Seite:Das Ausland (1828) 061.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

wiederhallte. Die Gouverneurs, von Andres an, der im Jahre 1688 abgesetzt wurde, bis auf Hutchinson herab, der landflüchtig hatte werden müßen, waren Märtyrer für die Volksfreiheit geworden, und seit länger als einem Jahrhundert schon rüstete sich das Volk zu dem großen Kampfe.

Das spanische Amerika war ferner weit weniger den Krieg gewohnt, als Nordamerika. Nach der ersten Eroberung des Landes hatte es mit den Eingebornen keine Kämpfe mehr zu bestehen gehabt, war nie in europäische Kriege verflochten gewesen, oder in innere blutige Händel gerathen. Dagegen waren in den Vereinigten Staaten die Wilden nie völlig unterjocht; sie mußten ausgerottet werden; dieß war ein beständiger Kampf auf Leben und Tod. Die Muskete und das Schwert durften nie abgelegt werden, jeder Tag wurde mit Blut bezeichnet. So bekamen die Nordamerikaner Geschmack am Kriegsleben, und mit ihm die mannhaften Tugenden, die der Preis sind eines langen Kampfes um die ersten Güter des Menschen, um Leben und Freiheit. So entfernt sie auch vom Mutterlande waren, so nahmen sie doch stets lebhaften Antheil an seinen Kriegen und zeichneten sich durch ihre Tapferkeit aus. Die Männer, die Louisburg eroberten, und unter Montgomery bei Quebec fochten, bedurften keiner langen Bedenkzeit, wenn sie aufgefordert wurden ihren Heerd und ihre Familie zu vertheidigen.

Endlich war die royalistische Parthei in den Vereinigten Staaten so schwach, daß sich die Tories in den nördlichen Provinzen beim Ausbruch des Krieges genöthigt sahen, in Massen auszuwandern. Der Adel und die Geistlichkeit des Mutterlandes hatten nie Gewalt in Nordamerika, und der Regierung fehlte es an allen den Bollwerken, hinter welche sich die Könige gewöhnlich verschanzen, um sich etwaigen Angriffen des Volkes mit Kraft entgegensetzen zu können. In den spanischen Colonien aber bestand eine mächtige aristokratische Parthei, die nicht nur den größten Theil des Grundeigenthums besaß, sondern auch die ganze politische Gewalt in Händen hatte, und im allgemeinen entschieden für die Sache des Königs war. Auch die Geistlichkeit erklärte sich fast einmüthig für den König. Bedenkt man nun den ungeheuren Einfluß, den dieser Stand in allen Theilen der spanischen Monarchie ausübte, und vergleicht dabei den Reichthum und die Macht des Adels mit der Armseligkeit der übrigen weißen Bevölkerung und der Hülflosigkeit der Farbigen, so muß es in der That unbegreiflich scheinen, wie es möglich war, daß die Parthei, welche für die Unabhängigkeit kämpfte, obsiegen könnte. Keine fremde Macht unterstützte die Freiheit Südamerikas; erst nach einem zehn- bis zwölfjährigen Kampfe ließen die Vereinigten Staaten einiges Interesse für dieselbe blicken, und am Ende des dritten Lustrums von Blut und Kampf erkannte endlich eine einzige europäische Macht die Thatsache der Existenz unabhängiger südamerikanischer Staaten an.

Unter diesen Umständen hat man, wie gesagt, vielmehr Ursache über den endlichen Sieg der Freiheit, als über den langen, blutigen und zweifelhaften Kampf für dieselbe sich zu wundern. Freilich stand Südamerika aber auch kein Feind gegenüber, wie den Vereinigten Staaten. Hätte das spanische Cabinet eine Finanz- und Seemacht zu seiner Disposition gehabt, die der von Großbritannien gleich gekommen wäre, so wäre ohne Zweifel der Kampf ganz anders ausgefallen, und die Emancipation dieser Colonien wäre vielleicht noch in Jahrhunderten nicht erfolgt. Welchen Einfluß aber auch immer auf den Erfolg die innere Zerrüttung Spaniens gehabt haben mag; so bleibt doch die Anstrengung der unabhängigen Parthei, die so viele Hindernisse aus dem Wege zu räumen und so wenig Hülfsquellen zu ihrer Verfügung hatte, stets höchst ehrenvoll. In sechzehn Jahren hat sie eine Revolution bewirkt, die acht bis zehn mächtige Nationen schuf, den politischen Zustand eines halben Continentes völlig umkehrte und ihm eine schönere Aussicht auf eine glückliche Zukunft eröffnete, als auf irgend eine andere Weise möglich gewesen wäre.

Es liegt hier nicht in unserm Plane, die einzelnen Ereignisse zu schildern, welche den Gang der südamerikanischen Revolution bezeichneten, da die allgemeine Bekanntschaft mit denselben, welche wir bei unseren Lesern voraussetzen dürfen, hinreichend ist, um in unsere Betrachtungen über die neue Organisation einzugehen, die das Resultat derselben war.

(Fortsetzung folgt.)


China.


Ostindische Blätter geben Auszüge aus den Zeitungen von Peking, nach denen die von uns als beendigt dargestellten Unruhen in der chinesischen Tatarei[1] aufs neue ausgebrochen wären und eine bedenkliche Wendung genommen hätten. – Eine Depesche von Chang ling, dem chinesischen Oberbefehlshaber in der Tatarei, hatte gemeldet, daß in der Schlacht bei Aksu eine große Anzahl der Anführer der Rebellen gefallen wären, und daß er hoffe, die Waffen des Kaisers würden keinen Widerstand mehr finden. Auch erfocht in der That der General Yang-pu-chun, der bei Aksu gesiegt hatte, noch beträchtliche Vortheile über die empörten Mohammedaner; mehrere Tausende wurden gefangen oder getödtet und eine unermeßliche Menge Gewehre und Pferde erbeutet. Er klagte nur, daß seine Truppen viel durch die Kälte litten, worauf der Kaiser sogleich eine Gratifikation von 10 Taels für den Mann auszuzahlen befahl, um für die nothwendigsten Lebensbedürfnisse zu sorgen. Zehntausend Kameele werden dazu verwandt, um die Mund- und Kriegsvorräthe, deren die Armee bedarf, in die Tatarei zu transportiren. – Die neuesten Berichte, deren wir erwähnt haben, gestehen zu, daß die kaiserlichen Truppen eine Niederlage erlitten hätten. Der zweite Befehlshaber, Yang-pu-chun war von dem Hauptcorps abgeschnitten worden und drei Tutungs (Generale oder Offiziere vom ersten Range) waren geblieben. – Die Chinesen sollten vier gefangene Mohammedaner den Geistern der in diesem Kriege Gefallenen geopfert haben.

(Asiatic Journal, January.) 
  1. S. Ausland Nr. 6. 7. und 8.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_061.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)