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Das Ausland. 1,2.1828

Geistlichen in malaiischer Sprache gepredigt. Die Kirche hat eine sehr gute Orgel, und einige junge Mächen und Jünglinge bilden ein Chor, indem sie bei dem Singen von Psalmen und geistlichen Liedern den Ton angeben. Bis in diese Kirche hat der indische Engländer seinen geliebten Ponka (Hauptweher) eingeführt.

Die Wege in Marlborough sind breit und schön, und werden durch eine Anzahl zu den Ketten verurtheilter Missethäter im besten Stande erhalten. Diese Verbrecher gehen, gleich denen in Java, jeder besonders an einer Kette. – Nach sieben Uhr sieht man keinen Europäer mehr zu Fuß auf den Straßen.

Sogenannte Buggies und Palankinggefährte mit einem Pferde sind allgemein im Gebrauch, und außer der Kutsche des Gouverneurs habe ich keine andere Art von Fuhrwerk gesehen. Der Trag-Palankings, die im westlichen Indien so sehr in Gebrauch sind, bedient man sich hier nicht.

Das Etablissement von Bencoolen war vor dem Jahre 1714 6 Meilen weiter gegen Norden gelegen; der Ungesundheit des Orts wegen wurde es damals nach seiner jetzigen Lage versetzt; aber man ist allgemein einverstanden, daß es noch acht Meilen weiter südlich, wo die Pulubai einen sicheren Ankerplatz und ein ebener Grund einen für die Niederlassung von Europäern geeigneten Platz dargeboten hätte, besser und zweckmäßiger angelegt gewesen wäre. In und bei dem gegenwärtigen Etablissement sind viele Ungleichheiten des Bodens, Höhen und Vertiefungen, in welchen letzteren sich das Wasser sammelt, ohne ablaufen zu können, was der Gesundheit nachtheilige Dünste verursacht.

Von dem Fort kann ich keine genaue Beschreibung geben, da ich dasselbe nur von der Frontseite gesehen habe. Dort zeigt sich eine Bastion mit neun Schießscharten. Es soll indessen sehr schwach seyn, und ist nicht von dem geringsten Nutzen zur Abwendung einer Landung, da kein Feind so einfältig seyn wird, dieselbe in der Nähe des Forts zu unternehmen, sondern sie viel lieber in der Pulubai unter der Bedeckung seiner Schiffe ausführen wird, die dort bis dicht unter das Gestade laufen können.

(Fortsetzung folgt.)


Der Herzog von Orleans.


(Fortsetzung.)

Was wurde aber derweil aus der jungen Maria Stella und aus Chiappini? Da ist ein Zeuge, der beweist, daß sich der Gefangenwärter von 1773 in einer sehr armseligen Lage befand, nachher aber auf einmal in Wohlstand kam, eine schöne Wohnung bezog, und auf einem glänzenden Fuß lebte. Die Gräfin Borghi, welche im Geheimniß war, als die junge Maria Stella zum Verlust der Vorrechte ihrer Geburt verurtheilt wurde, suchte durch Aufmerksamkeiten und Liebkosungen das Mißgeschick des armen Kindes zu mildern. Im Hause der Gräfin verlebte es seine ersten vier Jahre; nach dem Zeugniß von D. B. jammerte die Gräfin oft über das Vorgefallene. Chiappini, um sich den Stichelreden derer zu entziehen, die seine frühere Lage und die Mittel, wodurch er sie verbessert hatte, kannten, entschloß sich Modigliana zu verlassen, und begab sich nach Faëna. Stella wurde in einem Kloster untergebracht. In der Sorgfalt, mit welcher sie erzogen, und in der Art, wie sie behandelt wurde, erkannte man nicht die Tochter eines Gefangenwärters. Lord Newborough lernte sie kennen, und bat um ihre Hand. Die Hochzeitfeier war glänzend. Man behauptete, der edle Lord habe sich einige Anzeigen in Betreff der hohen Abkunft seiner jungen und liebenswürdigen Gemahlin zu verschaffen gewußt, wenigstens soll er oft gesagt haben, er sey versichert, daß sie nicht von Chiappini abstamme. – Ungeachtet ihrer Erhebung benahm sich Lady Newborough gegen ihre Pflegeeltern mit derselben Achtung und Zärtlichkeit wie früher; aber für Chiappini waren ihre Aufmerksamkeiten eine wahre Verlegenheit. Unfähig, sie als seine Tochter zu betrachten, nannte er sie nie anders als Madame; er stand vor ihr wie ein Bedienter, nicht wie ein Vater; unaufhörlich sprach er von seiner Dankbarkeit, hieß sie seinen Schutzengel seinen Glücksstern etc. Chiappini wurde plötzlich krank; er rief laut nach Lady Newborough. Sie trat vor sein Bett; da stammelte er die Worte heraus: No figlia! no figlia! und, indem er krampfhaft ihre Hände faßte; Baratto! baratto! Bei diesen Worten wurde Lady Newborough von ihrem vermeintlichen Bruder weggeführt, und nach einem Landhause gebracht. Zwei Tage darauf starb Chiappini. Indessen fühlte er beim Herannahen der letzten Stunde, daß er das verhängnißvolle Geheimniß nicht mit ins Grab nehmen könne; er schrieb deshalb an Lady Newbourgh folgenden Brief:

„Mylady!

Ich stehe am Ziel meines Lebens, ohne daß ich Jemand ein Geheimniß mitgetheilt habe, das mich beunruhigt, und wobei Sie am meisten betheiligt sind. Es ist folgendes. An dem nehmlichen Tage, an welchem Sie geboren wurden – von einer Person, die ich nicht nennen kann, und die jetzt nicht mehr ist – gebar meine Frau einen Sohn. Ein Kindertausch wurde mir vorgeschlagen. Damals befand ich mich in schlechten Vermögensumständen; dieß vermochte mich, den mir unter sehr vortheilhaften Bedingungen gemachten Vorschlag einzugehen: Sie wurden meine Tochter, und der andere Theil nahm meinen Sohn. Ich sehe, der Himmel hat mein Vergehen gut gemacht, indem er Sie in eine glücklichere Lage versetzte, als Ihren Vater, und Sie auf eine der seinigen beinahe gleiche Stufe des Ranges erhob. Dieser Gedanke erleichtert meine letzten Augenblicke. Behalten Sie die Sache für sich, und schonen Sie mein Andenken. Ich bitte Ihnen meine Schuld ab. Noch einmal bitte ich Sie, lassen Sie die Welt nicht wissen, was doch nicht mehr zu ändern ist. Dieser Brief wird Ihnen nicht eher als nach meinem Tod zugestellt werden.

Lorenzo Chiappini.“

Lady Newborough empfing den Brief aus den Händen seines Beichtvaters, und es ist seitdem bewiesen worden, daß der Brief von Chiappini’s Hand war. Ist nun wirklich Lady Newborough die Tochter des Grafen von Joinville, so fragt sich, wer war dieser Graf von Joinville?


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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_208.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)