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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 50. 19. Februar 1828.

Briefe aus Sumatra von einem Holländer[1].


Bencoolen, d. 10. Dec. 1823.

Sonnabend, den 29. November, überraschte der anbrechende Tag mich und meine Reisegefährten mit dem entzückenden Anblick von Sumatras Westküste, vor einer langen Kette hoher und aneinanderhängender Berge, unter denen sich der sogenannte Zuckerhut (het Suikerbrood), dem seiner Gestalt wegen dieser Name gegeben worden und der in der Nähe von Bencoolen, etwas landeinwärts, gelegen ist, auszeichnete.

Ein sanfter, doch günstiger Wind brachte uns, noch vor Mittag, in das Gesicht des Etablissements, das mit seinen weißen Mauern und Häusern und dem Fort ein sehr angenehmes Schauspiel darbietet.

Die Rhede von Bencoolen ist 6 Meilen vom festen Lande, und ein sehr offener und unsicherer Ankerplatz für Schiffe, weshalb die meisten Seeleute in dem Nordwestmusson ihre Fahrzeuge zwischen den Canälen bei einer trockenen Stelle, nahe an der Ratteninsel (Rat-eiland), vor Anker legen.

Das Ratteneiland ist 6 Meilen WSW. von dem Fort Marlborough gelegen, und hat nur etwa eine Viertelmeile im Umkreis. Auf demselben ist ein Regierungspackhaus, ein europäischer Lootse und ein Hafenbeamter mit einigen verbannten Verbrechern. Es ist nicht weniger als selten, bei heftigen Nordwestwinden die Gemeinschaft zwischen dieser Insel, der Rhede und dem festen Lande viele Tage lang unterbrochen zu sehen.

Der zu Bencoolen an’s Land steigende Fremdling findet durchaus keine Schwierigkeiten, unangenehme Visitationen oder lästigen Aufenthalt, welche an anderen Orten so häufig vorkommen, und die natürliche Folge von bestehenden Aus- und Eingangszöllen sind, die man hier nicht kennt.

Die Lage des Etablissements ist, auch in der Nähe betrachtet, sehr schön, und macht einen äußerst angenehmen Eindruck.

Die Häuser der Europäer sind wegen der häufigen und heftigen Erdbeben unten von Stein und oben von Holz gebaut. Einige derselben sind mit Atap, andere mit einer Art von Sierappen gedeckt, welche aus dem Bast eines Baumes gemacht werden, den man in großer Menge auf den Poggie- oder Naussauinseln, 80 bis 90 Meilen NW. von hier findet. Die Häuser sind nicht dicht aneinander, sondern mit kleinen Zwischenräumen, etwas von einander getrennt, gebaut, wie die auf dem Königsplatz außerhalb Batavia, und die ganze Stadt ist von einer weißgetünchten Ringmauer von 6 Fuß Höhe eingeschlossen; das Gouvernementshaus ist sehr angenehm in der Mitte eines englischen Gartens und kleinen Parks gelegen; aus den obern Gemächern hat man eine weite Aussicht nach der See, über die Rhede und das Ratteneiland, Pulu-bai und Buffalu-Spitze, und man sieht die übrigen Häuser gleichsam einen Halbkreis um dasselbe bilden.

Das alte Gouvernementshaus liegt näher an der See. Vor demselben ist ein sehr prächtiges Monument errichtet, zum Gedächtniß des Residenten Parr, der vor 80 Jahren durch die Eingebornen meuchlerisch ermordet wurde. Die unteren Gemächer des alten Gouvernementshauses werden zu Militärbureaux, und die oberen meist zu Wohnungen für Fremde gebraucht; aus den letzteren hat man eine entzückende Aussicht auf die See und auf einen großen Theil der Stadt. Die Regierungsbureaux, der Rathsaal und die Schatzkammer sind in einem sehr schönen Gebäude vereinigt, dessen Fronte nach dem Gouvernementshaus zugekehrt ist.

In dem nordwestlichen Theil des Etablissements ist das chinesische Quartier; dieses hat keine schönen, sondern meist baufällige Häuser, die eben nicht von Wohlfahrt zeugen. Die meisten Chinesen sind arm. Sie besitzen hier entweder nicht die Betriebsamkeit derer von Java, oder nicht das weite und offene Feld und die gute Gelegenheit, sie in Anwendung zu bringen. Sie sind zwischen 6 und 700 an der Zahl. Sie werden als Landläufer und schlechtes Volk geschildert, und die vielfachen Criminalfälle, in welche sie häufig verwickelt sind, scheinen es glaubhaft zu machen, daß man sie hiebei nicht verläumdet.

Unter den öffentlichen Gebäuden darf ich nicht vergessen, eines sehr hübschen kleinen Kirchleins Erwähnung zu thun, worin der Gottesdienst der Episcopalen alle Sonn- und Festtage, des Vormittags um 11 Uhr, durch einen wiedertäuferischen Missionär (doopsgezinden zendeling) abgehalten wird. Diese christliche Verträglichkeit gereicht beiden Gemeinden sehr zur Ehre. Um 4 Uhr wird von demselben

  1. Brieven over Bencoolen, Padan, het rijk van Menang-Kabau, Rhiouw, Sincapoera en Poelopinang, Door den Kolonel Nahuijs, Ridder etc., laatst Resident aan de Hoven van Souracarta en Djocjocarta. Te Breda, bij E. B. Hollingerus Pijpers 1827. 8.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_207.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)