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Das Ausland. 1,2.1828

Einschränkungen in demselben machen lassen, wird, glauben wir, niemand läugnen, aber wir wissen nicht, ob sie eben von großer Bedeutung seyn werden.

Wir sind demnach der Meinung, daß das höchste, was man ersparen könnte, ohne die Ruhe und Unabhängigkeit des Landes zu gefährden, sich auf 2 bis 3 Millionen beläuft; und obgleich wir keineswegs behaupten, daß diese Ersparniß nicht durch die Aufhebung oder Verminderung einiger sehr drückender Lasten auch in ökonomischer Hinsicht von Wichtigkeit werden könnte, so ist doch klar, daß es die Quote des Gewinns so gut wie gar nicht heben, also auch keine wesentliche Verbesserung unserer financiellen Lage seyn würde. Wir suchen durchaus nicht die Lage des Landes schlimmer darzustellen, als sie wirklich ist, im Gegentheil sind wir vollkommen überzeugt, daß sie durch eine weise Gesetzgebung und eine gesunde Politik wesentlich verbessert werden kann; aber wenn wir unsere Leser glauben machen wollten, daß irgend ein Ersparungssystem, welches die Regierung befolgen kann, im Stande wäre, uns bedeutende Hülfe zu leisten, so würden wir nur Erwartungen erregen, die sicher getäuscht werden müßten.

(Die Fortsetzung folgt.)


Ueber die politische Lage der aus dem spanischen Amerika hervorgegangenen neuen Staaten.


Von Everett.

Man müßte sehr kurzsichtig seyn, wenn man den Grund großer und einflußreicher Begebenheiten in den besondern Veranlaßungen suchen wollte, durch welche sie äußerlich hervorgerufen wurden. Das, was den eigentlichen Charakter jener Bewegungen bestimmt, die nach und nach die ganze Welt umgestalten, ist freilich selten schon beim ersten Anfang derselben sichtbar, es tritt aber im Verlaufe der Zeit immer stärker hervor, bis es endlich auch dem blödesten Auge nicht mehr verborgen bleibet. So dürfen wir z. B. nicht annehmen, daß der Patriotismus der Nord-Amerikaner gerade dadurch so aufgeregt wurde, daß man sie zwingen wollte, einen halben Pfennig zu viel für ein Pfund Thee zu bezahlen. Dieß war nur eine Form, unter welcher sich das fehlerhafte, politische Verhältniß des Mutterlandes zu seinen Kolonien fühlbar machte, und jeder andere Schritt, wodurch England seine Auctorität möchte haben geltend machen wollen, würde die Veranlassung zu denselben Ereignissen geworden seyn.

Machen wir von diesem allgemeinen Satze ein Anwendung auf das ehemalige spanische Amerika, so war hier die besondere Veranlassung der ersten Bewegungen die Zwietracht im Mutterlande, und die Usurpation des spanischen Thrones durch einen Fremden. Um das französische Joch abzuwerfen nahm sich jedes Königreich und jede Provinz das Recht, sich selbst zu regieren, und die amerikanischen Kolonien waren nicht minder dazu berechtigt, als die verschiedenen Theile der pyrenäischen Halbinsel. Peru und Mexiko befanden sich in derselben Lage, wie Kastilien und Grenada, ihre Regierungen handelten daher auch eben so selbstständig. Dieser Umstand unterscheidet die Revolution des spanischen Amerikas auf eine sehr vortheilhafte Weise von fast allen andern Staats-Umwälzungen: sie hatte Anfangs nicht einmal eine ungesetzmäßige Form. In dieser Hinsicht stehen die neuen Reiche viel reiner da, als die Vereinigten Staaten; denn wenn die Einwohner dieser leztern auch immer behaupteten, sie nähmen nur die Rechte, die jedem Engländer zukämen, in Anspruch, so behauptete doch auch die Regierung, stets nur ihre gesetzliche Gewalt auszuüben. Die südamerikanische Revolution traf aber bei der Wiedereinsetzung des Königs von Spanien im Jahre 1813 auch nicht der leiseste Vorwurf einer Ungesetzlichkeit. Inzwischen hatten die Amerikaner gelernt, sich selbst zu regieren, sie hatten unter einander und mit fremden Mächten Verbindungen angeknüpft, und sich in vielfacher Hinsicht in eine neue Lage hineingelebt, in welche sie sich nicht willkührlich, sondern durch die Macht der Verhältnisse gezwungen, versetzt hatten. Ob sie unter diesen Umständen verbunden waren, bei des Königs Rückkehr, auch selbst nur der Form nach, unter seine Herrschaft zurückzukehren, ist eine Frage, die sich nicht sogleich auf den ersten Blick bejahen läßt. Die Rechte eines Menschen gegen den andern hängen von den gegenseitigen Verhältnissen ab, die unter ihnen statt finden. Aendert nun eine von den beiden Partheien durch eine unrechtmäßige Handlung das bestehende Verhältniß, so kann sie durch dieses Unrecht natürlich niemals neue Rechte erwerben; ändert sich aber das Verhältniß ohne Mitwirkung einer der beiden Partheien, so richten sich auch ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten nach dem neu entstandenen Verhältnisse, und nicht mehr nach dem alten. Dieß war der Fall zwischen dem Könige von Spanien und seinen amerikanischen Kolonien. Man könnte daher wohl mit Recht bezweifeln, ob man genau genommen diesen Kolonien, von der Zeit der ersten Bewegungen an, die vor achtzehn oder neunzehn Jahren statt hatten, bis auf den heutigen Tag, den Vorwurf eines unrechtmäßigen Widerstandes, oder einer Rebellion gegen die rechtmäßige Obergewalt des Mutterlandes machen könne.

Wie nun aber dem auch seyn mag, so wird doch die wahre Rechtfertigung für die Fortdauer der Unabhängkeit des spanischen Amerikas, auch nach Wiederherstellung des Friedens in Spanien, ohne Zweifel eben darin zu suchen seyn, worein wir sie bei Nordamerika setzen, nämlich in dem falschen Verhältniß, worin es zur Krone Spanien stand. In beiden Fällen übten die Mutterländer das Besteurungsrecht nur in ihrem Interesse aus, sie unterwarfen die Einwohner der Kolonien mancherlei Beschränkungen, von denen ihre europäischen Unterthanen befreit waren, und machten auf diese Weise eine Verbindung, die schon Unnatürliches genug in sich trug, noch drückender. Eine solche Verbindung, da sie eigentlich nur durch Zufall gebildet und beibehalten war, konnte kaum als wahrhaft verpflichtend für eine von beiden Partheien betrachtet werden, und hätte eine von ihnen den Vorschlag gemacht, sich in Güte zu trennen, so sieht man nicht ein,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_055.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)