer, eine Bürgschaft der Stabilität darbietet; denn, trotz der Wünsche und Drohungen gewisser übelgelaunten Diplomaten, und einiger ehrgeizigen Geographen, denen Eroberungen nichts kosten, hat es doch noch gar wenig Anschein, daß China durch die Theehändler von Canton sobald zerstückelt oder durch die moscovitischen Kosaken erobert werden sollte – ein Ereigniß, welches man freilich in London und St. Petersburg als unendlich vortheilhaft für die Civilisation betrachten würde.

Noch habe ich, in diesem schnellen Ueberblick, nichts von Tibet gesagt, ein Land, das die Schüler Baylli’s und Volney’s so eifrig anempfahlen, weil sie es als schon lange vor der Sündfluth hochcivilisirt glaubten, das aber bei etwas näherer Untersuchung keine andern Vorzüge als die höchsten Berge und die feinwolligsten Schafe besaß. Auch jene Tartarei haben wir noch nicht erwähnt, welche auf unsern Charten noch immer die unabhängige genannt wird, ungeachtet sie schon seit hundert Jahren China und Rußland gehorcht. Diese weitausgedehnten Länderstrecken, von denen so viele Geißeln der Menschheit ausgingen, wurden, als ihre Zeit gekommen war, auch ihrerseits von ihren alten Vasallen unterjocht, und von den zwei hohen contrahirenden Parteien freundschaftlich getheilt, ohne daß irgend jemand dabei zu Schaden gekommen wäre, als etwa die eingeborne Bevölkerung, welche man bei einigen Gelegenheiten auszurotten sich veranlaßt sah, was aber weder unsere Politiker noch unsere Geographen der Beachtung für würdig halten konnten. Europa kümmert sich nicht um solche Kleinigkeiten; erst die kürzlich erschienene neue Auflage des russischen Atlas belehrte uns, daß vor noch nicht langer Zeit ein Länderstrich, größer als Frankreich, mit dem Gouvernement von Siberien vereinigt wurde, nicht durch eine Armee, noch weniger durch einen Vertrag, sondern durch einen Ingenieur-Geographen, welcher eine rothe Linie um jenen ganzen Theil des Landes der Kirgisen zog, der hier seinem Pinsel und dem Gutdünken seiner Vorgesetzten eben just an geschickter Stelle lag.

(Fortsetzung folgt.)


Briefe aus Sumatra von einem Holländer.


(Fortsetzung.)


Eine große Anzahl breiter und schöner Straßen trägt dazu bei, die Nachbarschaft und Umgegend dieses Etablissements zu verschönern. Des Morgens zwischen halb sechs und sieben Uhr und des Nachmittags zwischen fünf und halb sieben, ist man sicher, drei Viertheile der europäischen Bevölkerung, Männer, Weiber und Kinder in Palanking-Wagen, Buggies, oder zu Pferde anzutreffen.

Ein sehr angenehmer Weg, zwölf Meilen lang, geht von dem Fort Marlborough nach Pamattambalam, einer Caffee-, Muscatnuß- und Gewürznägelein-Pflanzung der Regierung. Der Gouverneur Rastles hat hier ein sehr schönes Landhaus, in welchem er sich fast beständig aufhält.

Alles, was hier wächst, ist in dem vollkommensten Stande; man spart hiezu weder Mühe noch Kosten. Der Kaffee gedeiht vortrefflich; aber welche Sorge trägt man auch nicht dafür! Ich habe verschiedene junge Bäumchen gesehen, die durch Atappenschirme vor Sonne und Wind beschützt waren. Die Gegend um Pamattambalam ist hüglich und hat viele Aehnlichkeit mit einigen Strichen auf Java, man vermißt aber das Reizende, das wir auf Java durch unsere Sawafelder[1] und von Gebüsch umgebene Dörfer (Kampongs) haben. Fließendes Wasser und Bevölkerung, die beiden Haupterfordernisse, um ein Land zur Wohlfahrt zu bringen, sind hier selten. Von Marlborough bis Pamattambalam habe ich nur einen sehr unbedeutenden kleinen Bach entdeckt und außer den Plantagen der Europäer nur drei kleine Kampongs gesehen. Die Häuser in diesen Kampongs sind ziemlich hoch, und gleich denen in unsern batavischen Oberlanden gebaut.

Die inländische Bevölkerung wird für sehr träge und unthätig gehalten, was man verschiedenen Gründen zuschreibt, besonders der früher bestandenen erzwungenen Lieferung einer bestimmten Quantität Pfeffer, durch deren Abschaffung sie indessen bisjetzt noch nicht zu besseren Menschen gemacht wurden.

Dem Mangel an Menschen und vorzüglich an fleißigen Arbeitern sucht die Regierung durch die Einführung von Verbrechern aus dem westlichen (Ost-)Indien abzuhelfen. Sumatra’s Westküste ist für Ostindien das, was Neuholland für Großbritannien ist. Derselbe Administrationsplan, wie zu Port-Jackson, wird, wie es mir schien, auch hier befolgt.

Der Gouverneur hat die Verbrecher in drei Klassen getheilt.

Zu der ersten gehören diejenigen, die ununterbrochen eine lange Zeit hindurch, Beweise ihrer Besserung gegeben haben; sie erhalten außer Kleidung, Nahrung und Tabak, einen spanischen Piaster des Monats, genießen alle Rechte der freien Eingebornen, vor deren Gerichtshöfen sie zu Recht stehen und Zeugniß ablegen können. Nicht selten werden sie ganz von den öffentlichen Arbeiten entlassen und ihnen die Erlaubniß gegeben, sich häuslich einzurichten, für ihre eigene Rechnung zu arbeiten und sich anzubauen, wozu ihnen dann ein Stück Landes umsonst zugestanden wird.

Zur zweiten Klasse gehören die sogenannten Zweifelhaften: das ist diejenigen, welche bloß während einer kurzen Zeit Proben von gutem Betragen und Besserung gegeben haben; sie erhalten, außer Kleidung, Nahrung und Tabak, einen halben spanischen Piaster des Monats.

  1. Bewässerte Felder, auf denen der Reis wächst.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_212.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)