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Das Ausland. 1,2.1828

Anwendung der Dampfmaschinen seit einem halben Jahrhunderte so vertraut ist, wo das Brennmaterial, die Steinkohlen so wohlfeil, dagegen die Pferde, im Ankauf und in der Unterhaltung so theuer sind, wie in England, war es wohl sehr natürlich, daß diese Idee schon längst mehrere der geschicktesten Mechaniker beschäftigte. Mr. Gurney ist darum keineswegs der Erste, sondern bereits der siebente oder achte von denen, welche an diese höchst wichtige, aber eben so schwere Aufgabe sich gewagt, ein Patent auf eine zu deren Lösung ersonnene Construction genommen, und die Ausführung derselben im Großen öffentlich angekündigt haben. Ob er nun, glücklicher als seine Vorgänger, der erste seyn wird, dem es gelingt, diese Aufgabe und sein gegebenes Versprechen durch mehrere, ohne Unfall vorgenommene Reisen auf gewöhnlichen Landstraßen, wirklich und auf eine befriedigende Art zu lösen, muß sich, nach seiner öffentlichen Ankündigung, bald zeigen. Vor der Hand erlaube ich mir jedoch noch sehr daran zu zweifeln.

Schon im Jahre 1759 entwarf der berühmte Mechaniker James Watt den Plan zu einem durch Dampfeskraft zu treibenden Fuhrwerke, wie aus einer von ihm selbst geschriebenen Note in Professor Robinson’s Mechanical Philosophy zu ersehen ist;[1] und er hat die hiezu nöthigen Mittel und Vorrichtungen in den Spezificationen seiner Patente von 1769 und von 1784 angegeben. Da indessen von einer wirklichen Anwendung dieser seiner Erfindung (wozu ihm alle Mittel in einem vorzüglichen Grade zu Gebote standen) nie etwas bekannt geworden ist, so darf man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß er solche, nach einigen mißlungenen Versuchen, selbst aufgegeben habe.

Im Jahre 1802 erhielt ein anderer sinnreicher Mechaniker, in der Grafschaft Cornwall, Mr. Richard Trevithick, in Verbindung mit Andrew Vivian, ein Patent auf die Erfindung einer vereinfachten Dampfmaschine (mit hohem Druck, ohne Verdichtung des Dampfes durch kaltes Wasser, und ohne Luftpumpen) und auf die Anwendung derselben zum Treiben von Fuhrwerken.[2] Allein obwohl dieses neue Prinzip von Dampfmaschinen großen Beifall erhielt, und in der Folge häufig angewendet worden ist, und obwohl hiedurch das Gewicht und der Umfang dieser Maschinen um Vieles vermindert, und der Transport derselben merklich erleichtert wurde, so ward doch der damalige Hauptzweck des Erfinders, Wagen auf gewöhnlichen Landstraßen fortzutreiben, nicht erreicht, und er überzeugte sich bald, daß sein Mechanismus nur auf Eisenbahnen anwendbar sey, auf welchen der Widerstand und die Erschütterung ungleich geringer, und die Bewegung viel leichter, sanfter und gleichförmiger ist; und so wurden durch Trevithick die ersten wandelnden Dampfmaschinen (locomotive Engines) zum Transporte von Steinkohlen auf den englischen Eisenbahnen mit gutem Erfolge eingeführt, seither aber durch die Herren Chapman, Blenkinsop, Blackett, Brunton, Losh und Stephenson auf verschiedene Art modifizirt und noch weiter verbessert, so daß jetzt ein solcher Dampfwagen mit einer Maschine von 8–10 Pferdekräften eine lange Reihe aneinander gehängter kleiner Wagen mit einer Gesammtlast von tausend Centnern und darüber ziemlich schnell hinter sich nachzieht, weßwegen man diesen Maschinen auch den Namen Steam-Horses (Dampf-Pferde) gegeben hat.

Im Jahre 1816 kündigte der in München erschienene „Anzeiger für Kunst- und Gewerbfleiß im Königreich Bayern“ eine von dem Herrn Director v. Reichenbach erfundene neue Construction von vereinfachten und tragbaren Dampfmaschinen an, durch welche Fuhrwerke auf gewöhnlichen Straßen, ohne Pferde, Berg auf und Berg ab, getrieben werden sollten. Nach Nr. 8. dieses wöchentlichen Anzeigers vom 24. April 1816, stand diese Maschine zur ersten Probe bereits aufgerichtet, und der Verein hoffte bald so glücklich zu seyn, den Lesern des Anzeigers die Resultate davon anzeigen zu können. – Die Erwartung der ganzen Stadt ward durch diese Ankündigung außerordentlich gespannt, und schon ward allgemein von einer Reise gesprochen, welche Hr. v. Reichenbach auf einer leichten Dampf-Chaise von seiner Erfindung in Zeit von 60 Stunden von München nach Wien machen wollte. Allein bald hörte man nichts mehr von dieser glänzenden Erfindung, und weder die neue Maschine noch der Dampfwagen sind je zum Vorschein gekommen. –

Im Jahre 1820 enthielten die irländischen und englischen Zeitungen, und aus diesen die meisten französischen und deutschen Blätter die pomphafteste Ankündigung einer damals ganz fertigen Dampf-Postkutsche, welche, von einem schon festgesetzten Tage an, regelmäßig dreimal die Woche zwischen Dublin und Belfast hin und her laufen sollte! – Mit dieser Ankündigung sind aber auch die Akten geschlossen worden, und man hat seither von dieser Dampfkutsche nicht mehr das Geringste gehört.

Im Jahre 1821 ließ Herr Julius Griffith, ein durch seine vielen Reisen bekannter Engländer, welcher sich mehrere Jahre lang zu Wien aufgehalten hattte, sich zu gleicher Zeit Patente in London, in Paris und in Wien auf eine von ihm erfundene Dampfkutsche geben, deren Construction, nach der im London Journal of Arts (Oktoberheft 1823) gegebenen Abbildung und Beschreibung, sehr viele Aehnlichkeit mit jener des Herrn Gurney hatte, und in mehreren Journalen und öffentlichen Blättern, vorzüglich in Herrn Gills Technical Repository, als sehr sinnreich und zweckmäßig angepriesen wurde. Das London Journal of Arts bedauerte damals (1823), daß es noch keine mit diesem Wagen öffentlich angestellte Versuche angeben könnte, und versprach, dieselben mitzutheilen, sobald sie Statt finden würden. Da indessen bis jetzt keine solche Mittheilung, weder in diesem, noch in irgend einem andern Journale erfolgt ist, so sind wir berechtigt zu glauben, daß auch diese Erfindung, nach einigen im Geheimen vorgenommenen Versuchen, unbrauchbar befunden und bei Seite gelegt worden ist.

(Forts. folgt.)
  1. S. A. practical Treatise on Rail-roads by Nicholas Wood, London 1825. p. 123–124.
  2. Die Spezification dieses am 24. März 1802 ausgefertigten Patentes, und die Abbildung und Beschreibung eines solchen Dampfwagens mit liegendem Cylinder findet man im Repertory of Art, Manufactures and Agriculture, Vol. IV. Second series, No. XXII.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_169.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)