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Das Ausland. 1,2.1828

worauf die andere sich hätte berufen können, um denselben zurückzuweisen. Ein solcher Fall ist wirklich zwischen Portugal und Brasilien eingetreten. Eine ähnliche Trennung, sey sie nun friedlich oder gewaltsam, wird unter ähnlichen Umständen früher oder später immer eintreten. Die Frucht, wenn sie zur Reife kommt, wird entweder gebrochen, oder sie fällt von selbst ab.

Auf der andern Seite muß man aber auch zugeben, daß von Regierungen, die Jahrhunderte lang über große Provinzen, oder vielmehr Reiche unter dem Namen Kolonien, geherrscht haben, und deren Stolz wenigstens dabei interessirt ist, ihre alten Rechte und Titel beizubehalten, kaum erwartet werden kann, daß sie diese Besitzungen ohne Kampf aufgeben. Wie klar auch das Gesetz der Natur oder die Vorschriften der Politik seyn mögen, so wird Leidenschaft und Vorurtheil doch immer mehr Beredsamkeit besitzen, und wenigstens eine Zeitlang in den Staats-Räthen aller Länder des Erdkreises den Vorsitz einnehmen. Je mehr eine Nation unter dem Einflusse des Herkommens und der Gewohnheit steht, desto weniger wird sie geneigt seyn, sich den Forderungen äußerer Verhältnisse zu fügen. Es darf uns daher nicht befremden, wenn Spanien sich bei dem Eintreten eines solchen Falles weniger nachgiebig zeigt, als dieß unter gleichen Bedingungen gegenwärtig von Seiten Großbritanniens zu erwarten wäre. Betrachten wir die ungeheure Ausdehnung des amerikanischen Continents, die geistige Entwicklung des Volks, den Reichthum und die Macht, denen dasselbe entgegen strebt, und vergleichen damit die Schwäche und den hülflosen Zustand Spaniens, so erscheint es als vollkommene Verrücktheit, wenn eine solche Macht glaubt, Herr werden zu können über eine so tiefgreifende, umfassende Bewegung. Spanien bleibt aber verblendet, es sieht in diesen kräftig, jugendlichen Staaten nur undankbare Kinder. Das natürliche Streben sich zu trennen und sich unabhängig zu machen, da sie zur völligen Reife gekommen sind, ist eine Sünde gegen die Legitimität. „Des Königs Ehre und Gewissen verlangt es, daß er seine ererbten Reiche seinem Thronerben wiederum ungeschmälert übergebe.“ Die Macht ist zwar nicht mehr vorhanden, aber der Titel bleibt; die Regierung willigt lieber in jedes Opfer ein, und vollendet den Ruin ihres Landes, als daß sie eine Thatsache anerkennte, die kein Vernünftiger, ja nicht einmal sie selbst, wenn sie nicht als Regierung auftritt, zu läugnen vermag. Spanien würde kein größeres Glück widerfahren können, als wenn seine europäischen Alliirten, die es sich so angelegen sein ließen, sich in einem Falle, wo es sich leicht selbst helfen konnte, in seine Angelegenheiten zu mischen, unter Umständen, in denen es unfähig ist, sein eigenes Beste einzusehen, die Anerkennung desselben erzwängen. Aber dieß verbietet, wie es scheint, die Delikatesse. Eine sonderbare Delikatesse, die es freilich erlaubt, alle zehn oder fünfzehn Jahre unter Vorwänden allerlei Art das Königreich militärisch zu besetzen, und, ohne ihn zu fragen, in des Königs Namen zu regieren; die aber nicht wagt in seinem Namen eine Maßregel zu ergreifen, die, ohne allen Zweifel, die einzige ist, welche vor dem gänzlichen Verfall des Reichs bewahren kann! Ist dieß Verblendung, oder ist es Heuchelei? was es auch seyn mag, so ist es traurig genug für das spanische Volk, und bewährt das spanische Sprichwort: Gott erhalte mich vor meinen Freunden, vor meinen Feinden werde ich mich schon selber erhalten.

(Fortsetzung folgt.)


Scènes contemporaines

laissées par Madame la Vicomtesse de Chamilly, Paris 1826.
(Schluß.)

(Die zweite Scene spielt im Zimmer des Herrn Courtin, der sich nicht entschließen will, etwas für die Griechen beizutragen.)

dritte Scene, im zweiten Stockwerke.

     Abrun: (ruht auf einem Divan) Die Sonne der Franken ist eisig, wie das Herz dieser Ungläubigen! Lieber ritte ich durch die Wüste Al Ahkaf auf meiner braunen Stutte von Vahkir, ohne einen Tropfen Wasser, meinen Durst zu löschen, als mich hier zu langweilen in den abscheulichen Hauptstädten Frangistan’s.[1] beim Allah! Das schwarze Zelt des Wahabiten ist tausendmal mehr werth, als diese traurige Wohnung, und die Feuerwinde Aldschesirah’s sind besser, als der kalte, weiße Regen, der seit acht Tagen, wie ein Hermelinpelz, auf den Dächern dieser vom Propheten verlassenen Stadt liegt. Jussuf, rücke die Glutpfanne näher, und reich’ mir mein Cibuhi![2] Ist der Marquis, wie die Hunde von Giaurs ihn nennen, während meiner Mittagsruhe gekommen?

     Jussuf. Wer, mein Gebieter?

     Abrun. Ali Bei, der fränkische Reiß.

     Jussuf. Nein Gebieter; aber Jussuf hat gesehen den gelehrten Franken des Dschami[3] in der Rue de Clichy sammt den jungen Scheiks, die das Wort des Ungläubigen lernen.

     Abrun. Ach! bei Jomard, dem Vater des Buches![4] wenn die Gläubigen die List der Franken einsähen, wären wir nicht mehr das Spiel aller der Eitzirs[5] die sie ausschicken! Aber der Araber ist wie das Pferd der Christen, man bedarf einer Peitsche um seiner Herr zu werden: der Vater des Buches wird seine Weisheit verlieren beim Ausbilden der koptischen Köpfe; unsere durch die Sonne der Wüste calcinirten Häupter sind zu hart für seine schwachen, mit Dinte gefärbten Finger. Was wollte er?

     Jussuf. Akem, der Sohn des Mürdühar,[6] hatte Nachricht vom großen Pascha; er hat gesagt: höre zu, Jusuf,

  1. Europa’s
  2. Pfeife
  3. Moschee
  4. d. i. der Gelehrte Herr Jomard, welcher die Erziehung der vom Pascha von Aegypten nach Paris gesandten junge Leute leitet.
  5. Gesandter.
  6. Staats-Sekretär des Paschalik’s Aegypten.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_056.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)