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Das Ausland. 1,2.1828

Pferde, wirken sollen, hervor zu bringen sucht. Da sein Patent um 17 Monate älter als jenes des Hrn. Guerney ist, welches im Monat Mai 1825 ausgefertigt wurde, so tritt er nun, (nach einem Artikel in dem Londoner Blatte The Times, vom 31. Dezember 1827) als Nebenbuhler dieses letztern auf, und beschuldigt ihn eines Plagiats an seiner Erfindung. Das neugierige Londoner Volk sieht demnach bald einem Wettrennen zwischen diesen beiden Dampf-Postmeistern auf den großen Heerstraßen des Königreichs entgegen. Was mich betrifft, so möchte ich auf keinen der beiden Kämpfer, wohl aber zwanzig gegen Eins darauf wetten, daß sie beide, wie alle ihre Vorgänger (die sich in der Hauptsache derselben Mittel bedient haben) stecken bleiben, und daß die in den Londoner Blättern schon vor mehreren Wochen als nächst bevorstehend angekündigten größern Probe-Reisen, welche Herr Gurney mit seiner Kutsche von London nach Windsor und zurück, und dann nach Bristol, bei Tag und Nacht, unternehmen will, entweder ganz unterbleiben, oder zugleich die ersten und letzten Reisen (von solcher Länge) seyn werden.

Man möchte zwar bei einer oberflächlichen Betrachtung glauben, es sey kein Grund vorhanden, warum ein Wagen, welchen vier Pferde im starken Trabe zu ziehen im Stande sind, nicht eben so schnell durch eine Dampfmaschine von derselben Kraft fortgetrieben werden sollte, oder warum derselbe Mechanismus, durch welchen eine sehr bedeutende Last auf einer Eisenbahn fortbewegt wird, nicht eben so gut zum Treiben gewöhnlicher Fuhrwerke auf gewöhnlichen Straßen anwendbar seyn sollte, wenn nur die Last in dem Verhältnisse des größern Widerstandes vermindert, oder die Kraft der Maschine um eben so vieles vermehrt würde. Wenn z. B. eine jener wandelnden Maschinen von vier Pferdekräften auf einer Eisenbahn eine Ladung von 400 Centnern in Bewegung setzt, und man weiß, daß der Widerstand auf einer guten Chaussee zehnmal größer als auf der Eisenbahn ist, so müsse (sollte man meinen) mit derselben Maschine, mit demselben Aufwande von Brenn-Material und mit demselben Apparate doch wenigstens eine Last von 40 Centnern mit gleicher Geschwindigkeit transportirt werden können. Die Aufgabe böte also für einen geschickten Mechaniker, welcher die Dimensionen seiner Maschine nach den Verhältnissen der verschiedenen Kräfte und Widerstände zu berechnen versteht, keine sonderlichen Schwierigkeiten dar. Allein gerade darin, daß es platterdings unmöglich ist, den Widerstand auf gewöhnlichen Landstraßen von bedeutenden Strecken genau zu berechnen, oder mit jenen auf den Eisenbahnen allgemein zu vergleichen, liegt hier die größte, nach meiner Ueberzeugung unüberwindliche Schwierigkeit. Eisenbahnen werden in der Regel, wie Kanäle, ganz wagrecht, oder mit einem möglichst sanften und gleichförmigen Steigen und Fallen angelegt; die Geleise-Schienen sind durchaus von gleicher Härte, Glätte und Vollkommenheit, und Jahreszeit und Witterung haben darauf nicht den geringsten nachtheiligen Einfluß; folglich ist auch der Widerstand, welchen die darüber bewegten Wagen zu überwinden haben, nicht nur äußerst gering, sondern auch gleichförmig und unveränderlich. Eben so gleichförmig und unveränderlich kann daher auch die bewegende Kraft seyn, durch welche die beladenen Wagen auf diesen Bahnen fortgebracht werden müssen. So sind also die hiezu nöthigen und schicklichsten Verhältnisse einer Dampfmaschine sehr leicht und mit aller Sicherheit zu bestimmen, und wenn eine solche Maschine nur Einmal in Gang gesetzt, und hundert Schritte weit vorgerückt ist, so steht ihr Nichts mehr im Wege, um auf derselben Bahn, wäre diese auch hundert Meilen lang, von einem Ende zum andern mit gleicher Leichtigkeit fortzuschreiten.

Ganz anders aber verhält sich alles dieses auf allen gewöhnlichen Landstraßen. Diese sind äußerst selten auf eine bedeutende Strecke ganz, oder nur leidentlich wagrecht gebaut; da geht es bald aufwärts, bald abwärts, bald über sanfte, wellenförmige Erhöhungen und Hügel, bald über mehr oder minder steile und lange Berge und Anhöhen.

(Fortsetzung folgt.)


Ueber die Verbrecherkolonien der Engländer in Australien, und über die Errichtung französischer Verbrecherkolonien.


(Beschluß.)

Von 1813 bis 1820 wurden in Frankreich 45,650 Individuen von den Assisen verurtheilt; darunter blos 9,000 zu kürzerem oder längerem Gefängnisse. Der Rest von 36,650 bevölkerte die Zuchthäuser und die Galeeren. Der Tod vermindert diese Summe, aber in minderm Grade als man glaubt. Dr. Villermé berechnet, daß auf den Galeeren zu Brest die Sterblichkeit 1 von 49 beträgt – ein weit günstigeres Verhältniß, als im gewöhnlichen Leben in Frankreich; da aber das Verhältniß in Rochefort vor einigen Jahren 1 von 24 war, so kann man im Durchschnitt 1 von 28 oder 30 als die Sterblichkeit auf den Galeeren annehmen, und in den Zuchthäusern 1 von 12 bis 15. Die Bevölkerung in diesen Anstalten nimmt beständig zu, und die Erbauung neuer Gefängnisse auf den verschiedenen Puncten des Königreichs beweist, wie bedeutend diese Zunahme ist. Nach Dr. Villermé waren 1818 in den Gefängnissen 44,480. Jedes Jahr werden ungefähr 2,000 frei, die mit dem Zeichen der Schande gebrandmarkt, und unter der Aufsicht der Polizei in die Gesellschaft zurückgeworfen werden. Solcher Revenants sind in ganz Frankreich mehr als 30,000, und darunter 2/3 aus den Zuchthäusern und von den Galeeren. Nach dem Berichte des Siegelbewahrers kamen 1826 269 Rückfällige vor die Gerichte, d. h. das Verhältniß dieser Classe von Angeklagten zur Summe der jährlich Freigelassenen ist 1 von 75, zur Landesbevölkerung 1 von 4,195. Es gibt wenige Verbrechen, wobei nicht vormalige Galeerensclaven compromittirt sind. Der genauen Kenntniß ihres jeweiligen Aufenthaltsorts verdankt man die Unfehlbarkeit der gerichtlichen Verfolgungen; sie aber von neuen Angriffen auf die öffentliche Sicherheit abzuhalten, reicht die polizeiliche Aufsicht nicht hin, wenn man nicht jedem von ihnen einen eigenen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_173.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)