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Das Ausland. 1,2.1828

Prise oder reicht seine eigene Dose herum, schwatzt mit den Männern und tanzt mit den Frauen, als wär’ er ein alter, längstbekannter Freund. Ein Engländer hingegen steigt mit ernsthaftem Gesichte aus seinem Schiffe; sein Gang ist langsam und voll von dem Bewußtseyn seiner Würde; man möchte sagen, er bilde sich ein, den Leuten, die er anredet, oder dem Boden, den er betritt, eine besondere Ehre dadurch zu erweisen. Aeußerst selten legen die Engländer diesen ungeselligen Stolz ab, und verrathen ihn, selbst wenn sie sich noch so lange in einem Lande aufgehalten haben, durch die Mühe, die es sie kostet, auch nur die unbedeutendste ihrer Eigenheiten aufzugeben. Man darf sich daher nicht darüber wundern, wenn die Frauen unsres stolzen Englands durchaus kein vertrautes Band in diesem Lande anknüpfen, und überhaupt nur höchst selten die häuslichen oder geselligen Kreise der Jonier besuchen. Die Verschiedenheit der Sprache, der Sitten, und hauptsächlich ein in die Augen fallender Leichtsinn, welcher gleich im ersten Augenblicke unsere spröden Damen beleidigt – alles muß sie von einander entfernen.

Der schon früher erwähnte Lord Guilford hatte bereits auf mehreren der Inseln eine große Anzahl von Schulen gegründet, als es ihm endlich, unterstützt von der englischen Regierung, gelang, seinen Lieblingsentwurf, die Errichtung einer griechischen Universität auf Corfu, zur Ausführung zu bringen. Die Schwierigkeiten waren groß, und konnten nur durch die glücklichste Vereinigung von Vermögen, Rang, Talenten und Charakter überwunden werden. Jeder andere, dem eine dieser Eigenschaften gefehlt hätte, würde sich bald genöthigt gesehen haben, auf die Unternehmung zu verzichten. Zwar verlieh England den Sieben Inseln eine sogenannte freie Verfassung; dem Lord Ober-Commissär aber ward dabei eine ungeheure Gewalt vorbehalten, und Sir Thomas Maitland versäumte nicht leicht eine Gelegenheit, jene Gewalt gegen jedes Projekt, das nicht unmittelbar von ihm ausging, oder das nicht wenigstens seine unbedingte Billigung erhalten hatte, in Anwendung zu bringen. Schwerlich zeigte je ein Despot eine tiefere Verachtung gegen seine Sklaven als „König Tom“ gegen die seiner Administration anvertrauten Inselbewohner; so konnte denn auch eine Institution, welche die Wohlthat der Bildung und Aufklärung verbreiten sollte, nur eine höchst laue Unterstützung finden. Trotz dieser entmuthigenden Auspizien, und trotz mancher übelwollenden Schritte des Gouverneurs, brachte es Lord Guilford bei dem Parlament von Corfu doch endlich dahin, daß es sich zur Unterhaltung der Universität verbindlich machte, sobald die ersten Bedingungen der Gründung erfüllt seyn würden. Vor allem mußten Professoren aufgefunden und für die verschiedenen Funktionen vorbereitet werden. Diese Aufgabe war nichts weniger als leicht. Unter den Griechen selbst fanden sich keine Männer, die einen umfassenden Unterricht zu ertheilen vermochten, und unter den Ausländern war das Neugriechische wenigen so geläufig, um ihre Vorlesungen in dieser Sprache halten zu können. Man mußte also damit beginnen, erst die Lehrer zu bilden. Oft aber, wenn die Ausbildung derselben ganz vollendet schien, vereitelte das Anerbieten einer vortheilhafteren Stelle im Auslande, oder eine Heirath, ein Todesfall wieder alle Opfer und Anstrengungen des edlen Lords.

Nach mehreren Jahren unermüdlicher Sorge und Beharrlichkeit, nachdem man mit großem Kostenaufwande eine Menge junger Leute auf mehrere Universitäten Europa’s gesandt, hatte man endlich eine hinlängliche Zahl von Professoren zusammengebracht, um die Arbeiten beginnen zu können. Die Entwürfe Lord Guilford’s wurden der definitiven Sanktion des jonischen Parlaments unterworfen; dann wurden Statuten verfaßt, die Besoldungen bestimmt, und im November 1823 der Lord einstimmig zum Kanzler der neuen Universität ernannt.

Da Sir Thomas Maitland sich einen neuen prachtvollen Palast hatte erbauen lassen, so wurde das in der Citadelle gelegene alte Gouvernementsgebäude der Universität überlassen. Die Studirenden haben ihre Wohnungen nicht in dem Gebäude, sondern in der Stadt.

Die Kleidung ist für alle Studirenden gleich, und nirgends existiren jene demüthigenden Unterscheidungen wie in Oxford und Cambridge; der Adeliche wird wie der Bürgerliche, der Reiche wie der Arme behandelt.

Die Professoren der Universität halten täglich jeder Eine Vorlesung, und empfangen etwa 140 Gulden monatlich. Im Englischen wird unentgeldlicher Unterricht ertheilt. Die Ausgaben eines Philologos (Studirenden) beschränken sich auf die nothwendigen Lebensbedürfnisse, und selbst in dieser Hinsicht wacht die Universität darüber, daß keine Verschwendung Platz greife. Der Preis eines Mittagessens darf 20 Obolen (20 Sols), und an Festtägen 25 bis 30 nicht übersteigen. Der ganze Kosten der Pension und des Unterrichts beträgt etwa 40 Pfd. Sterling (480 fl.) jährlich.

Die Zahl der Studirenden hat seit der Eröffnung der Universität rasch zugenommen. Im ersten Jahre waren es nur 47, im zweiten 87, in der Mitte des Jahre 1826 aber bereits 211. Von diesen hatte Corfu 80 gesandt, Cephalonia 28, Ithaka 2, Zante 11, Paros 4, Santa Maura 2, Cerigo 2, England 1, und das griechische Festland 63. Diese letztere Zahl beweist, (wenn man die unglückliche Lage Griechenlands und die strenge Quarantaine von 25 Tagen mit in Betracht zieht) welche Achtung sich die junge Universität bereits daselbst erworben hat.

Auch die Vorbereitungsschule ist sehr besucht. Die Zahl der Schüler übersteigt bereits die der Studirenden. Um ein Philologos zu werden, muß der Schüler das 14te Jahr erreicht haben, und ein strenges Examen im Griechischen, Lateinischen, der Religionslehre und der Arithmetik bestehen. Nach drei Jahren findet ein neues Examen für den Grad des Baccalaureus statt, bei welcher Gelegenheit der Archimandrit der griechischen Kirche mit gegenwärtig ist.

Nach Verfluß einer bestimmten Zeit erlangt der Baccalaureus die Magisterwürde. Alle diese Grade aber sind zu Erlangung gewisser Aemter, namentlich der geistlichen, unumgänglich nothwendig.

Die Costüme der Universität – der Professoren, wie der Studirenden – wurden nach antiken Mustern gewählt, und nur nach den veränderten Ansichten unsrer Zeit über Zweckmäßigkeit und Anstand etwas modifizirt.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_126.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2020)