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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 25. 25. Januar 1828.

Die jonischen Inseln.

Der Sirocco. Maitland, Adams und Guilford.

Ein kürzlich erschienenes englisches Werk[1] enthält sehr anziehende Schilderungen eines, von Nationalvorurtheilen ziemlich freien brittischen Reisenden, über diese schönen Besitzungen, welche weder die Gewalt der Waffen, noch freie Wahl, sondern die Intriguen der Politik und die Siege des Kabinets, der Oberherrschaft Englands unterworfen haben. – Alles ist herrlich in Corfu (sagt unser Reisender) soferne man nicht genöthigt ist in einem der abscheulichen Wirthshäuser zu wohnen, oder soferne nicht der furchtbare Sirocco weht. Dem erstern Uebel entging ich glücklich, aber keine Gastfreundschaft konnte mich vor dem zweiten schützen. Der Einfluß dieses Windes ist so groß, daß selbst Personen von der stärksten Constitution sich plötzlich ermattet fühlen, als wären sie von der schwersten Krankheit befallen, ja daß selbst die Einwohner der Gegenden, in denen er am häufigsten weht, nicht immer von seinen furchtbaren Wirkungen verschont bleiben. In dem Augenblicke, als er, zum erstenmal seit meiner Ankunft auf der Insel, zu wehen begann, ward ich aus tiefem Schlafe erweckt, und fühlte die Veränderung, die plötzlich in der ganzen Atmosphäre vorging. Meine Brust ward beklommen; es bemächtigte sich meiner das peinliche Gefühl eines Menschen, der zu ersticken fürchtet; es war mir also ob ein brennender, schwefliger Liquor durch meine Adern drängt; mein ganzes Wesen befand sich in der äußersten Abspannung. Glücklicherweise ist das Uebel nur vorübergehend, und hat man es überstanden, so freut man sich doppelt des schönen Lebens, das ringsum dieser glückliche Himmel darbietet.

Mit Freuden bemerkt man in Corfu überall die steigenden Fortschritte der Civilisation. Straßen die noch vor kurzem völlig unwegsam waren, sind nach Mac Adams Methode hergestellt, und bequeme Wohnungen, in einem bessern Style gebaut, treten an die Stelle der alten, den Einsturz drohenden Hütten. In der Stadt selbst verdrängt Reinlichkeit und Ordnung mehr und mehr den einst so ekelhaften Schmutz. Die Abschaffung eines alten auf dem Grundeigenthum lastenden Gesetzes, nach welchem ein Theil der Insel ausschließlich mit Oelbäumen bepflanzt seyn mußte, woher es kam, daß beständige Nebel daselbst herrschten, hat sehr wohlthätig auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung gewirkt. Zugleich ward dadurch ein beträchtlicher Theil des Bodens für eine weit vortheilhaftere Benützung gewonnen. Diese Maßregel ist eine von den Wohlthaten der Verwaltung des Sir Frederik Adams, der zum Glück der Jonier Nachfolger des despotischen und übermüthigen Sir Thomas Maitland wurde.

Das Andenken des „Königs Tom,“ wie die Inselbewohner den Sir Thomas nennen, wird von allen verwünscht, und noch gegenwärtig sprechen sie von ihm nur mit Schrecken und Abscheu. Er hatte die Kunst, sich bei all denen, die unter seiner Verwaltung standen, von Grund auf verhaßt zu machen, bis auf den höchsten Grad gebracht. Doch möchte ich diesen Haß mehr auf Rechnung der rohen und beleidigenden Art, mit der er seine Gewalt ausübte, als auf Rechnung von Handlungen positiver Unterdrückung setzen. So z. B. fiel es ihm einmal ein, den gesetzgebenden Körper in seinen eigenen Palast zu berufen, und vor den Repräsentanten des Volks ohne Rock, im bloßen Hemde zu erscheinen. Nie sprach er von den Joniern, ohne ein unanständiges, seine Verachtung ausdrückendes Beiwort beizufügen. Ein solcher Mann war nicht geeignet seine Person oder seine Maßregeln populär zu machen. Zuweilen begegnete es ihm sogar, seine eigenen Anordnungen zu verletzen, was diesen noch mehr das Siegel einer rein willkürlichen Tyrannei aufdrückte. Ungeachtet er z. B. alle aus Albanien kommenden Schiffe einer sehr strengen, dem Handel der Insel höchst beschwerlich fallenden Quarantaine unterworfen hatte, kehrte er sich doch, als er selbst von einem Besuche bei Ali Pascha zurückkam, so wenig an sein eigenes Gesetz, daß er gleich vom ersten Tage seiner Ausschiffung an, mit dem Pelze, den er vom Pascha von Janina zum Geschenk erhalten hatte, spazieren ging. Noch bis auf diesen Tag müssen die Reisenden und der Handel die nachtheiligen Folgen dieses Benehmens empfinden; die neapolitanische Regierung sah sich dadurch veranlaßt, die Quarantainezeit der von den Inseln kommenden Schiffe um mehrere Tage zu verlängern, und bis jetzt konnte es dem englischen Einflusse nicht gelingen, die Zurücknahme dieser Maßregel zu bewirken.

Der gegenwärtige Gouverneur der Sieben Inseln, Sir Frederik Adams, genießt eine wohlverdiente Popularität; und es möchte auch schwer seyn, die Pflichten des ihm anvertrauten Postens mit größerem Eifer zu erfüllen. Seine Verheirathung mit einer jungen Insulanerin hat

  1. Ionian Islands, letters of a english Voyager. London 1827.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_107.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)