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Das Ausland. 1,2.1828

der ihnen eine bessere Repräsentation des Königthums verspricht. Nicht um einen Menschen kann es ihnen zu thun seyn, der zufälligerweise König heißt, sondern nur um das monarchische Prinzip! Erschienen uns die Ultraisten als Selbstsüchtige, die eben schlechtweg nach Ehrenstellen und Besoldungen, nach Privilegien und Auszeichnungen strebten, so zeigt sich jetzt, wie sehr wir ihnen Unrecht gethan haben. Sie sind die Tüchtigen, die Geistesfreien, die Bewahrer der göttlichen Idee des Königthums, welche der Staat dafür, daß er ihnen eigentlich seine Existenz verdankt, doch nur schwach belohnt. Wo gab je das Herz eines Liberalen einer Politik Raum, die, erhaben über kleinliche Rücksichten und Vorurtheile, mit demselben Scharfblick ihre Zwecke durch alle Verzweigungen und Verkleidungen des monarchischen oder revolutionären Prinzips zu verfolgen gewußt hätte, wie die Ultraisten die ihrigen? Wir sahen, wie diese Parthei gegen Ludwig XVIII, in welchem sie einen Liberalen entdeckt hatte, in seinem eigenen Palaste sich verschwor, wie sie Ferdinand VII als einen Negro absetzte, wie sie in einem Lande die Protestanten, in einem andern die Katholiken als Gegner der Legitimität verfolgte. Gerade in diesen anscheinenden Widersprüchen enthüllte sich uns die Kraft eines Systems, das den Verstand unbefangen erhält, das Gemüth aber durch die innigsten Motive der Sympathie zum schönsten Zusammenwirken begeistert! Die Ultraisten begegnen sich, kennen sich, lieben sich – und ein Bund für die Ewigkeit ist das Werk eines Augenblicks, so daß sie sich in der Folge durch keine Aeußerlichkeiten, die eben aus der Verschiedenheit der Zeit- und Ortsverhältnisse zu erklären sind, an einander irre machen lassen. Kleine Störungen des wechselseitigen Zutrauens, die zuweilen vorkommen, können nicht lange dauern, weil man, wenn man auch in der Wahl der Mittel von einander abweicht, doch in den Zwecken und Erfolgen wieder zusammentrifft.

Der Triumph, welcher dem Ultraismus im J. 1815 zu Theil wurde, war nur vorübergehend; denn politische Combinationen hatten nichts für denselben gethan. Die Ultraisten hatten von Thaten geträumt und erwachten in den Armen des Sieges; der Wechsel der Eindrücke und die Neuheit der Lage ließ sie indessen nicht sogleich zum vollen Bewußtseyn gelangen. Einzelne Versuche, welche die noch nicht förmlich constituirten Parteien machten, dienten dazu, ihre Kraft zu üben, die Hindernisse, auf die man stoßen würde, und die Streitkräfte, auf die man rechnen könnte, kennen zu lernen. Das Jahr 1820 fand die Ultraisten besser gerüstet. Sie hatten die Zwischenzeit benützt, und sich mit Verbündeten aus ganz Europa verstärkt, und ehe sich Frankreich von seinem Entsetzen über den ungeheuren Frevel, der an dem Stammhalter der geliebten Dynastie verübt worden war, erholt hatte, während die Liberalen, die Doktrinärs, die Minister selbst durch die Beschuldigung eines ursachlichen Zusammenhangs ihrer Grundsätze mit dem Verbrechen oder mit der revolutionären Schwärmerei überhaupt eingeschüchtert stille schwiegen und zu keinem Entschlusse kommen konnten, da behaupteten die Ultraisten allein Geistesgegenwart genug, um zu handeln und sich dadurch faktisch in den Besitz der Macht zu setzen. Aber als ein Meisterstück ihrer Politik müssen wir es betrachten, daß sie das Gehässige der ersten Maßregeln, durch welche die Schuld eines Einzelnen an ganz Frankreich gestraft wurde, von sich auf Decaze abzuwälzen wußten, den sie haßten und den sie stürzen wollten. Decaze, durch das Wahlgesetz vom 5. Febr. 1817, das die Männer von der chambre introuvable allmählich entfernte, der populärste Minister, den Frankreich seit langer Zeit gehabt, ergriff selbst die Initiative zu den seiner persönlichen Macht und der Verfassung gleich verderblichen Gesetzen. Von dieser Zeit an bis zur Ernennung Villele’s im Dec. 1821 war das Ministerium ein willenloses Werkzeug fremden Einflusses, eine Art Interregnum, welches man so lange fortbestehen ließ, bis einer Seits die Nation, der verächtlichen Verwaltung müde, sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß sie nur durch den Ultraismus aus diesem Zustand der Schwäche herausgerissen werden könne, anderer Seits der Ultraismus selbst seine völlige Organisation erhalten, und die zur weitern Ausführung seiner Entwürfe nöthigen Vorarbeiten vollendet hatte.

(Fortsetzung folgt.)


Ueber die Unausführbarkeit des von einigen Mechanikern gemachten Vorschlages, mit Dampfwagen auf gewöhnlichen Straßen zu fahren.


(Schluß.)

3. Aber die Möglichkeit, durch eine Explosion in die Lüfte geschleudert, und die Wahrscheinlichkeit, gebraten zu werden, sind noch nicht die einzigen Gefahren, welchen die Reisenden auf einem solchen Dampf- und Feuerwagen ausgesetzt wären. Sie müssen außerdem auch noch in beständiger Furcht schweben, ihre Hälse oder Knochen zu brechen.

Auf jeder stark befahrenen Landstraße kann bekanntlich ein schneller Wagen nicht lange in derselben geraden Richtung sich fort bewegen, sondern er muß bald zur Rechten, bald zur Linken, einem entgegen kommenden Wagen oder andern Hindernissen ausweichen, bald an einem andern, von ihm eingholten langsamern Fuhrwerk vorbei zu kommen suchen, bald von einer rauhen und holperigen, ausgefahrenen oder neu beschotterten Stelle nach einer andern, leichter zu befahrenden Seite sich wenden, oder um eine Ecke herum sich beugen.

Bei den gewöhnlichen, von Pferden gezogenen, Fuhrwerken werden diese häufigen Wendungen, Biegungen, Auslenkungen und Einlenkungen mit der größten Leichtigkeit, Schnelligkeit und Sicherheit durch die vereinte Aufmerksamkeit und Intelligenz des Kutschers und der Pferde bewerkstelligt, und die natürliche Intelligenz der Pferde ist in den meisten Fällen so groß, daß sie, selbst bei einer minder aufmerksamen oder geschickten Leitung ihres Führers, ihre Wendungen so genau zu treffen wissen, daß sie weder zu wenig noch zu viel aus ihrer Bahn weichen, und weder zu früh noch zu spät wieder einlenken, folglich ihren Wagen weder gegen einen andern stoßen, noch in den Straßengraben werfen. Hiezu wird aber, außer der durch Uebung geschärften Intelligenz dieser Thiere, auch ihre Muskelkraft in einem hohen Grade in Anspruch genommen. Um nämlich das Vordergestell

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_184.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)