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Das Ausland. 1,2.1828


In Bornu werden die Hochzeiten ungefähr wie in der Barbarei und Egypten gefeiert. Obgleich die Frauen kaum besser als Sklavinnen behandelt werden, so daß sie mit ihren Männern nie anders als knieend sprechen: so sind sie doch kräftig, herzhaft, arbeitsam. In Mandara leben die verschiedenen Zweige einer Familie zusammen. Die Haußier begraben ihre Todten in ihren Wohnungen mit Ausnahme der Sklaven, deren Leichname über das Weichbild der Städte hinausgetragen und den Hyänen und Geiern preis gegeben werden.

Die Gaukler und die Pfillen oder Schlangenbeschwörer unterhalten die Menge mit ihren Künsten, wie an den Ufern des Nils. Tanzmusik, Spiel und körperliche Uebungen sind in Bornu und Mandara und im übrigen Sudan nicht unbekannt. Der Tanz ist hier züchtiger und weniger schwerfällig, als in Egypten; die Musik, welche aus Flöte, Trommel, Klarinett und einer 12 Fuß langen Trompete besteht, ist plumper. Man spielt Schach und andere Spiele; der Faustkampf zwischen Sklaven ist eine Belustigung, wofür die Einwohner eine leidenschaftliche Liebhaberei haben. Die Athleten kämpfen nach dem Takt der Musik; blutig wird dieses Spiel jedes Mal durch die Wildheit der Herrn, die ihre Sklaven so lange hetzen, indem sie rufen, schelten und drohen, bis einer dieser Unglücklichen vor ihren Augen niedersinkt.

Woher diese traurige Aehnlichkeit mit Europa, dieser Völker in der Kindheit mit seinem königl. Volke auf dem höchsten Gipfel der Geschmacksverfeinerung und – soll ich es sagen – mit den christlichen Völkern überhaupt? In inniger Verbindung mit diesem Hang zur Grausamkeit,[1] mit dieser Verachtung des Menschenlebens steht der kriegerische Geist dieser Völkerschaften; selbst die Weiber kämpfen unerschrocken mit, und kräftigen durch ihr Beispiel den Muth der Männer. Es gibt hier nur Ein Recht, das Recht des Kriegs; nur Eine Kunst, die Fortschritte macht, die Kunst des Kriegs. Staunt man nicht in einem solchen Lande von regulären Armeen sprechen zu hören, von militärischen Evolutionen, von Cavallerie-Corps zu 4000, ja zu 15000 Mann, die ein einziger Staat besitzt; von Linientruppen zu 9000, zu 1200, ja zu 20,000 Mann; von dem Gebrauche des Wortes Ordnung; von Helmen, Harnischen, von Panzerhemden aus Eisen oder Wolle für Menschen und für Pferde?[2]

Indessen sind dieß alles Dinge, welche glaubwürdige Beobachter in Katagum bei den Bornuanern, bei den Mongowis und überall gesehen haben. Und so ist es auch das Kriegstalent, es sind diese furchtbaren Waffen, womit wir unsre Feinde mit Blitzes-Geschwindigkeit vernichten, dasjenige, was von unsrer Kunst und Wissenschaft diese Völker am meisten bewundern. Warum werfen sie sich nicht auf Ackerbau und Gewerbe mit der Leidenschaft, womit sie das Werk des Zerstörens betreiben? Umsonst fordert der fruchtbare Boden die stets mit Bogen und Köcher, mit Schwert und Lanze bewehrten Hände; umsonst verspricht er dem Afrikaner die schnellste Verbesserung seines gesellschaftlichen Zustandes. Aber hier ist nichts dauernd: ein Reich folgt auf das andere, Städte folgen auf Städte, fremde Herrscher auf eingeborne Fürsten; gewaltsam und in ganzen Massen werden die Bevölkerungen versetzt; Alles wechselt und vergeht, nur die ewige Natur[3] nicht, die des Schaffens und des Wohlthuns nicht müde wird.

Braucht es mehr, um das Dunkel zu erklären, das die Geographie Afrika’s noch umhüllt, die Widersprüche, die allen Nachrichten von dort ankleben? Krieg und politische Umwälzungen sind gewiß nicht weniger Schuld, als Lügen, oder Unwissenheit.

(Fortsetzung folgt.)

Ueber den Ursprung und Fortgang der im innern Asien gegen die chinesische Regierung ausgebrochenen Revolution.
Von J. v. Klaproth.
(Fortsetzung.)

Das General-Gouvernement der westlichen Gegenden zerfällt in zwei große Provinzen:

I. Thian schan pe lu, oder die Provinz nördlich vom Himmelsgebirg, bestehend aus folgenden drei, nach ihren Hauptörtern benannten Departements: 1) Ili. 2) Kur kara ussa. 3) Tarbagatai.

II. Thian schan nan lu, oder die Provinz südlich vom Himmelsgebirge, bestehend aus zehen mohammedanischen Fürstenthümern: 1) Chamil. 2) Pidschan. 3) Charaschan. 4) Kutsché 5) Sairam. 6) Aksu. 7) Uschi. 8) Kaschkar. 9) Yarkand. 10) Chotan.

Mit der chinesischen Herrschaft fing für die mohammedanischen Fürstenthümer der kleinen Bucharei, eine neue Epoche eines vorher nie gekannten Wohlstandes an. Die Bedrückungen, welchen die Bewohner von ihren eigenen Fürsten ausgesetzt gewesen waren, hörten auf, die Landstraßen wurden von den häufigen Räuberbanden gereiniget,


  1. Der gegenwärtige Henker in Sakkatu qualifizirte sich zum Nachfolger seines Bruders im Henkeramte dadurch, daß er diesem in Gegenwart des Sultans unversehens mit einem Streiche den Kopf abschlug.
  2. Man findet häufig Maltesische Klingen, die von Tripoli dahin gebracht werden. Zur Zierrath auf ihren Schilden und in ihren Hütten dient ihnen das Maltesische Kreuz. Diese Kreuze und andere ähnliche Zierrathen sind in Bornu, selbst bei den Tibbus und Tuariks häufig. Der Hugamonga, eine Waffe, welche die bornuanischen Soldaten auf ihre Feinde schleudern, hat viel Aehnlichkeit mit der sichelförmigen Waffe auf den Grabmählern der Egypter. Die Sandale ist die gewöhnliche Fußbekleidung der Bewohner Sudan’s.
  3. Zwey Monat nach der Saat ist Aernte. Das Brod kennt man fast gar nicht; die Weiber besorgen den Ackerbau.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_034.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)