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Das Ausland. 1,2.1828

zu bilden. Als dieser Kongreß die Unabhängigkeit der Kolonien proklamirte, war noch von keiner dauernden Vereinigung der einzelnen Provinzen die Rede: sie hatten sich nur gegen den gemeinsamen Feind verbunden. Im J. 1778 bildeten diese Staaten einen Bund, der noch sehr fern von der Einheit war, die sich z. B. im deutschen Bunde darstellt (?). Ein Kongreß, aus Abgeordneten zusammen gesetzt, die in jedem Staate auf eine besondere Weise gewählt wurden, und die nach Staaten stimmten, hatte das Recht, Frieden zu schließen und Krieg zu erklären, die Bedürfnisse des Ganzen an Truppen und Abgaben unter die einzelnen Staaten zu vertheilen, Anleihen zu erheben, einen allgemeinen Münzfuß festzusetzen, das Postwesen zu organisiren, Admiralitäts-Höfe einzusetzen, und Streitigkeiten zwischen den Staaten zu entscheiden. Die einzelnen Staaten entsagten dem Recht, in Friedenszeiten für eigne Rechnung Truppen zu werben, aber jeder ernannte die Offiziere seines eignen Kontingents. Sie verpflichteten sich, nichts außerhalb des Kongresses mit einander zu verhandeln, und gegenseitig jeden Bürger eines andern Staates in dem ihrigen gleiche Rechte mit den eignen Bürgern genießen zu lassen. Die Staaten behielten das Recht, ihren inneren Handel zu ordnen, und hatten sich überhaupt alle Rechte vorbehalten, die sie nicht ausdrücklich auf den Kongreß übertrugen. Diese Artikel wurden erst 1781 ratificirt, und galten bis 1787. Man fühlte bald, wie schwach diese Verbindung sey, und daß sie zur Anarchie oder zum innern Krieg führen müsse. Eine neue Konstitution ward in Vorschlag gebracht, und nach manchen Kämpfen von den verschiedenen Staaten angenommen; sie bildet noch jetzt, bis auf einige geringe Verbesserungen, die Grundlage unserer Verfassung. Die Geschichte jeder Föderativ-Verfassung hat gezeigt, wie schwach eine Autorität ist, die sich nur an selbstständige Regierungen wenden kann. Um diesem Uebel abzuhelfen, beschloß man, der Gesammt-Regierung die Befugniß zu ertheilen, sich direkt an die Individuen zu wenden und sie zum Gehorsam zu zwingen. Zu diesem Zweck theilte man alle Gegenstände der Regierung in zwei Klassen: in solche, die die Gesammtheit, und solche, die nur jeden einzelnen Staat interessiren. Krieg und Frieden, Land- und Seemacht, auswärtiger Handel, Postwesen und Münzfuß gehören ausschließlich der Gesammt-Regierung an. Civil- und Straf-Gesetze, so wie die innere Verwaltung, blieben den einzelnen Staaten anheim gestellt. Die Armee aber ward ganz unabhängig von ihnen; sie hatten keinen Kontingent mehr zu stellen, sondern die Gesammt-Regierung konnte Truppen nach Belieben ausheben. Eben so ward diese völlig unabhängig von den einzelnen Staaten in ihren Ausgaben, in der Gründung eines Nationalschatzes, und dem Rechte, Abgaben zu erheben. Endlich ward ein Föderativ-Gerichtshof geschaffen, um Streitigkeiten zwischen Fremden und Bürgern, zwischen Bürgern verschiedener Staaten, und zwischen den verschiedenen Staaten selbst, nebst solchen Fällen zu entscheiden, in denen die Vereinigten Staaten Parthei sind. Auch die Admiralitäts-Juridsdiction ward demselben eingeräumt.

Diese Umgestaltung der Rechte des Kongresses machte auch eine Umgestaltung seiner Form erforderlich. So lange er nur über die verschiedenen Regierungen einige Autorität besaß, war es genügend, daß er aus den Bevollmächtigten derselben bestand; so wie er aber auf Individuen wirkte, mußten auch sie darin repräsentirt werden. Daraus folgte die Nothwendigkeit zweier Kammern. Der Senat, die erste dieser Kammern, befaßt zwei Mitglieder von jedem Staate, ohne Unterschied seiner Bevölkerung. Diese werden auf 6 Jahre von der gesetzgebenden Gewalt des einzelnen Staates ernannt, und empfangen von derselben bestimmte Instructionen. Die Kammer der Repräsentanten besteht aus den Abgeordneten der in Wahldistrickte von 40,000 Seelen eingetheilten Bewohner der verschiedenen Staaten; sie sind von keiner Instruction abhängig, und verwalten ihr Amt zwei Jahre. In beiden Kammern werden die einzelnen Stimmen gezählt; der übereinstimmende Wille beider Kammern ist nöthig, um ein Gesetz zu geben. Die exekutive Gewalt übt der Präsident, der auf 4 Jahre erwählt wird, in Verbindung mit dem Senat.

Auf diese Weise wirkt jeder Bürger bei der Ausübung der drei verschiedenen Gewalten mit, und wird dreimal repräsentirt; 1) als Bürger seines Staates in dessen gesetzgebendem Körper; 2) als Bürger der Vereinigten Staaten in der Kammer der Abgeordneten; 3) als Glied der Konföderation und Theil eines souverainen Staats im Föderativ-Senat. Der Kongreß ist daher aus zwei Elementen, einem centrifugalen und einem centripetalen zusammengesetzt. Der Senat vertritt die vereinzelten Interessen der besonderen Staaten, die Kammer der Abgeordneten die Interessen des Volks im ganzen, als der Gesammtheit der Bürger der Vereinigten Staaten. Aus dieser verwickelten und durchaus neuen Ordnung der Dinge entsteht ein System der Wechselwirkung und des Gleichgewichts, das alle früheren Institutionen ähnlicher Art an Zweckmäßigkeit bei weitem übertrifft. Die Kraft einer solchen Regierung ist nicht zu berechnen: sie ist so organisirt, daß die leiseste Richtung der öffentlichen Meinung unmittelbar und unwiderstehlich auf sie einzuwirken im Stande ist.

(Fortsetzung folgt.)


Die Ultraisten und die Constitutionellen in Frankreich.


(Fortsetzung.)

Wir haben auf das unbestreitbare aber negative Verdienst des Villele’schen Ministeriums hingewiesen: er hat den Ultraisten ihr eigenes System entleidet und dadurch die Rückkehr zur Mäßigung vorbereitet. Vor Villele’s Ministerium konnte man oft sagen hören, eine royalistische Verwaltung thue Noth; Villele gab sie Frankreich. Seit jener Zeit sind manche Hindernisse des royalistischen Geistes in Frankreich verschwunden, manche Wunden, welche die Restauration geschlagen, sind vernarbt, die Heroen und die Märtyrer des Bonapartismus mit ihren glorreichen Erinnerungen sind von der Bühne abgetreten – und doch will Frankreich keine royalistische Verwaltung à la Villele mehr. Was ist nun die Ursache? Wenn Uebereinstimmung in Grundsätzen und Gesinnungen, die Gunst und das Vertrauen des Monarchen, eine ergebene Majorität

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_192.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)