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Das Ausland. 1,2.1828

Man sagt, Lady Newborough habe nichts unterlassen, hierüber Gewißheit zu erlangen. sie reiste nach Paris. Würde der Gegenstand ihrer Nachforschungen – dachte sie – sogleich bekannt, so könnte in der Familie Joinville (wenn eine solche existirte) Lärm entstehen, und dieser Umstand leicht ihren ganzen Plan vereiteln. Was that sie also? Sie ließ in die Zeitungen die Anzeige rücken, eine englische Lady, die sich einige Tage in Paris aufhalte, sey beauftragt, über den Grafen von Joinville, der 1773 eine Reise in Italien gemacht habe (oder über seine Descendenz), Erkundigungen einzuziehen, um demselben wegen einer ihm zugefallenen unermeßlichen Erbschaft Mittheilungen zu machen. Sie versprach eine große Belohnung, wenn ihr Jemand schleunige Auskunft verschaffte, da sie genöthigt sey, ihre Rückreise nach London zu beschleunigen, und aus bloßer Freundschaft für eine italienische Dame die Besorgung dieser Angelegenheit übernommen habe. Bald erschien der Abbé von St. Phar, der natürliche Bruder des verstorbenen Herzogs von Orleans, bei der Lady; er kam, im Namen des (jetzigen) Herzogs von Orleans, um wegen der Erbschaft Kunde einzuholen. Lady Newborough bemerkte ihm, daß sie nicht absehe, was der Graf von Joinville den Herzog von Orleans angehe. Der Abbé, ohne sich übrigens auf nähere Erklärungen einzulassen, gab zu verstehen, daß bei dem Charakter des Herzogs von Orleans-Egalité diese anscheinend sonderbare Identität nicht unwahrscheinlich sey. Der Besuch war wegen des beharrlichen Stillschweigens der Lady nur kurz; sie versprach aber, am folgenden Tag Jemand zu dem Abbé zu schicken. Diese Person wurde Anfangs gut aufgenommen, erhielt jedoch keine bestimmte Aufschlüsse, und als man sich zu einer neuen Zusammenkunft einfinden sollte, war weit und breit kein Abbé von St. Phar.

(Schluß folgt.)


Neueste englische Literatur.


Leigh Hunt’s „Lord Byron und einige seiner Zeitgenossen.“

(Schluß.)

Von dem Unterhaltungstone Byron’s gibt Mr. Hunt uns einen sehr unvortheilhaften Begriff: „Lord Byron konnte keine Conversation führen, wenn wir dieß Wort im eigentlichen Sinne nehmen. Er war nicht im Stande seine Ideen oder Ansichten auszutauschen, wie man von einem wissenschaftlich gebildeten Manne erwartet. Seine Gedanken bedurften der Concentration der Stille und des Studiums, um zur Klarheit zu kommen, und legten dann das Resultat in Form einer Stanze nieder. Seine Bekanntschaft mit der Literatur war sehr beschränkt. Dieselbe persönliche Erfahrung indessen, die er sehr richtig als die Quelle seiner Schriftstellerei benutzte, würde ihn zu einem weit interessanteren Gesellschafter gemacht haben, als viele, die besser reden konnten; und der Grund, weshalb seine Unterhaltung die Erwartung täuschte, war nicht, daß er nichts zu reden gewußt hätte, sondern daß er von einer beständigen Affektation geplagt war, und nicht aufrichtig seyn konnte. Es waren nur vorübergehende Anfälle, wenn er im Ernst sprach, oder keine außerordentlichen Aufschlüsse (extraordinary disclosures) gab, indessen wußte man nie, was in seiner Rede Ironie war. Sein gewöhnlicher Ton waren Sticheleien und Scherze, aber nicht von der angenehmsten Art, und eben so weit von einfacher Gradheit als von wahrem Witze entfernt. Das Beste, was man davon sagten konnte, war, daß er wußte, daß Spielerei mit Größe verträglich ist, und das schlimmste, daß er glaubte, alles an ihm sey groß, selbst bis auf seine Gemeinheiten. – Wenn er diesen und jenen Anspruch aufgegeben hätte, so würde er wie ein Mann gesprochen haben, und nicht wie ein bloßer Elegant oder wie ein verzogener Schulknabe. Man darf jedoch hieraus nicht folgern, daß seine Scherze nicht zuweilen in der That sehr glücklich waren, oder daß Bewunderer Seiner Herrlichkeit, die ihm Besuche machten, ihn nicht oft mit noch größerer Bewunderung verließen; ich rede nur von seiner Unterhaltung im allgemeinen und von dem Eindruck, den sie machte, verglichen mit dem, was man von einem Manne von Geist und Welt erwarten konnte.“

„Seine Lieblingslectüre waren Geschichte und Reisebeschreibungen. Ich glaube, daß ich mich nicht irre, wenn ich Bayle und Gibbon seine Lieblingsautoren nenne. Gibbon war ein Schriftsteller, ganz gemacht, ihm zu gefallen. Er hatte eine gewisse Prunksucht, einen Weltton, eine Selbstgefälligkeit und ein Spiel mit Sarcasmen, eine Vorliebe für aristokratisches Wesen, mit einer Tendenz, in andern Punkten liberal zu seyn, und, um allen diesen Eigenthümlichkeiten die Krone aufzusetzen, den glänzendsten Erfolg in der literarischen und einen hohen und piquanten Standpunkt in der modischen Welt, lauter Eigenschaften, welche die stärkste Sympathie in dem Busen seines adelichen Lesers fanden. Dazu kam, daß Gibbon in seinem Privatleben ein wollüstiger Einsiedler war; er hatte seinem Aufenthalt in der Fremde Celebrität gegeben, besaß die schuldige Achtung vor den Verdiensten des Ranges und des Reichthums, und war endlich, was vielleicht nicht als unbedeutend betrachtet werden darf, gleich Byron kein Redner im Parlament. Ich füge noch hinzu, daß sein mühsam ausgearbeiteter Stil dem Freunde des Erkünstelten in der Poesie gefiel, während der cynische Genius seiner Satire sich an dem Gebilde eines Don Juans ergötzte. Endlich versah seine Gelehrsamkeit und Forschung den nachläßigen Schriftsteller mit dem Wissen, welches er in der Schule gelassen hatte.“

„Byrons Büchersammlung war arm, und bestand größtentheils nur aus neueren Werken. Ich erinnere mich wenig mehr bei ihm gesehen zu haben, als die bekannten Basler Ausgaben englischer Werke und einige neuen, die ihm gelegentlich von England gesandt wurden. Er vergaß nie, darauf aufmerksam zu machen, daß er Shakspeare und Milton nicht besäße; „weil,“ sagte er, „man ihn beschuldigt hätte, von ihnen geborgt zu haben.“ Er affectirte zu zweifeln, ob Shakspeare ein so großer Genius gewesen sey, als man angenommen, und ob nicht ein großer Theil an dieser Meinung auf Rechnung der Mode komme – eine Verleugnung, deren sich nur ein hochadlicher

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_209.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)