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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 26. 26. Januar 1828.

Egypten unter Mehemed Ali.


(Fortsetzung.)

Mehemed Ali’s Verehrer, deren er in Europa so viele hat, werden unserem Tadel entgegnen: es sey ungerecht, die Grausamkeiten, welche seine Söhne, oder deren halbwilde Kriegsknechte begangen, auf sein, des Vaters, Rechnung zu setzen. Dieß zugegeben, dürfen wir doch fragen, warum der weise Vezier diese Jünglinge, (die er zu Erben seiner großen Entwürfe bestimmt hatte, die das von ihm begonnene Werk der Wiedergeburt Egyptens vollenden sollten,) statt ihren noch zarten und empfänglichen Gemüthern Sinn für die Künste des Friedens, Achtung für Recht und Sitte, Wohlwollen gegen die Menschen, Freude an einer freien Thätigkeit im Ackerbau, im Handel und in den Gewerben einzuflößen, vielmehr in den Feldlagern aufwachsen ließ, wo, bei dem frühen Bewußtseyn prinzlicher Machtvollkommenheit, zwar die männlichen Tugenden der Tapferkeit und Selbstständigkeit sich entwickeln konnten, zugleich aber auch ein Vulkan von Leidenschaften ausbrechen, und unter den blutigen Scenen des kriegerischen Lebens jedes sanftere Gefühl der Humanität erstickt werden mußte?

Wir gestehen, daß uns dieß keinen hohen Begriff von Mehemed Ali’s Erziehungsweisheit gibt. Eifrigst besorgt, überall seine Familie im fürstlichen Glanze dem Volke zu zeigen, – ein Blendwerk, dessen die Legitimität nicht bedarf, das aber zu den gewöhnlichen Künsten der Emporkömmlinge und Usurpatoren gehört – umgab er seine Söhne fast noch als Kinder, ehe sie eine andere Pflicht kannten, als die des Gehorsams gegen ihren Vater, mit dem gefährlichen Pompe, der sie zu den unbegränztesten Ansprüchen berechtigte, mit einem förmlichen Hofstaate, mit Großoffizieren und Kammerherren, mit Leibwachen und Truppen, und bestellte sie zu Statthalern von Provinzen, zu Herren über Eigenthum, Leib und Leben seiner Unterthanen, und zu Anführern großer Heere. Wenn er ihnen aber die wichtigsten Staatsangelegenheiten übertrug, kann da Jemand im Ernste glauben, der Pascha werde Alles ihrem freien Selbstermessen überlassen, er werde ihnen nicht vertraute Rathgeber zur Seite gestellt haben, sie gegen die Folgen des jugendlichen Leichtsinnes oder der Unerfahrenheit zu schützen? So ist es also doch der Vater, den wir für die bösen Thaten seiner Söhne verantwortlich machen müssen, während wir geneigt sind, den Grund ihrer guten Handlungen in ihnen selbst zu suchen. Tussun und Ismaël Pascha sind nicht mehr, und die Freude, die Mehemed Ali an ihnen im Leben hatte, konnte nicht größer seyn, als sein Schmerz über ihren frühzeitigen Verlust: so kurz und glänzend war ihre Laufbahn. Aber welch ein Glanz war es, der sich über diese Laufbahn verbreitete? Wenn auch Züge von Edelsinn und Menschlichkeit, die an den ritterlichen Geist der alten Araber erinnern, wohlthuende Lichtstrahlen auf Tussun’s und Ismaël’s vorübergehende Erscheinung werfen, so erkennen wir darin weniger eine freie sittliche That, als die Wirksamkeit der mütterlichen Natur, die auch in ihren verwilderten Kindern den Samen des Guten pflegt, so wie sie erquickende Oasen in die unfruchtbare Wüste gelegt hat. Doch müssen wir zu ihrer Ehre anführen, daß die Eigenschaften, die ihren Bruder Ibrahim zu einem vollkommenen Türken machen, der unbeugsame Stolz, die gefühllose Grausamkeit, die intrigante, trugvolle, rücksichtslose Politik, in geringerem Grade ihr Erbtheil waren. Mehemed Ali’s und Ibrahim’s mächtigste Leidenschaft ist diejenige, welche ihnen die Befriedigung aller übrigen Leidenschaften verspricht, die Herrschsucht. Wie bei Augustus und Tiberius, zeigt sich die Verschiedenheit ihrer Persönlichkeiten zwar bei der Wahl ihrer Mittel zur Erreichung dieses Zweckes, wobei dann die natürliche Charakterhärte des Einen mit der erkünstelten feinen Haltung des Andern auffallend kontrastirt. Wesentlicher aber möchte vielleicht der Gegensatz seyn, in den sie durch ihren religiösen Charakter zu einander treten. Obwohl ein pünktlicher Beobachter der Vorschriften des Propheten theilt Mehemed Ali die Verfolgungssucht seiner Glaubensgenossen nicht; Ibrahim aber kostet es Mühe, seinen Haß und seine Verachtung gegen den ungläubigen Raja oder Franken zu verbergen. Ohne Zweifel ist Mehemed Ali eines religiösen Fanatismus schon wegen des Grades von Begeisterung, der dazu gehört, nicht fähig. In Ibrahim’s Leben kommen Handlungen vor, die sich einzig und allein daraus erklären lassen; bei Mehemed Ali dürfte die Politik als Erklärungsgrund seines Thuns und Lassens in den meisten Fällen hinreichen. Als Ibrahim, im Begriff gegen die Wechabiten zu Felde zu ziehen, von seiner Familie Abschied nahm, hieng seine Muttter eine Juwelenschnur von unschätzbarem Werthe um seinen Hals, mit dem Befehl, dieselbe bei seiner Ankunft in der heiligen Stadt auf des Propheten Grab nieder zu legen. Andächtig vollzog er den frommen Auftrag seiner Mutter, zu deren reichem Geschenke er die kostbarsten Spenden aus seinem eigenen Schatze fügte. „Siehe mich,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_111.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)