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Das Ausland. 1,2.1828


Sammelplatze, außerhalb der Mauer, bei Kia yü kuan, zu begeben. Zu gleicher Zeit erging von Seite der chinesischen Regierung das Ansuchen an die russischen Grenzbehörden in Sibirien, den rebellischen Mohammedanern keinen Vorschub zu leisten, und die Fliehenden von der Grenze zurück zu weisen.

Mit den ihm einstweilen geschickten Hülfstruppen sah sich der gegen die Rebellen in der Bucharei kommandirende General zwar nicht in den Stand gesetzt, etwas Entscheidendes zu unternehmen, flößte ihnen aber doch so viel Furcht ein, daß sie geneigt wurden, sich mit ihm in Unterhandlungen einzulassen, die er, ohne dazu vom Hofe beauftragt zu seyn, mit ihnen anknüpfte. Obgleich dieselben zu keinem Resultate führten, so dienten sie doch dazu, den Feind einen Theil des Winters über unthätig zu erhalten, während er bereits den Marsch nach China anzutreten gedroht hatte: eine Unternehmung, die inzwischen wegen Unwegsamkeit der Wüste und des Mangels an Lebensmitteln für Menschen und Vieh den größten Schwierigkeiten unterworfen gewesen wäre.

Zu Anfang des verflossenen Frühlings brach das vor Kia yü kuan stehende große mandschuisch-chinesische Heer gegen die westlichen Gegenden auf, und gelangte ohne Widerstand bis Chamil, der östlichsten bucharischen Stadt, die dem Kaiser treu geblieben war. Von dort aus schickte der Oberfeldherr Verstärkungen an alle die Orte ab, die noch von chinesischen Truppen besetzt waren, und zog, sobald es die Witterung und die nöthige Zufuhr von Lebensmitteln erlaubte, mit der ganzen Armee gegen das feindliche Hauptcorps. Wo er dasselbe getroffen habe, sagen die uns zugekommenen Berichte nicht ausdrücklich; doch muß dieß zwischen Aksu und Kaschkar geschehen seyn. Eine blutige Schlacht ward geschlagen, die mit der völligen Niederlage der Mohammedaner endigte. Dschanggar, der den alten Titel seiner Vorfahren Ai chodscha, das ist Mondfürst, angenommen hatte, blieb auf dem Schlachtfelde, und sein Bruder Kun chodscha, der Sonnenfürst, entkam nur mit Noth, und flüchtete sich zu den Kirgisen. Die ganze Artillerie der Rebellen, von der man sagt, sie sey von einigen Europäern bedient gewesen, ward den Siegern zur Beute. Die vier Städte Uschi, Kaschkar, Yarkand und Chotan, welche von den Empörern erobert worden waren, mußten sich dem rechtmäßigen Herrn wieder unterwerfen. Zur Strafe des Ungehorsams ihrer Bewohner wurden die jährlichen Abgaben derselben verdoppelt.

Durch Tschang ling’s glänzenden Sieg ist nun die Ruhe in Mittelasien wieder hergestellt worden; Handel und Gewerbe blühen bereits wieder auf; die reichen Caravanen, welche aus der kleinen Bucharei chinesische und andere Waaren nach Kokand, Samarkand und Buchara bringen, haben ihre alten Züge wieder angefangen. So entsteht neues Treiben und Leben auf der großen Handelsstraße, auf der seit mehr als 2000 Jahren die Produkte des östlichen Asiens nach Persien und von dort nach Europa gelangen, und die uns schon Ptolomäus und andere Schriftsteller des Alterthums beschrieben haben.


Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika.
(Fortsetzung.)

Die herrschende Religion im innern Afrika ist die mohamedanische; selbst in Bornu wird das Fest des Ramadan und die sonstigen Satzungen des Islam streng beobachtet. Indessen giebt es im Innern Sudan’s nicht nur einzelne Stämme, sondern ganze Völkerschaften, die der Vielgötterei huldigen. Im Osten und Süden sind die Biddumah und Kerdîs Verehrer eines göttlichen Wesens, die, wie im Westen die Bedîs, seit Jahrhunderten der Religion und den Waffen der Araber widerstehen. In mehreren Provinzen wohnen koptische Christen:[1] an ihnen kann Europa Mitkämpfer für die heilige Sache der Civilisation gewinnen. Oder soll es seine Bemühungen aufgeben, wenn die Sprache der Menschlichkeit, der Grundsatz des Rechts, der Begriff der gesellschaftlichen Ordnung nicht immer gleich zu empfänglichen Herzen dringt?

Wie entfernt ist Afrika noch von der Erkenntniß dessen, was ihm Noth thut! Der Sultan der Fellâtas, der von dem großen Flusse bis jenseits Mandara herrscht, und so stolz auf seine Gewalt ist, vermag den Umgebungen seiner Hauptstadt nicht einmal so viel Achtung zu verschaffen, daß seine Feinde nicht vor den Thoren von Sakkatu die Karavanen plündern.

Ländereien, die ein Jahr lang brach liegen, fallen in Bornu dem nächsten besten zu, der davon Besitz ergreift. Der geringste Verdacht eines Verbrechens wird ohne gerichtliche Formen mit dem Tode bestraft, obgleich in Bornu ein Schattenbild von einem muselmännischen Gerichtshofe vorhanden ist.

Dem Sultan darf sich Niemand auf hundert Schritte nahen, und seine Audienzen ertheilt er in einer Art von Käfig. In einem andern Theile Sudan’s ist ein Land, das von zwei feindlichen Königen zumal beherrscht wird, und diese Könige sind Vater und Sohn. Ueberall gilt die Sklavenjagd für rechtmäßig, und diese Unglücklichen sterben zu Tausenden im Sandmeer der großen Wüste. Das menschliche Geschlecht ist entwürdigt und unter das Joch des


  1. Ghubir, eine Provinz Haußa’s, ist von einem Volke koptischer Abstammung bewohnt, so wie im Westen die große Landschaft Mali, welche Christen und Juden unter ihren Einwohnern zählt.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_038.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)