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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 24. 24. Januar 1828.

Royer Collard’s Aufnahme in die französische Akademie.


Einer der glänzendsten Punkte in der Geschichte der französischen Akademie ist die einstimmige Wahl Royer Collard’s zu einer Zeit, wo dieser Gelehrte als der entschiedenste Gegner des Villele’schen Ministeriums auftrat, und seine Aufnahme, in einem Augenblicke, wo sechs Departements sich die Ehre streitig machten, ihn ihren Repräsentanten zu nennen.

Als er in den Sitzungssaal der Akademie trat, erhob sich die ganze Versammlung von ihren Sitzen; der Saal bebte unter dem stürmischen Zuruf der Freude und des Beifalls, und dennoch lag eine Art scheuer Ehrfurcht selbst in diesem lauten Ausbruch der Begeisterung. Mit tiefer Achtung betrachtete man die edle, ernste Gestalt, sonst so still und ruhig, nun aber aufgeregt und erschüttert von der freudigen Bewegung des schönen Augenblicks. Der große Redner, so fest auf der Tribüne, schien außer Fassung gebracht; seine ersten Worte waren kaum vernehmbar; seine Hand suchte zitternd die Blätter seines Manuscripts. Erst nach einigen Minuten sammelte er sich, und schnell erkannte man nun den Mann, der gewöhnt ist, die zahlreichste Versammlung zu beherrschen. Mitten in der Rede drohte der Beifall mehr als einmal stürmisch auszubrechen, wurde aber von ihm mit bewunderungswürdiger Sicherheit stets bis zu dem Augenblicke zurückgehalten, wo er einen Gedanken vollständig entwickelt hatte und es ihm gefiel, der Aufmerksamkeit Ruhe zu gönnen. Einige Stellen seiner Rede, die uns besonders bedeutungsvoll erscheinen, legen wir unsern Lesern in treuer Uebersetzung vor.

„Meine Herren! berufen durch Ihre Wahl, in Ihrer Mitte die Stelle eines Ihrer berühmtesten Mitglieder einzunehmen, kann ich mich der innern mit Ehrfurcht verbundenen Bewegung nicht erwehren, in welche eine so auszeichnende als unerwartete Ehre mich versetzt. In der That, was führt mich in die Akademie? Die Akademie! Dieser große Name ruft den ganzen literärischen Ruhm Frankreichts dem Gedächtniß zurück. Sie, meine Herren, geben diesem Ruhme nur dadurch neues Leben, daß Sie ihn stets vergrößern; mir aber gebührt nicht der Titel eines Gelehrten, der hier unerläßlich ist, und keinem unter Ihnen gefehlt hat. Kein Geisteswerk, kein von mir mit einem Glück gepflegter Zweig der Literatur, konnte Ihre Blicke auf mich ziehen. Bis zu den letzten Zeiten verstrich mein Leben, Ihrer Beschäftigung fremd, fern von Ihrem Umgange, fruchtlos unter dem Geräusch unserer bürgerlichen Unruhen, oder verborgen in stiller Zurückgezogenheit. Einige Bemühungen, im Dunkel der Schulen das Studium der Philophie wieder zu belegen, konnten nicht bis zu Ihrer Kunde gelangen. Die Zeiten liegen weit hinter uns zurück, wo wir die Liebe zu den Wissenschaften, die emsige Bewunderung unserer großen Schriftsteller, das Studium der Sprache, die sie schufen, schon für ein lohnenswürdiges Verdienst ansehen durften; die Vorliebe für diese Beschäftigungen sind heutiges Tages glücklicherweise unter uns gemein, und genügen nicht, einer so ehrenvollen Auszeichnung, wie sie mir in diesem Augenblicke zu Theil wird, als Rechtfertigung zu dienen. Es ist sonach offenbar, meine Herren, daß eine neue Idee Sie bei einer Wahl leitete, welche sich nicht auf die bisherigen Vorgänge stützt, und deren Autorität nicht zu bestätigen scheint.

Im Schoose der Literatur, in dieser geistigen Welt, in welcher die Akademie ihren Sitz hat, blickte sie um sich her, und sah, daß, beim Durchgange durch die Revolution der Gesellschaft, die öffentliche Berathung das erste Gesetz unserer Regierung geworden war. Die Rednerbühne hatte sich in der Mitte des aufmerksamen Frankreichs erhoben; das Wort führte den Vorsitz bei den Geschäften. Diese Geschäfte, meine Herren, bestehen nicht blos im Abwägen der Interessen; sie fordern auch, sie fordern vor Allem die Feststellung und Vertheidigung der Rechte. Auf diesem erhabenen Kampfplatze, welcher der Rede eröffnet ist, sehen wir, in unserm Zeitalter, die Triumphe der Gerechtigkeit und der Freiheit, – Triumphe, welche mühsam und langsam erkämpft werden, aber fortan uns gesichert sind. Ihnen, meine Herren, ist es vorbehalten, in diesen Siegen auch das Werk der Beredsamkeit zu sehen. Während wir in unserer unsterblichen Charte die Restauration der Nationalwürde, das unverletzliche Pfand der Einigkeit und der öffentlichen Treue verehren, ist es Ihnen vorbehalten, in ihr zugleich einen Fortschritt der Vernunft, eine männliche Uebung der höchsten Geisteskräfte, folglich eine Vergrößerung des Gebietes der Literatur zu entdecken. (Beifall.) Glücklich ist der öffentliche Charakter, dessen Reden Sie auszuzeichnen und an dem Ruhme der Literatur Theil zu nehmen würdigen. Wehe ihm aber, wenn er um diesen Lohn buhlt! Denn seine Gedanken sind zu ernst und bedeutend, seine Pflichten zu heilig, als daß

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_103.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)