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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 34. 3. Februar 1828.

Die chinesischen Staatskalender.

Ein Beitrag zur genauern Kenntniß der chinesischen Staats-Verfassung; von J. v. Klaproth.

Es erscheinen zu Peking, jährlich viermal, nämlich im Frühlinge, Sommer, Herbst und Winter, zwei Staats-Kalender, einer für die Civiladministration, der andere für das Militär. Sie enthalten die Namen aller in der Hauptstadt, im Lande der Mandschu, und in den achtzehn Provinzen des eigentlichen China’s angestellten Beamten, nebst mehreren vorangehenden und stehenbleibenden Notizen, deren Inhalt weiter unten angegeben werden wird.

Der Staatskalender für die Civiladministration führt den Titel Tai t’hsing tsin schin t’hsinan schu, das ist, vollständiges Verzeichniß aller im effectiven Dienst stehenden Civilbeamten des Hauses Tai t’hsing, oder der Mandschudynastie. Er besteht aus vier Bändchen, die zusammen 393 Seiten enthalten, und sowohl in groß als auch in klein Octavformat gedruckt werden, jedoch so, daß in beiden Ausgaben Seite mit Seite zusammentrifft. Der Einband dieser Bändchen ist von hochrother Farbe, und deßhalb sind die Engländer in Canton gewohnt diesen Staatskalender The Red Book zu nennen, wie ihren eigenen Londoner Hofkalender, der ebenfalls einen rothen Einband hat. Nach Vorrede und Inhaltsverzeichniß steht eine Art Einleitung mit folgenden vier Kapiteln: 1) die Aufzählung der neun Klassen der chinesischen Staatsdiener, deren jede in zwei Abtheilungen zerfällt, nebst der Angabe der ihren Mitgliedern zukommenden Auszeichnungen und Titel; 2) das Ceremoniel, oder die genaue Bestimmung der Höflichkeitsbezeigungen, welche sich die Mitglieder der verschiedenen Klassen wechselseitig schuldig sind, nebst einigen Artikeln ähnlichen Inhalts; 3) das Reglement, das die Vorschüsse bestimmt, welche der Staat den neuernannten Beamten macht, damit sie sich unverweilt auf ihre Posten in der Provinz begeben können; 4) das Reglement, das ihnen den Weg, welchen sie zu nehmen haben vorschreibt, so wie die Zeit in der sie an dem Ort ihrer Bestimmung angelangt seyn müssen.

Die vier Bändchen des eigentlichen Staatskalenders enthalten:

I Die Residenz Peking, und Sching king, oder Liao tung und das Land der Mandschu.

II Die Provinzen Tschyli, Kiang su, Ngan hoei, Kiang si, Tsche kiang und Fu kian.

III Die Provinzen Hu pe, Hu nan, Ho nan, Schun tung, Schan si, Schen si und Kan sü.

IV Die Provinzen Szü tschhuan, Kuang tung, Kuang si, Yün nun und Knei tscheu.[1]

In der ersten der neun Klassen chinesischer Civilbeamten sind die Staatsminister. Sie führen den Titel Ta hio szü, d. i. Meister der großen Lehre.

Zu der zweiten Abtheilung derselben Klasse gehören: 1) die Präsidenten der sechs Pu, oder Reichskollegien, von denen alle Civiladministration ausgeht; 2) der Ober-Censor des Reichs. Alle diese Beamten erhalten wegen ausgezeichneter Verdienste gewisse Ehrentitel, welche vormals wirkliche Aemter bezeichneten, jetzt aber als bloße Titel nur noch in sofern wichtig sind, als sie ihren Inhabern einen Adel ertheilen, der sich (wie es auch bei andern Titel der Fall ist) auf deren Vorfahren in absteigender Linie bis zu einer gewissen Generation, keineswegs aber auf deren Nachkommen erstreckt.

Die Mitglieder der ersten Klasse tragen als solche auf der Mütze eine Kugel aus einem rothen kostbaren Steine, die auf einem goldenen, drei Zoll langen, und schön gearbeiteten Stile steht, und oben mit einem Edelsteine verziert ist. Ihr Gürtel hat vier Plättchen von weißer orientalischer Jade (Yü genannt), mit goldener Einfassung und einem Rubine in der Mitte. Das Pu Fu, oder der viereckichte seidene Latz auf der Brust und auf dem Rücken, ein ferneres Abzeichen dieser hohen Beamten, ist in den Ecken reich gestickt, und zeigt einen Storch, von Wolken und Blumen umgeben. Wenn diese Beamten nicht in Gala sind, ist das Kügelchen auf ihrer Mütze von rother Coralle, und der Stil, worauf das Kügelchen steht, weniger hoch. Der Teppich, welcher im Winter über ihren Sitz gebreitet wird, ist von Wolfsfell mit rother Sarsche verbrämt, und mit sehr feinem rothen Filze gefüttert.

Die Beamten der andern Klassen haben alle ähnliche Abzeichen, und man unterscheidet sie an der Kugel auf der Mütze, an den Zierrathen des Gürtels, an den gestickten Lützen, und an dem Teppiche dessen sie sich bedienen; ebenso die nicht in den neun Klassen begriffenen Beamten, deren es eine bedeutende Anzahl giebt, die bei

  1. Man sieht, daß der Staatskalender weder die Mongolei, noch Tübet, die kleine Bucharei und das alte Land der Dsungar begreift, weil diese Länder ihre eigenthümliche Verwaltung haben, und nicht nach chinesischen Gesetzen regiert werden.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_143.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)