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Das Ausland. 1,2.1828

man Eisenbahnen in allen Richtungen von einem Ende des Königreichts zum andern anlegen, auf welchen ganze Reihen aneinander gehängter Postkutschen durch vorgespannte Dampfwagen (locomotive Engines) mit einer unglaublichen Geschwindigkeit fortgezogen werden sollten.[1]

Ein am 27. September 1825 auf einer Eisenbahn von 12 englischen Meilen in der Länge zwischen Stockton und Darlington in der Grafschaft Durham vorgenommener Versuch konnte für die Ausführbarkeit dieses Projektes in so weit als gelungen und entscheidend gelten, als man sich mit einer mäßigen Geschwindigkeit begnügen wollte, indem ein aus 38 aneinander gehängten Fuhrwerken verschiedener Art, deren Gesammt-Ladung an Menschen, Steinkohlen und andern Produkten 90 Tonnen oder 1525 bayerische Centner betrug, durch eine einzige vorangehende locomotive Engine in 3 Stunden und 7 Minuten von einem Ende der Bahn zum andern gezogen wurde, so daß in einer Stunde 4 englische Meilen, oder 13/5 geometrische Stunden-Längen zurück gelegt wurden.

Diese Wirkung blieb indessen weit hinter den überspannten Forderungen und Erwartungen John Bulls zurück, welcher schon von einer Geschwindigkeit von 20 bis 25 Meilen in jeder Stunde geträumt hatte, ohne zu bedenken, daß bei einem solchen tollen Rennen schwer beladener Wagen, wenn es auch bewirkt werden könnte, Fuhrwerke, Maschinen und Eisenbahnen jeden Augenblick in tausend Trümmer zu gehen Gefahr laufen müßten, an ein zeitiges Hemmen oder zum Stillstand-bringen einer mit so ungeheuerm Moment bewegten Masse, da wo dieses nöthig würde, aber gar nicht zu denken wäre. Und so trug dieses Dissappointment vorzüglich dazu bei, daß die meisten jener riesenhaften Unternehmungen von Eisenbahnen, welche bereits öffentlich angekündigt waren, wobei man aber hauptsächlich auf einen schnellern Transport von Briefposten und Reisenden gerechnet hatte, bald wieder aufgegeben wurden, und die zu diesem Ende bereits gebildeten Gesellschaften sich wieder auflösten.

Wenn nun aber einige mechanische Ultras oder Dilettanten in der Mechanik sich dennoch in den Kopf gesetzt haben, ein Resultat, das auf den vollkommensten, leichtesten und sichersten Kunststraßen (den Eisenbahnen) nicht zu erreichen war, auf den gewöhnlichen Landstraßen zu erzwingen, so kann dieses Unternehmen nur einem Mangel an gründlichen wissenschaftlichen und praktischen Kenntnissen, einer beinahe unbegreiflichen Verwirrung von Begriffen zugeschrieben werden. Doch auch diese Manie wird vorübergehen, und nach einigen tausend, auf verunglückte Versuche dieser Art verschwendeten Pfund Sterling, vielleicht nach einigen gebrochenen Hälsen, wird man in England wieder zu dem einzig heilbringenden Systeme der Eisenbahnen zurück kommen, und durch eine verbesserte Anordnung dieser Bahnen und der dazu gehörigen Wagen denjenigen höchsten Grad von Vollkommenheit im Transport-Wesen zu erreichen suchen, welcher vernünftigerweise zu erwarten ist.

Daß ich übrigens nicht der Einzige bin, welcher über diesen Gegenstand so urtheilt, und daß es auch in England gründliche und nüchterne Mechaniker gibt, welche derselben Meinung sind, mögen folgende Stellen aus den neuesten Werken von zweien der ausgezeichnetsten englischen Schriftsteller über Maschinen- und Fuhrwesen beweisen.

Herr Charles Frederick Partington drückt sich in einer 1822 zu London erschinenen Geschichte der Dampfmaschine: An historical and descriptive account of the Steam-Engine, p. 51, folgender Maßen aus: „Die Anwendung der Dampfmaschine zum Forttreiben von Wagen auf öffentlichen Landstraßen ist bis jetzt als eine übertriebene Künstelei in der Mechanik, und mehr wie eine wünschenswerthe als wie eine vernünftiger Weise zu erwartende Sache betrachtet worden: (A refinement in Mechanics, rather to be wished for than a matter of reasonable expectation): – Man hat zwar behauptet, daß ein Wagen dieser Art in Irland gebaut worden sey, welcher mit einer Last von 4 Tonnen (80 Centner) fünfzehn englische Meilen in einer Stunde zurück legen sollte. Allein es ist, wie wir denken, einleuchtend genug, daß diese Art von Anwendung eines ersten Motors auf einer gewöhnlichen Landstraße im höchsten Grade verderblich seyn, und eine bedeutende Erhöhung in den Kosten des Transportes zur gewissen Folge haben würde, (would be in the highest degree destructive, and a considerable increase in the toll would be the certain consequence.“)

Herr Thomas Gray in der fünften Auflage seines oben angeführten Werkes: Observations on a general Iron Rail-Way, London 1825, sagt (S. 71–72) „Was immer für Versuche (attempts) gemacht werden mögen, Dampfwagen oder andere mechanische Fuhrwerke auf gewöhnlichen Landstraßen einzuführen, so sind die damit verbundenen Gefahren und Unbequemlichkeiten so auffallend, daß es kaum nöthig ist, über das Ungeeignete eines solchen Planes eine Bemerkung zu machen. Diese neuen Wagen würden im Herunterfahren über die steilen Anhöhen, welche auf unsern Chausseen vorkommen, bei dem geringsten Zufall am Maschinenwerke in Stücke zerschmettert werden. Ueberdieß sind die verhältnißmäßig geringen Lasten, welche eine Maschine auf diese Art fortzuschaffen vermag, und die viel kleinere Geschwindigkeit im Vergleiche mit dem, was dieselbe Maschine auf einer Eisenbahn zu leisten fähig wäre, hinreichend, um die Thorheit dieses Projektes zu zeigen (to shew the folly of the attempt). Es muß daher einleuchten, daß das einzige Mittel, von welchem hierinfalls ein guter Erfolg zu erwarten ist, darin besteht, eine für den besondern Bau von mechanischen Fuhrwerken geeignete Straße, mittelst einer ganz ebenen, glatten, und harten Oberfläche, so zu bilden, daß die Wagen mit einer kleinern Kraft schneller und wohlfeiler darauf fortgebracht werden können“ – das heißt: eiserne Geleise vorzurichten.

[Nachtrag zu Anmerkungen auf Seite 172:] a) die Times enthält keine weitere Nachricht von Probefahrten des Dampfwagens.

  1. Diese Anordnung mit der auf einem besondern Wagen voran ziehenden und von den Kutschen getrennten Dampf-Maschine ist auch auf jeden Fall weit bequemer, angenehmer, sicherer und zweckmäßiger, als jene der ungeheuern Dampfwagen der Herren Gurney und Consorten, wo die Reisenden mit der Maschine und der Feuerung auf dem selben Wagen zusammen gepackt sind.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_186.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)